Kosmos. Alexander von Humboldt
Nach der festen Kieselsäure herrscht zunächst kohlensaurer Kalk; dann kommen die Verbindungen von Kieselsäure mit Thonerde, Kali und Natron, mit Kalkerde, Magnesia und Eisen-Oxyd. Wenn das, was wir Gebirgsarten nennen, bestimmte Associationen einer kleinen Zahl von Mineralien sind, denen sich, wie parasitisch, einige andere, aber auch nur bestimmte, anschließen: wenn in einem Eruptions-Gestein, dem Granit, die Association von Quarz (Kieselsäure), Feldspath und Glimmer das Wesentliche ist: so gehen diese Mineralien auch vereinzelt oder gepaart durch viele andere Schichten hindurch. Um nur beispielsweise zu zeigen, wie quantitative Verhältnisse ein Feldspath-Gestein von einem anderen, glimmerreichen unterscheiden; erinnere ich daran, daß, wenn, nach Mitscherlich, zum Feldspath dreimal mehr Thonerde und ⅓ mehr Kieselsäure, als demselben eigen ist, hinzugefügt wird, man die Zusammensetzung des Glimmers erhält. In beiden ist Kali enthalten: ein Stoff, dessen Existenz in vielen Gebirgsarten wohl über den Anfang aller Vegetation auf dem Erdkörper hinaufsteigt.
Die Reihenfolge und mit ihr das Alter der Formationen wird durch die gegenseitige Auflagerung der Sedimente, der umgewandelten und der Aggregatschichten; durch die Natur der Gebilde, bis zu welcher die Eruptionsmassen hinaufsteigen; am sichersten aber durch die Anwesenheit organischer Reste und die Verschiedenartigkeit ihres Baues erkannt. Die Anwendung der botanischen und zoologischen Kennzeichen auf die Bestimmung des Alters der Felsmassen: die Chronometrik der Erdrinde, welche Hooke’s großer Geist schon ahndete, bezeichnet eine der glänzendsten Epochen der neuen, den semitischen Einflüssen wenigstens auf dem Continent endlich entzogenen Geognosie. Paläontologische Studien haben der Lehre von den starren Gebilden der Erde, wie durch einen belebenden Hauch, Anmuth und Vielseitigkeit verliehen.
Die versteinerungshaltigen Schichten bieten uns, in ihren Grabstätten erhalten, die Floren und die Faunen der verflossenen Jahrtausende dar. Wir steigen aufwärts in die Zeit, indem wir, die räumlichen Lagerungsverhältnisse ergründend, von Schicht zu Schicht abwärts dringen. Ein hingeschwundenes Thier-und Pflanzenleben tritt vor unsere Augen. Weit verbreitete Erdrevolutionen, die Erhebung großer Bergketten, deren relatives Alter wir zu bestimmen vermögen, bezeichnen den Untergang alter Organismen, das Auftreten neuer. Einige wenige der älteren erscheinen noch einige Zeit lang unter den neueren. In der Eingeschränktheit unsres Wissens vom Werden, in der Bildersprache, welche diese Eingeschränktheit verbergen soll, nennen wir neue Schöpfungen die historischen Phänomene des Wechsels in den Organismen, wie in der Bewohnung der Urgewässer und des gehobenen trockenen Bodens. Bald sind diese untergegangenen organischen Gebilde ganz erhalten: vollständig bis in die kleinsten Gewebe, Hüllen und gegliederten Theile; bald hat das laufende Thier, auf feuchtem Thonletten fortschreitend, nur seine Fährte, in den Coprolithen die Reste unverdauter Nahrung hinterlassen. In der unteren Juraschicht (Lias von Lyme Regis) ist die Erhaltung des Dintenbeutels Eine Entdeckung von Miß Mary Anning. welche auch die Coprolithen der Fische zuerst aufgefunden hat. Diese und die Excremente des Ichthyosaurus werden in England (z. B. bei Lyme Regis) in solcher Menge gesehen, daß sie nach Buckland’s Ausdruck wie Kartoffeln auf dem Boden zerstreut liegen. Vergl. Buckland, Geology considered with reference to Natural Theology Vol. I. p. 188–202 und 305. Ueber Hooke’s Hoffnung to raise a chronology aus dem bloßen Studium zerbrochener und versteinerter Muschelschalen, and to state the intervals of the time wherein such or such catastrophes and mutations have happened s. Posth. Works, Lecture Feb. 29, 1688. der Sepia so wunderbar vollkommen, daß dieselbe Materie, welche vor Myriaden von Jahren dem Thiere hat dienen können, um sich vor seinen Feinden zu verbergen, noch die Farbe hergegeben hat, mit der sein Bild entworfen wird. In anderen Schichten ist oft nur der schwache Abdruck einer Muschelschale übrig geblieben; und doch kann diese, von Reisenden aus einem fernen Lande mitgebracht, wenn sie eine Leitmuschel Leop. von Buch in den Abhandlungen der Akad. der Wiss. zu Berlin aus dem J. 1837 S. 64. ist, lehren, welche Gebirgs-Formation sich dort vorfindet, mit welchen anderen organischen Resten sie vergesellschaftet war. Sie erzählt die Geschichte des Landes.
Das zergliedernde Studium des alten Thier-und Pflanzenlebens hat eine zwiefache Richtung. Die eine ist eine rein morphologische, und vorzugsweise der Naturbeschreibung und Physiologie der Organismen zugewandt: sie füllt durch untergegangene Bildungen die Lücken in der Reihe der jetzt noch belebten aus. Die zweite Richtung ist eine geognostische, welche die fossilen Reste in ihrem Verhältniß zu dem Aufeinanderliegen und relativen Alter der Sediment-Formationen betrachtet. Lange ist die erstere die vorherrschende gewesen: und eine zu unvollständige und oberflächliche Vergleichung der Versteinerungen mit den jetzt existirenden Arten hatte auf Irrwege geleitet, deren Spuren noch in den wundersamen Benennungen gewisser Naturkörper zu entdecken sind. Man wollte in allen untergegangenen Arten die lebenden erkennen, wie nach falschen Analogien man im 16ten Jahrhunderte die Thiere des Alten und Neuen Continents mit einander verwechselte. Peter Camper, Sömmering und Blumenbach hatten das Verdienst, durch die wissenschaftliche Anwendung einer feineren vergleichenden Anatomie den osteologischen Theil der Paläontologie (Alterthumskunde des organischen Lebens), so weit derselbe die großen fossilen Wirbelthiere betrifft, zuerst aufzuklären; aber die eigentliche geognostische Ansicht der Versteinerungslehre, die glückliche Verbindung der zoologischen Charaktere mit der Alters-und Auflagerungsfolge der Schichten, verdankt man der großen Arbeit von Georg Cuvier und Alexander Brongniart.
Die ältesten Sediment-Formationen, die des Transitions-Gebirges, bieten in den organischen Resten, welche sie einschließen, ein Gemisch von Bildungen, die auf der Stufenleiter der sich allmälig vervollkommnenden Entwicklung einen sehr verschiedenen Platz einnehmen. Von Pflanzen enthalten sie freilich nur einigen Seetang, Lycopodiaceen, die vielleicht baumartig waren, Equisetaceen und tropische Farren; aber von den thierischen Organismen finden wir sonderbar zusammen: Crustaceen (Trilobiten mit Netzaugen und Calymenen), Brachiopoden (Spirifer, Orthis), die zierlichen Sphäroniten, welche den Crinoiden nahe stehen Derselbe, Gebirgsformationen von Rußland, a. a. O. 1840 S. 24–40., Orthoceratiten aus den Cephalopoden, Stein-Corallen, und mit diesen niedern Organismen schon Fische von wunderbarer Gestalt in oberen silurischen Schichten. Die schwergepanzerte Familie der Cephalaspiden, aus welcher Fragmente der Gattung Pterichthys lange für Trilobiten gehalten wurden, gehören dem devonischen Gebilde (Old Red) ausschließlich an; und zeigen, nach Agassiz, in der Reihe der Fischformen einen so eigenthümlichen Typus als Ichthyosauren und Plesiosauren unter den Reptilien. Agassiz, monographie des Poissons fossiles du Vieux Grès Rouge p. VI und 4. Aus der Gruppe der Ammoniten beginnen die Goniatiten Leop. von Buch in den Abhandl. der Berl. Akad. 1838 S. 149–168; Beyrich, Beitr. zur Kenntniß des Rheinischen Uebergangsgebirges 1837 S. 45. ebenfalls in dem Uebergangskalk und der Grauwacke der devonischen Schichten, ja selbst in den letzten silurischen.
Die Abhängigkeit physiologischer Abstufung von dem Alter der Formationen, welche bisher in der Lagerung der wirbellosen Thiere wenig erkannt worden ist Agassiz, recherches sur les Poissons fossiles T. I. Introd. p. XVIII (Davy, Consolations in Travel Dial. III)., offenbart sich auf das regelmäßigste in den Vertebraten oder Wirbelthieren selbst. Die ältesten unter diesen sind, wie wir eben gesehen, die Fische; dann folgen nach der Reihe der Formationen, von den unteren zu den oberen übergehend, Reptilien und Säugethiere. Das erste Reptil (ein Saurier, Monitor nach Cuvier), das schon die Aufmerksamkeit von Leibnitz Nach Hermann von Meyer ein Protosaurus. Die Rippe eines Sauriers, die angeblich dem Bergkalk (Kohlen-Kalkstein) von Northumberland angehörte (Herm. von Meyer, Palaeologica S. 299), ist nach Lyell (Geology 1832 Vol. I. p. 148) sehr zweifelhaft. Der Entdecker selbst schreibt sie Alluvialschichten zu, welche den Bergkalk bedecken. anregte, zeigt sich im Kupferschiefer-Flöz des Zechsteins in Thüringen; mit ihm von gleichem Alter, nach Murchison, Paläosaurus und Thecodontosaurus von Bristol. Die Saurier nehmen zu im Muschelkalk F. von Alberti, Monographie des Bunten Sandsteins, Muschelkalks und Keupers 1834 S. 119 und 314., im Keuper und in der Jura-Formation, wo sie ihr Maximum erreichen. Zur Zeit dieser Formation lebten: Plesiosauren mit 30 Wirbel langem Schwanenhalse, der Megalosaurus, ein crocodilartiges Ungeheuer von 45 Fuß Länge und mit Fußknochen wie ein schweres Landsäugethier, 8 Arten großäugiger Ichthyosauren, der Geosaurus oder Sömmering’s Lacerta gigantea, endlich 7 scheußlich wunderbare Pterodactylen Siehe die scharfsinnigen Betrachtungen von Hermann v. Meyer über die Organisation der fliegenden Saurier in Palaeologica S. 228–252. Auf dem versteinerten Exemplar des Pterodactylus