Tatzelwurm und Donauweibchen. Reinhard Pohanka

Tatzelwurm und Donauweibchen - Reinhard  Pohanka


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immer war weder etwas zu sehen noch irgendein Schaden geschehen. In der Nacht zogen die Wichtel den Schlafenden die Decke von den Betten, fassten jenen, welche barfuß über die Holzdielen gingen, mit eiskalten Händen an die Füße, und manchmal ließen sie sich auch als kleine Männchen blicken, die wie Schatten im Zwielicht an den Wänden hin und her und in Winkel huschten.

      Einmal schlief ein Gast in einem Haus auf der Bank am Herd in der Küche, weil sonst kein Platz war. Es war um Mitternacht, als der Mann von einem Geräusch erwachte. Da sah er in der Küche ein Wichtelweiblein mit einigen Schüsseln und einem Licht, das zündete Feuer im Herd an, kochte verschiedene Speisen, trug sie mit schnellen Schritten fort, kam bald darauf mit den leeren Schüsseln zurück und spülte sie wieder ab. Als sie fertig war, nahm sie einen brennenden Kienscheit und schlug damit auf den Herd, dass helle Funken sprühten. Es entstand dadurch ein Krachen und Poltern, als würden Küche, Herd und Schornstein auf einmal zusammenfallen. Obwohl kein Schaden zu sehen war, grauste dem Mann so, dass er nicht mehr schlafen konnte und froh war, als er am nächsten Morgen mit heiler Haut das Haus verließ.

      Andere Namen für Wichtel sind Pechmannlen, Erdmannlen, Schräteln, Heinzelen und Ung’schichtl. In der Nähe von Innsbruck werden sie Pitzl genannt. Zuerst nur Berggeister, sind die Wichtel im Laufe der Zeit von den Gipfeln herabgestiegen und haben Eingang in die Welt der Menschen gefunden. Sie bieten sich als Hüter des Viehs, besonders der Schafe und Ziegen an und versehen diese Tätigkeit mit großem Ernst. Manche Wichtel kommen in die Häuser der Menschen und dienen hier in Stube, Küche und Stall. Dabei sind sie völlig anspruchslos, verlangen zum Essen nur ein »Koch« und keine Belohnung irgendwelcher Art. Ganz im Gegenteil: Versucht man ihnen Geld oder Kleidung als Lohn für ihre Tätigkeit zu geben, so fliehen sie von ihrer Arbeitsstätte und werden hier nicht mehr gesehen.

      Einige Gruppen von Wichteln sind dem Menschen bis in die Städte gefolgt und entwickelten hier ihre segensreiche Tätigkeit. Ein Beispiel dafür sind die Kölner Heinzelmännchen, welche den Menschen des Nachts ihre Arbeit verrichteten. Erst als eine Schneidersfrau sie unbedingt zu Gesicht bekommen wollte, flohen sie aus der Stadt.

      In manchen Sagen können die Wichtel die Menschen necken oder ihnen Streiche spielen, dann muss man ihnen ein rotes Gewand machen und es ihnen schenken, das ist der sicherste Weg, um einen Wichtel wieder loszuwerden.

      Die Frauen der Wichtel werden oft als Bergweibl bezeichnet und helfen den Menschen bei der Wäsche und beim Flachsspinnen, wie den männlichen Wichteln darf man ihnen aber keinen Lohn geben. Die Bergweibl stehen Verirrten zur Seite und zeigen ihnen Beeren und Kräuter. Sie fürchten sich vor den → Kobolden, die den Menschen Irrwurzen – das sind Wurzeln, welche die Menschen im Wald in die Irre führen – in den Weg legen und sie necken. Findet ein verfolgtes Bergweibl einen Baumstock, in dem drei Kreuze eingehauen sind, so ist es vor den bösen Kobolden sicher.

      Auf dem Traunstein sah man um die Frauenlucke herum noch vor 100 Jahren die Bergweibl Wäsche aufhängen. Dasselbe taten sie im Reutgraben bei Altscharnstein. Da wurde den Weibln von den Leuten oft Essen hingestellt.

      Wenn über den Wasserfällen der Nebel hängt, so sagen die Leute: »Heute waschen die Bergweibl ihre Wäsche und hängen sie an den Bäumen auf!«

      Bergweibl sind auch Schatzhüter und manchmal geben sie den Menschen einen Teil der Schätze ab, wenn man diese nicht gering achtet. Einer Frau bei Ebensee warf ein Bergweibl einst verdorrtes Laub in die Schürze. Die Frau wollte ein solches Geschenk nicht und warf es über die Felsen hinunter, wo es aber plötzlich wie von lauter Talern klimperte. Die Frau konnte noch ein Blatt in ihrer Schürze finden, das war aus echtem Gold.

      Weitere Unterarten der Wichtel sind die im Wald lebenden Waldmandl und Waldweibl. Sie leben auf den Bäumen und sind klein und rau. Wird der Baum verletzt, welken auch sie dahin und sterben.

      Auf den Almwiesen und in den Wäldern leben Verwandte der Wichtel, die → Moosleute, die sich besonders durch die grüne Farbe ihrer Kleidung auszeichnen, sodass sie fast nicht zu sehen sind.

      Im Schatten des Haselstrauches wohnt das kleine bucklige Haselmandl. Es sitzt im Herbst unter den Blättern auf den Zweigen und macht die Nüsse zurecht. Wenn die Kinder zu ihm kommen, teilt ihnen das Mandl die Nüsse nach seinem Belieben zu. Ist es gut gelaunt, dann ist die Ernte gut, oft ist es aber tückisch aufgelegt, dann finden die Kinder nur taube Nüsse und erhalten auch noch Hiebe über Hand und Rücken.

      Wurzelwichtel sind kleine Gartengeister und fleißige Wesen. In den Gärten helfen sie den Menschen, damit die Pflanzen gedeihen, sodass sie größer und schöner werden als die in anderen Gärten. Behandelt sie aber der Gartenbesitzer schlecht, dann rächen sie sich und verwüsten die Beete. Sie sind sehr scheue Wesen und möchten von den Menschen nicht erkannt werden, daher binden sie sich oft kleine Pflanzen oder Pilze auf den Kopf und verkriechen sich in der Erde, sodass es vorkommen kann, dass ein Mensch eine Pflanze ernten will und plötzlich einen Wurzelwicht in der Hand hat.

      Fast jedes Tal und jeder Berg haben ihre eigenen Geschichten über Wichtel. Ein junges Mädchen hütete einst auf einer Alm das Vieh. Zu Mittag langte es nach der Schüssel mit Koch, die ihr die Mutter mitgegeben hatte. Da stand ein runzeliges Waldweibl vor ihr und bat sie um das Koch. Das Kind war hungrig, gab aber dennoch sein Essen her. Das Waldweibl aß das Koch auf und bat dann um die Schüssel: »Die meine habe ich zerbrochen und kann mir keine kaufen«, sagte es. Das Mädchen fürchtete zwar daheim den Ärger, wenn es ohne die Schüssel heimkäme, konnte aber dem armen Ding den Wunsch nicht abschlagen. Das Waldweibl aber sagte: »Du gutes Mädchen, es soll dich nicht gereuen. Warte hier nur eine Weile!« Es verschwand im Wald, kehrte aber bald zurück und nun war die Schüssel mit Gold gefüllt, das sie dem Mädchen schenkte. Dieses blieb reich und glücklich sein Leben lang.

      Gnome

      Nach Paracelsus, der das Wort Gnom als Synonym für → Zwerg verwendet, ist der Gnom eines der Elementarwesen und wird als Erd- oder Berggeist dem Bereich der Erde zugeordnet. Gnome sind somit im Wald, am Berg oder Fluss anzutreffen. Er beschreibt sie als zwei Spannen hoch und sehr zurückhaltend im Verkehr mit den Menschen. Sie können sich durch die Erde genauso leicht bewegen wie der Mensch durch die Luft. Nach anderer Auffassung können sich Gnome in Gewässern nur vorübergehend aufhalten, weil ihre »feinstoffliche Form« sich bei längerem Aufenthalt auflöst. Das Wort Gnom scheint griechische Wurzeln zu haben. Es stammt entweder von Gnome (Verstand), wahrscheinlicher aber von Geonomos (Erdbewohner) ab, das Wort Gnom selbst scheint eine Erfindung von Paracelsus zu sein, da es sich vor ihm nicht nachweisen lässt. Damit sind sie den → Zwergen oder den → Wichteln gleichzustellen und der Name Gnom wird oft als deren Synonym gebraucht. Ihr erdverbundener Geist findet sich in vielen älteren Sagengestalten wieder, besonders bei den nordischen Zwergen und noch älter bei den griechischen Telchinen – kunstfertigen und in der Schmiedekunst bewanderten Zwergen.

      Gnome gelten als schalkhaft, haben ein großes Wissen über Blumen und Pflanzen und vertrauen dieses auch manchmal den Menschen an.

      Kobolde

      Klein und daher leicht mit → Zwergen und → Wichteln zu verwechseln ist der Kobold. Das Merkmal zu seiner Unterscheidung ist zum einen seine Gestalt, zum anderen sein Lebensraum, da er sich auf die Wohnstätten der Menschen beschränkt. Die meiste Zeit ist der Kobold unsichtbar, manchmal zeigt er sich aber den Menschen. Sein Aussehen ist das eines unförmigen Wesens. Sein großer Kopf mit einer stark vorspringenden Nase sitzt tief zwischen den Schultern, an denen lange dünne Arme hängen. Die Beine sind säbelförmig gebogen, sodass es scheint, als ob sie den plumpen Körper nicht zu tragen vermöchten und zusammenbrechen wollen. Das struppige rote Haar bedeckt beinahe ganz die grauen, kleinen Augen. Er ist etwa so groß wie ein vierjähriges Kind, aber wesentlich dünner und manchmal von fahler oder grünlicher Hautfarbe.

      Der Name Kobolt findet sich zuerst im Mittelhochdeutschen und leitet sich von kobe (Hütte, Stall, Höhlung) ab, könnte sich aber auch von hold (erhaben, gut, wie in »Unhold«) oder von walten (herrschen, besitzen) herleiten. Im


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