Gesetz und Frau. Уилки Коллинз

Gesetz und Frau - Уилки Коллинз


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liebliche Arie aus der Somnambula: come per me sereno.

      Bis auf den heutigen Tag kann ich niemals das Lied hören, ohne an jenes unglückselige Hinterzimmer in Vivian place erinnert zu werden.

      Der Major brach zuerst das Schweigen.

      »Setzen Sie Sich wieder,« sagte er; »nehmen Sie aber den bequemen Stuhl. Sie sind sehr aufgeregt und bedürfen der Ruhe.«

      Er hatte Recht. Ich konnte mich nicht länger aufrecht erhalten und sank in den Stuhl. Major Fitz-David klingelte und sprach einige leise Worte zu dem eintretenden Diener.

      »Ich bin schon so lange hier gewesen,« bemerkte ich schwach.

      »Sagen Sie mir aufrichtig, ob ich Sie störe.«

      »Stören?« wiederholte er mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. »Sie vergessen, daß Sie Sich in Ihrem eigenen Hause befinden.«

      Der Diener kehrte mit einer halben Flasche Champagner und einem Teller kleiner Bisquits zurück.

      »Das halte ich mir immer für die Damen,« sagte der Major. »Sie müssen mir den Gefallen thun, einige Erfrischungen zu Sich zu nehmen, und dann —« fuhr er, mich eigenthümlich anblickend fort, »und dann werde ich zu meiner Primadonna hinaufgehen und Sie hier allein lassen.«

      Ich nahm seine Hand und drückte sie dankbar.

      »Die Ruhe meines ganzen Lebens steht auf dem Spiel,« sagte ich. »Wenn Sie mich hier allein lassen, darf ich dann in diesem Zimmer suchen, wie und wo ich will?«

      »Trinken Sie erst und essen Sie,« entgegnete er mit bezeichnender Handbewegung; »dann will ich Ihnen Rede stehen.«

      Ich that, wie er mir geheißen. Der schäumende Wein belebte mich auf wunderbare Weise.

      »Es ist also Ihr ausdrücklicher Wunsch,« fragte er, »daß ich das Zimmer verlassen soll, während Sie suchen?«

      »Mein ausdrücklicher Wunsch,« entgegnete ich.

      »Ich belaste mich mit einer schweren Verantwortung, indem ich Ihren Wunsch erfülle; aber ich erfülle ihn dennoch, weil ich glaube, daß die Ruhe Ihres ganzen Lebens von der Entdeckung der Wahrheit abhängt.« Indem er diese Worte sprach, nahm er zwei Schlüssel aus seiner Tasche. »Meine verschlossenen Thüren werden Ihnen natürlich verdächtig sein,« fuhr er fort. Die einzigen verschlossenen Räume in diesem Zimmer – sind die Schranke unter dem langen Repositorium und die Thür zu der italienischen Chiffonnière in jener Ecke. Hier sind die Schlüssel dazu.«

      Er überreichte mir dieselben.

      »Bis hierher,« sagte er, »habe ich das Ihrem Gatten gegebene Versprechen nicht verletzt. Ich werde demselben treu bleiben, welches auch das Resultat Ihres Suchens sein möge. Ich habe meine Ehre verpfändet, Ihnen weder durch Wort noch That beizustehen. Es ist mir nicht einmal gestattet, Ihnen den leisesten Wink zu geben. Nun noch eine letzte Warnung. Wenn Sie durch Zufall den Schlüssel zum Geheimniß finden sollten, wird die Entdeckung eine fürchterliche sein. Wenn Sie nur den geringsten Zweifel in Ihre Fähigkeit setzen, den Schlag ertragen zu können, so lassen Sie um Gottes willen vom ferneren Forschen ab!«

      »Ich danke Ihnen für Ihre Warnung, Major; aber ich muß die Entdeckung machen, es koste was es wolle.«

      »Gut, das Haus und seine Bewohner stehen vollständig zu Ihren Diensten. Auf einmaliges Klingeln erscheint der Diener, auf zweimaliges die Hausmagd. Von Zeit zu Zeit werde ich mich selbst überzeugen, wie weit Sie sind.«

      Er führte meine Hand an seine Lippen und heftete einen letzten beobachtenden Blick auf mein Antlitz.

      »Ich denke, ich werde nicht zu viel riskiren,« sagte er mehr zu sich selbst als zu mir. »Die Frauen haben mich zu mancher raschen Handlung verleitet; was Wunder, daß Sie mir die rascheste von allen abnöthigten!« Mit diesen Worten machte er mir eine ernste Verbeugung und ließ mich im Zimmer allein.

       Zehntes Capitel.

      Valeria sucht

      Das Feuer im Kamin war im Erlöschen, und draußen wehte ein kalter Herbstwind; dennoch war mir glühend heiß, als der Major Fitz-David mich verließ. Ich nahm Hut und Mantel ab, zog die Handschuhe aus und öffnete ein wenig das Fenster. Die Aussicht aus demselben war wenig erquickend. Ein öder gepflasterter Hof, auf der andern Seite begrenzt von den Ställen des Majors. Wenige Minuten am offenen Fenster kühlten, meine brennende Stirn und erfrischten mich. Ich schloß es wieder und that meine ersten Schritte zu der Durchsuchung des Zimmers.

      Ich war erstaunt über meine Gemüthsruhe. Ich fühlte einen Trost darin, mit mir allein zu sein.

      Das Zimmer hatte die Gestalt eines Oblongums. Von den beiden kürzeren Wänden enthielt die eine jene bereits von mir erwähnte Thür mit der Spalte, welche die Verbindung mit dem vorderen Zimmer herstellte; die zweite kurze Wand wurde fast vollständig von einem breiten Fenster eingenommen, das nach dem Hof blickte.

      Ich begann mit der Wand, in welche die Thür mit der Spalte eingelassen war. An jeder Seite derselben stand ein Kartentisch. Ueber jedem der beiden Tische befand sich auf einem kunstvoll geschnittenen Consol eine prachtvolle chinesische Vase vom feinsten Porzellan.

      Die Schubläden der kleinen Tische enthielten nur Karten und Spielmarken. Mit Ausnahme eines einzigen Spiels waren die Karten sämmtlich neu, als wenn sie eben aus dem Laden gekommen wären. Ich blätterte das bereits benutzte Packet sorgfältig durch, ohne das geringste Verdächtige zu entdecken

      Mit Hilfe einer kurzen Leiter, die zu den Repositorien gehörte, blickte ich in die chinesischen Vasen. Beide waren vollkommen leer. In den Ecken der kurzen Wand standen zwei kleine Stühle von eingelegtem Holz und lose Kissen auf den Sitzen. Ich hob sie aus, nichts war darunter.

      Ich ging nun zu der entgegengesetzten Wand über, welche hauptsächlich von dem breiten Fenster eingenommen wurde. Der schmale Raum zu beiden Seiten war gerade groß genug für zwei Chiffonnièren von Polysander, deren jede eine Reihe kleiner Fächer sehen ließ.

      Mit der Chiffonnière linker Hand beginnend, fand ich in den sechs Schiebläden nur eine Sammlung von Fossilien, welche der Major wahrscheinlich von seinen früheren Reisen mitgebracht.

      Ich wandte mich also zu der Chiffonnière rechts, deren Durchsuchung mich längere Zeit kostete.

      Die oberste Schieblade enthielt eine Menge Tischlerhandwerkszeug en miniature, jedenfalls aus der Knabenzeit des Majors herrührend. Die zweite Schieblade enthielt Geschenke von zarten Händen. Gestickte Serviettenbänder, Cigarrentaschen, Morgenschuhe, Börsen, und was der Dinge mehr waren. Der Inhalt der dritten Schieblade interessirte mich noch weniger. Er bestand aus alten Rechnungsbüchern, die ziemlich weit bis in frühere Jahre hinaufreichten. Ich schüttelte jedes dieser Hefte, um zu sehen, ob vielleicht ein loses Blatt herausfallen möchte; ganz vergebens. Im vierten Fach lagen quittirte Rechnungen, sauber mit rothen Bändchen zusammengebunden. Die fünfte Schieblade befand sich in trauriger Unordnung. Eine Menge Menüs längst verzehrter Diners, Visitenkarten, Einladungen, Theaterzettel, Textbücher, Pfropfenzieher, ramponirter Cigarretten, ein Bündel rostiger Schlüssel, zwei Cigarrentaschen und ein Plan von Rom. Ich kam nun zu der sechsten und letzten Schieblade, deren Inhalt mich gleichzeitig mit Staunen und Enttäuschung erfüllte: denn er bestand nur in den Fragmenten einer zerbrochenen Vase. Ich hatte mich auf einen niedrigen Stuhl der Chiffonnière gegenüber gesetzt und wollte eben, dem ersten Gefühl des Unwillens folgend, die Schieblade mit dem Fuße zustoßen, als die nach der Halle führende Thür sich öffnete und der Major Fitz-David vor mir stand.

      Seine Blicke, die erst den meinigen begegnet waren, glitten dann zu meinem Fuß herab. Als er das noch offene Fach bemerkte, sah ich seine Mienen sich verändern. Es war nur für einen Moment; aber in diesem Moment sprachen ans seinen Augen Verdacht und Staunen, als wenn ich bereits meine Hand auf den Schlüssel des Geheimnisses gelegt.

      »Bitte, lassen Sie Sich nicht stören,« sagte Major Fitz-David. »Ich bin nur heruntergekommen, um eine Frage an Sie zu richten.«

      »Und die wäre, Major?«

      »Es sind Ihnen im Verlauf Ihrer Nachforschungen vielleicht Briefe von mir in die Hand gefallen?«

      »Bis


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