Kosmos. Alexander von Humboldt

Kosmos - Alexander von  Humboldt


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und Wasser hervorstürzen können, wird das Land am Meeresstrande nicht mehr so oft erschüttert als zu der Zeit, wo, vor der Trennung Siciliens von Unteritalien, alle Ausgänge in der Oberfläche verstopft waren.«

      In dem Erdbeben offenbart sich demnach eine vulkanisch-vermittelnde Macht; aber eine solche Macht, allverbreitet wie die innere Wärme des Planeten, und überall sich selbst verkündend, wird selten und dann nur an einzelnen Punkten bis zu wirklichen Ausbruchs-Phänomenen gesteigert. Die Gangbildung, d. h. die Ausfüllung der Spalten mit krystallinischen, aus dem Inneren hervorquellenden Massen (Basalt, Melaphyr und Grünstein), stört allmälig die freie Communication der Dämpfe. Durch Spannung wirken diese dann auf dreierlei Weise: erschütternd; oder plötzlich, d. i. ruckweise, hebend; oder, wie zuerst in einem großen Theil von Schweden beobachtet worden ist, ununterbrochen, und nur in langen Perioden bemerkbar, das Niveau-Verhältniß von Meer und Land umändernd.

      Ehe wir diese große Erscheinung verlassen, die hier nicht sowohl in ihren Einzelheiten als in ihren allgemeinen physikalischen und geognostischen Verhältnissen betrachtet worden ist; müssen wir noch die Ursach des unaussprechlich tiefen und ganz eigenthümlichen Eindrucks berühren, welchen das erste Erdbeben, das wir empfinden, sei es auch von keinem unterirdischen Getöse begleitet, in uns zurückläßt. Ein solcher Eindruck, glaube ich, ist nicht Folge der Erinnerung an die Schreckensbilder der Zerstörung, welche unsrer Einbildungskraft aus Erzählungen historischer Vergangenheit vorschweben. Was uns so wundersam ergreift, ist die Enttäuschung von dem angeborenen Glauben an die Ruhe und Unbeweglichkeit des Starren, der festen Erdschichten. Von früher Kindheit sind wir an den Contrast zwischen dem beweglichen Element des Wassers und der Unbeweglichkeit des Bodens gewöhnt, auf dem wir stehen. Alle Zeugnisse unsrer Sinne haben diesen Glauben befestigt. Wenn nun urplötzlich der Boden erbebt, so tritt geheimnißvoll eine unbekannte Naturmacht als das Starre bewegend, als etwas Handelndes auf. Ein Augenblick vernichtet die Illusion des ganzen früheren Lebens. Enttäuscht sind wir über die Ruhe der Natur; wir fühlen uns in den Bereich zerstörender, unbekannter Kräfte versetzt. Jeder Schall, die leiseste Regung der Lüfte spannt unsre Aufmerksamkeit. Man traut gleichsam dem Boden nicht mehr, auf den man tritt. Das Ungewöhnliche der Erscheinung bringt dieselbe ängstliche Unruhe bei Thieren hervor. Schweine und Hunde sind besonders davon ergriffen. Die Crocodile im Orinoco, sonst so stumm als unsere kleinen Eidechsen, verlassen den erschütterten Boden des Flusses und laufen brüllend dem Walde zu.

      Dem Menschen stellt sich das Erdbeben als etwas allgegenwärtiges, unbegrenztes dar. Von einem thätigen Ausbruch.Krater, von einem auf unsere Wohnung gerichteten Lavastrom kann man sich entfernen: bei dem Erdbeben glaubt man sich überall, wohin auch die Flucht gerichtet sei, über dem Heerd des Verderbens. Ein solcher Zustand des Gemüths, aus unserer innersten Natur hervorgerufen, ist aber nicht von langer Dauer. Folgt in einem Lande eine Reihe von schwachen Erdstößen auf einander, so verschwindet bei den Bewohnern fast jegliche Spur der Furcht. An den regenlosen Küsten von Peru kennt man weder Hagel, noch den rollenden Donner und die leuchtenden Explosionen im Luftkreise. Den Wolken-Donner ersetzt dort das unterirdische Getöse, welches die Erdstöße begleitet. Vieljährige Gewohnheit und die sehr verbreitete Meinung, als seien gefahrbringende Erschütterungen nur zwei-oder dreimal in einem Jahrhundert zu befürchten, machen, daß in Lima schwache Oscillationen des Bodens kaum mehr Aufmerksamkeit erregen als ein Hagelwetter in der gemäßigten Zone.

      Nachdem wir so die Thätigkeit, gleichsam das innere Leben der Erde in ihrem Wärmegehalt, in ihrer electromagnetischen Spannung; in ihrer LichtAusströmung an den Polen, in ihren unregelmäßig wiederkehrenden Erscheinungen der Bewegung übersichtlich betrachtet haben; gelangen wir zu den stoffartigen Productionen (chemischen Veränderungen in der Erdrinde und in der Zusammensetzung des Dunstkreises), welche ebenfalls die Folge planetarischer Lebensthätigkeit sind. Wir sehen aus dem Boden ausströmen: Wasserdämpfe und gasförmige Kohlensäure, meist frei Bischof’s gehaltvolle Schrift: die Wärmelehre des Innern unsers Erdkörpers 1837. von aller Beimengung von Stickstoff; gekohltes Wasserstoffgas (in der chinesischen Provinz Sse-tschuan Ueber die artesischen Feuerbrunnen (Hotsing) in China und den alten Gebrauch von tragbarem Gas (in Bambusröhren) bei der Stadt Khiung-tscheu s. Klaproth in meiner Asie centrale T. II. p. 419–530. seit Jahrtausenden, in dem nordamerikanischen Staate von Neu-York im Dorfe Fredonia ganz neuerdings zum Kochen und zur Beleuchtung benutzt); Schwefel-Wasserstoffgas und Schwefeldampf, seltener Boussingault (Annales de Chimie T. LII. p. 181) bemerkte in den Vulkanen von Neu-Granada gar keine Ausströmung von Hydcrochlor-Säure, während daß Monticelli in der Eruption von 1813 am Vesuv sie in ungeheurer Menge fand. schweflige und Hydrochlor-Säure. Solche Ausströmungen aus Erdspalten bezeichnen nicht bloß die Gebiete noch brennender oder längst erloschener Vulkane: man beobachtet sie auch ausnahmsweise in Gegenden, in denen nicht Trachyt und andere vulkanische Gesteine unbedeckt zu Tage ausstehen. In der Andeskette von Quindiu habe ich Schwefel in einer Höhe von 6410 Fuß über dem Meere sich im Glimmerschiefer aus warmen Schwefeldämpfen niederschlagen gesehen Humboldt, Recueil d’Observ. astronomiques Vol. I. p. 311 (Nivellement barométrique de la Cordillère des Andes No. 206)., während daß dieselbe, einst für uranfänglich gehaltene Gebirgsart in dem Cerro Cuello bei Ticsan (südlich von Quito) ein ungeheures Schwefellager in reinem Quarze zeigt.

      Unter allen Luftquellen sind die Exhalationen der Kohlensäure (sogenannte Mofetten) noch heute, der Zahl und Quantität der Production nach, die wichtigsten. Unser deutsches Vaterland lehrt uns, wie in den tief eingeschnittenen Thälern der Eifel, in der Umgebung des Laacher Sees, im Kesselthal von Wehr und in dem westlichen Böhmen, gleichsam in den Brandstätten der Vorwelt, oder in ihrer Nähe, sich die Ausströmungen der Kohlensäure, als letzte Regungen der vulkanischen Thätigkeit, offenbaren. In den früheren Perioden, wo, bei erhöhter Erdwärme und bei der Häufigkeit noch unausgefüllter Erdspalten, die Processe, welche wir hier beschreiben, mächtiger wirkten; wo Kohlensäure und heiße Wasserdämpfe in größeren Massen sich der Atmosphäre beimischten: muß, wie Adolph Brongniart Adolph Brongniart in den Annales des Sciences naturelles T. XV. p. 225. scharfsinnig entwickelt hat, die junge Pflanzenwelt, fast überall und unabhängig von der geographischen Ortsbreite, zu der üppigsten Fülle und Entwickelung ihrer Organe gelangt sein. In den immer warmen, immer feuchten, mit Kohlensäure überschwängerten Luftschichten müssen die Gewächse in solchem Grade Lebenserregung und Ueberfluß an Nahrungsstoff gefunden haben, daß sie das Material zu den Steinkohlen-und Ligniten-Schichten hergeben konnten, welche in schwer zu erschöpfenden Massen die physischen Kräfte und den Wohlstand der Völker begründen. Solche Massen sind vorzugsweise, und wie in Becken vertheilt, gewissen Punkten Europa’s eigen. Sie sind angehäuft in den britischen Inseln, in Belgien, in Frankreich, am Niederrhein und in Oberschlesien. In derselben Urzeit allverbreiteter vulkanischer Thätigkeit ist auch dem Schooße der Erde entquollen die ungeheure Menge Kohlenstoffes, welchen die Kalkgebirge in ihrer Zusammensetzung enthalten und welcher, vom Sauerstoff getrennt und in fester Substanz ausgeschieden, ungefähr den achten Theil der räumlichen Mächtigkeit jener Gebirge ausmachen würde Bischof a. a. O. S. 324 Anm. 2.. Was unaufgenommen von den alkalischen Erden dem Luftkreis an Kohlensäure noch beigemengt war, wurde allmälig durch die Vegetation der Vorwelt aufgezehrt: so daß davon der Atmosphäre, wenn sie der Proceß des Pflanzenlebens gereinigt, nur der so überaus geringe Gehalt übrig blieb, welcher der jetzigen Organisation der Thiere unschädlich ist. Auch häufiger ausbrechende schwefelsaure Dämpfe haben in den vielbelebten Binnenwassern der Urwelt den Untergang von Mollusken und Fischgattungen, wie die Bildung der vielgekrümmten, wahrscheinlich oft durch Erdbeben erschütterten Gypsflöze bewirkt.

      Unter ganz ähnlichen physischen Verhältnissen steigen aus dem Schooße der Erde hervor: Luftarten, tropfbare Flüssigkeiten, Schlamm und durch den Ausbruch-Kegel der Vulkane, welche selbst nur eine Art intermittirender Quellen sind Humboldt, Asie centr. T. I. p. 43., geschmolzene Erden. Alle diese Stoffe verdanken ihre Temperatur und ihre chemische Naturbeschaffenheit dem Ort ihres Ursprungs. Die mittlere Wärme der Wasserquellen ist geringer als die des Luftkreises an dem Punkte, wo sie ausbrechen, wenn die Wasser von den Höhen herabkommen; ihre Wärme nimmt mit der Tiefe der Erdschichten zu, welche sie bei ihrem Ursprunge berühren. Das numerische Gesetz dieser Zunahme haben wir bereits oben angegeben. Das Gemisch der Wasser, welche aus der Höhe der Berge oder aus der Tiefe der Erde kommen, macht die Lage der


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