Kosmos. Alexander von Humboldt
doch das Innere unsres Planeten in kleinen Verzweigungen offener und Wasser führender Spalten, wenigstens 2000 Jahre lang, seine alte Gestaltung hat bewahren können. Auch die Fontaine jaillissante von Lillers im Departement des Pas de Calais ist bereits im Jahr 1126 erbohrt worden, und seitdem ununterbrochen zu derselben Höhe mit derselben Wassermenge gestiegen; ja der vortreffliche Geograph der caramanischen Küste, Capitän Beaufort, hat dieselbe Flamme, genährt von ausströmendem brennbarem Gas, im Gebiet des Phaselis leuchten sehen, welche Plinius Plin. II, 106; Seneca, Epist. 80 § 3 ed. Ruhkopf. (Beaufort, Survey of the Coast of Karamania 1820 Art. Yanar, bei Deliktasch, dem alten Phaselis, p. 24.) Vergl. auch Ctesias Fragm. cap. 10 p. 250 ed. Bähr: Strabo lib. XIV. p. 665 Casaub. als die Flamme der Chimära in Lycien beschreibt.
Die von Arago 1821 gemachte Beobachtung Arago im Annuaire pour 1835 p. 234., daß die tieferen artesischen Brunnen die wärmeren sind, hat zuerst ein großes Licht auf den Ursprung der Thermalquellen und auf die Auffindung des Gesetzes der mit der Tiefe zunehmenden Erdwärme verbreitet. Auffallend ist es und erst in sehr neuer Zeit beachtet, daß schon der heilige Patricius Acta S. Patricii p. 555 ed. Ruinart, T. II. p. 385 Mazochi. Dureau de la Malle hat zuerst auf diese merkwürdige Stelle aufmerksam gemacht in den recherches sur la topographie de Carthage 1835 p. 276. (Vergl. Seneca, Nat. Quaest. II, 24.), wahrscheinlich Bischof von Pertusa, durch die bei Carthago ausbrechenden heißen Quellen am Ende des dritten Jahrhunderts auf eine sehr richtige Ansicht der Erscheinungen geleitet wurde. Als man ihn nach der Ursach der siedenden, dem Erdschooß entquellenden Wasser befragte, antwortete er: »Feuer wird in den Wolken genährt und im Innern der Erde, wie der Aetna sammt einem anderen Berge in der Nähe von Neapel euch lehren. Die unterirdischen Wasser steigen wie durch Heber empor. Die Ursach der heißen Quellen ist diese: die Wasser, welche vom unterirdischen Feuer entfernter sind, zeigen sich kälter; die, welche dem Feuer näher entquellen, bringen, durch dasselbe erwärmt, eine unerträgliche Hitze an die Oberfläche, die wir bewohnen.«
So wie die Erderschütterungen oft von Wasser-und Dampf-Ausbrüchen begleitet sind; so erkennt man in den Salsen oder kleinen Schlammvulkanen einen Uebergang von den wechselnden Erscheinungen, welche die Dampf-Ausbrüche und Thermalquellen darbieten, zu der mächtigen und grausenvollen Thätigkeit Lava speiender Berge. Wenn diese als Quellen geschmolzener Erden vulkanische Gebirgsarten hervorbringen: so erzeugen heiße, mit Kohlensäure und Schwefelgas geschwängerte Quellwasser ununterbrochen, durch Niederschlag, horizontal auf einander gelagerte Schichten von Kalkstein (Travertino); oder bauen conische Hügel auf: wie im nördlichen Afrika (Algerien) und in den Baños von Caxamarca, an dem westlichen Abhange der peruanischen Andeskette. In dem Travertino von Van Diemens Land (unweit Hobarttown) sind nach Charles Darwin Reste einer untergegangenen Vegetation enthalten. Wir deuten hier durch Lava und Travertino (zwei Gebirgsarten, die fortfahren sich unter unseren Augen zu bilden) auf die Hauptgegensätze geognostischer Verhältnisse.
Die Salsen oder Schlammvulkane verdienen mehr Aufmerksamkeit, als die Geognosten ihnen bisher geschenkt haben. Man hat die Größe des Phänomens verkannt, weil von den zwei Zuständen, die es durchläuft, in den Beschreibungen gewöhnlich nur bei dem letzteren: dem friedlicheren Zustande, in dem sie Jahrhunderte lang beharren, verweilt wird. Die Entstehung der Salsen ist durch Erdbeben, unterirdischen Donner, Hebung einer ganzen Länderstrecke und einen hohen, aber auf eine kurze Dauer beschränkten Flammenausbruch bezeichnet. Als auf der Halbinsel Abscheron, am caspischen Meere, östlich von Baku, die Salse von Jokmali sich zu bilden anfing (27 November 1827), loderten die Flammen drei Stunden lang zu einer außerordentlichen Höhe empor; die nachfolgenden 20 Stunden erhoben sie sich kaum 3 Fuß über den schlammauswerfenden Krater. Bei dem Dorfe Baklichli, westlich von Baku, stieg die Feuersäule so hoch, daß man sie in sechs Meilen Entfernung sehen konnte. Große Felsblöcke, der Tiefe entrissen, wurden weit umhergeschleudert. Diese findet man auch um die gegenwärtig so friedlichen Schlammvulkane von Monte Zibio, nahe bei Sassuolo im nördlichen Italien. Der Zustand des zweiten Stadiums hat sich über 1½ Jahrtausende in den von den Alten beschriebenen Salsen von Girgenti (den Macalubi) auf Sicilien erhalten. Dort stehen, nahe an einander gereihet, viele kegelförmige Hügel von 8, 10, ja 30 Fuß Höhe: die veränderlich ist, wie ihre Gestaltung. Aus dem oberen, sehr kleinen und mit Wasser gefüllten Becken fließt, unter periodischer Entwickelung von Gas, lettiger Schlamm in Strömen herab. Dieser Schlamm ist gewöhnlich kalt, bisweilen (auf der Insel Java bei Damak in der Provinz Samarang) von hoher Temperatur. Auch die mit Geräusch ausströmenden Gas-Arten sind verschiedenartig: Wasserstoffgas mit Naphtha gemengt, Kohlensäure und, wie Parrot und ich erwiesen haben (auf der Halbinsel Taman und in den südamerikanischen Volcancitos de Turbaco), fast reines Stickgas Humboldt, Rel. hist. T. III. p. 562–567; Asie centrale T. I. p. 43, T. II. p. 505–515; Vue des Cordillères Pl. XLI. Ueber die Macalubi (das arabische makhlub, umgestürzt, das Umgekehrte, von der Wurzel khalaba), und wie »die Erde flüssige Erde ausstößt«, s. Solinus cap. 5: »idem ager Agrigentinus eructat limosas scaturigines, et ut venae fontium sufficiunt rivis subministrandis, ita in hac Siciliae parte solo nunquam deficiente, aeterna rejectatione terram terra evomit.«.
Die Schlammvulkane bieten dem Beobachter, nach dem ersten gewaltsamen Feuerausbruch, der vielleicht in gleichem Maaße nicht einmal allen gemein ist, das Bild einer meist ununterbrochen fortwirkenden, aber schwachen Thätigkeit des inneren Erdkörpers dar. Die Communication mit den tiefen Schichten, in denen eine hohe Temperatur herrscht, wird bald wieder in ihnen verstopft; und die kalten Ausströmungen der Salsen scheinen zu lehren, daß der Sitz des Phänomens im Beharrungszustande nicht sehr weit von der Oberfläche entfernt sein könne. Von ganz anderer Mächtigkeit zeigt sich die Reaction des inneren Erdkörpers auf die äußere Rinde in den eigentlichen Vulkanen oder feuerspeienden Bergen: d. i. in solchen Punkten der Erde, in welchen eine bleibende oder wenigstens von Zeit zu Zeit erneuerte Verbindung mit einem tiefen Heerde sich offenbart. Man muß sorgfältig unterscheiden zwischen mehr oder minder gesteigerten vulkanischen Erscheinungen, als da sind: Erdbeben, heiße Wasser- und Dampfquellen, Schlammvulkane, das Hervortreten von glocken-und domförmigen ungeöffneten Trachytbergen, die Oeffnung dieser Berge oder der emporgehobenen Basaltschichten als Erhebungs-Krater, endliches Aufsteigen eines permanenten Vulkans in dem Erhebungs-Krater selbst oder zwischen den Trümmern seiner ehemaligen Bildung. Zu verschiedenen Zeiten, bei verschiedenen Graden der Thätigkeit und Kraft, stoßen die permanenten Vulkane Wasserdämpfe, Säuren, weitleuchtende Schlacken oder, wenn der Widerstand überwunden werden kann, bandförmig schmale Feuerströme geschmolzener Erden aus.
Als Folge einer großen, aber localen Kraftäußerung im Inneren unsres Planeten heben elastische Dämpfe entweder einzelne Theile der Erdrinde zu domförmigen, ungeöffneten Massen feldspathreichen Trachyts und Dolerits (Puy de Dôme und Chimborazo) empor; oder es werden die gehobenen Schichten durchbrochen, und dergestalt nach außen geneigt, daß auf der entgegengesetzten inneren Seite ein steiler Felsrand entsteht. Dieser Rand wird dann die Umgebung eines Erhebungs-Kraters. Wenn derselbe, was keineswegs immer der Fall ist, von dem Meeresgrunde selbst aufgestiegen ist, so hat er die ganze physiognomische Gestaltung der gehobenen Insel bestimmt. Dies ist die Entstehung der zirkelrunden Form von Palma, die Leopold von Buch so genau und geistreich beschrieben, und von Nisyros S. die interessante kleine Karte der Insel Nisyros in Roß, Reisen auf den griechischen Inseln Bd. II. 1843 S. 69. im ägäischen Meere. Bisweilen ist die eine Hälfte des ringförmigen Randes zerstört, und in dem Busen, den das eingedrungene Meer gebildet, haben gesellige Corallenthiere ihre zelligen Wohnungen aufgebaut. Auch auf den Continenten sind die Erhebungs-Krater oft mit Wasser gefüllt und verschönern auf eine ganz eigenthümliche Weise den Charakter der Landschaft.
Ihre Entstehung ist nicht an eine bestimmte Gebirgsart gebunden; sie brechen aus in Basalt, Trachyt, Leucit-Porphyr (Somma), oder in doleritartigem Gemenge von Augit und Labrador. Daher die so verschiedene Natur und äußere Gestaltung dieser Art der Kraterränder. »Von solchen Umgebungen gehen keine Eruptions-Erscheinungen aus; es ist durch sie kein bleibender Verbindungscanal mit dem Inneren eröffnet, und nur selten findet man in der Nachbarschaft oder im Inneren eines solchen Kraters Spuren von noch wirkender vulkanischer Thätigkeit. Die Kraft, welche eine so bedeutende Wirkung hervorzubringen vermochte, muß sich lange im Inneren gesammelt und verstärkt haben, ehe sie den