Tatzelwurm und Donauweibchen. Reinhard Pohanka

Tatzelwurm und Donauweibchen - Reinhard  Pohanka


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die Bauern notwendig, den Korngeistern zu opfern, daher bleibt bei der Ernte die letzte Ähre oder das letzte Kornbüschel auf dem Feld stehen, eine Erinnerung an die Gaben an die früheren Vegetationsgötter.

      Eine Sonderform des Korngeistes ist der Bilwiss, den schon der mittelalterliche Dichter Wolfram von Eschenbach (um 1160/80 – um 1220) erwähnt hat und der je nach Region als mildtätiger, aber auch als rachsüchtiger Korndämon angesehen wird, der die Ernte fördern oder verderben kann. Er ist im gesamten deutschen Sprachraum bekannt, wobei er die unterschiedlichsten Formen und Gestalten annehmen kann. Der Name Bilwiss hängt mit der Bil zusammen, einer alten nordischen Mondgöttin. Der Bilwiss dürfte eine volkstümliche Variante eines älteren germanischen Fruchtbarkeitsdämons sein und wird mit den schadenbringenden Kräften des abnehmenden Mondes in Verbindung gebracht. Später wurde als Bilwiss oder Bilsenschnitter der Teufel oder ein mit ihm verbündeter Mensch betrachtet, welcher mit kleinen, an den Zehen befestigten Sicheln die besten Halme wegmäht, damit das Korn dünn steht.

      In Kärnten versteht man unter dem Bilwiss einen Dämon, der mit der Windsbraut dahinzieht und Rheuma und Gliederreißen verursacht, in Tirol tritt er unter dem Namen Wille weis auf.

      3.

      Wassergeister

      Wassermann

      Teiche, Tümpel, Flüsse, Brunnen oder Seen waren in allen Zeiten für den Menschen gefährliche Orte. Sie galten als der Sitz göttlicher und dämonischer Mächte und die spiegelnde Oberfläche der Seen war der Zugang zur Unterwelt oder zur keltischen Anderswelt. Deshalb finden sich an diesen Orten oft Opferstätten aus verschiedensten Zeiten und Kulturen. Diese gehen auf die Vorstellung zurück, dass man durch Brunnen und Seen Zugang zur Welt der Götter und Heroen bekommen kann. Daher springen Goldmarie und Pechmarie in einen Brunnen, um zu Frau Holle, der Göttin Hulda der Germanen und Slawen, zu gelangen.

      Bereits in den antiken Religionen und bei den Kelten und Germanen gab es Opferkulte an Brunnen und Seen, man warf hier kleine Gegenstände und Figürchen hinein, um die Götter auf der anderen Seite gnädig zu stimmen. Der Taufritus der christlichen Kirchen orientiert sich an der Göttlichkeit und der reinigenden Kraft des Wassers. Als man im Mittelalter im Zuge der Christianisierung die Teich- und Gewässerkulte verboten hatte, lebten die Götter der Gewässer als Wassergeister weiter und haben sich in Legenden und Sagen erhalten. Erstmals werden Wassergeister im 10. Jahrhundert beim Benediktinermönch und Antiken-Übersetzer Notker dem Deutschen erwähnt. Konrad von Würzburg, deutscher Lyriker und Dichter gegen Ende des 13. Jahrhunderts, nennt erstmals die Wazzernixe. Überliefert wurden auch die Geschichten von Wassermuhme, Hakelnixe, Donauweibchen, Brunnenmutter, Nix, Nickert, Nöck, Weiher- und Brückenmann und der am weitesten verbreitete Naturgeist, der Wassermann.

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      Im Volksglauben ist das Verhältnis zu diesen Naturgeistern ein zwiespältiges. Zum einen gelten sie als gefährlich und bösartig, was daher kommen mag, dass die älteste ihnen zugeschriebene schadenstiftende Wirkung das Rauben von kleinen Kindern und das Unterschieben eines → Wechselbalges war. Zum anderen finden sich viele Vorstellungen, in denen nicht der Storch die Kinder bringt, sondern dass diese aus den Brunnen herauskommen, also die Fruchtbarkeit des Wassers auf das neue Leben übertragen.

      Die Herkunft des Wassermannes, dessen mittelalterlicher Name als Nix, Neck, Nöck oder auch Nickert überliefert wird, kommt vom althochdeutschen nihhus, niccus oder nichessa, das Wassergeist bedeutet. Eine andere Ableitung sieht die Herkunft des Namens im lateinischen necare (töten) oder im altenglischen nicor, das den Wasserdämon bezeichnet.

      Diese Wassergeister, zu denen auch der Wassermann zu zählen ist, scheinen ein Erbe der keltischen Zeit zu sein. Von den Kelten ist die Verehrung von Gewässern belegt und es wurden dabei auch Tümpel, Moore, Teiche und Flüsse miteinbezogen. Für die Kelten sind Flussgottheiten schriftlich bezeugt, im Gegensatz zu den stets männlichen Flussgottheiten der Römer sind sie oft weiblich, wenngleich auch männliche nachgewiesen sind. So waren die Götter des Rheins (Rhenus pater) und der Donau (Danuvius) männlich, dagegen wurden die Marne (Matrona) und die Seine (Dea sequana) als Muttergottheiten verehrt. Auch die Germanen kannten Wassergottheiten und haben ihnen an den Flüssen Opfergaben dargebracht, vermutlich gehörten auch Menschenopfer dazu. Ein Beleg dafür könnte die Geschichte vom Märtyrer Florian in Lauriacum (Lorch bei Enns) sein. Florian, dessen Name von florere (blühen) abgeleitet werden kann, wurde vom römischen Statthalter Aquinius (der im Namen dem Aquarius, dem Wassermann, sehr nahekommt) in die Enns gestoßen und ertränkt, was man als Andenken an ein keltisches Fruchtbarkeitsopfer deuten könnte. Auch in der Völkerwanderungszeit ließ der gotische Feldherr Gainas am Ende des 4. Jahrhunderts seine römischen Gefangenen einem Fluss opfern.

      An die Zeit der Christianisierung der Kelten in Westeuropa lässt die Sage vom Wassermann denken, der ein christliches Mädchen geraubt und in eine Nixe verwandelt hatte. Als er eines Tages eine Hebamme zu seiner Frau brachte, um ihr bei der Geburt eines Kindes beizustehen, verriet diese, dass der Nix jeweils am dritten Tage nach der Geburt sein Kind auffressen würde. Zwar belohnte der Wassermann die Hebamme, allerdings durfte sie sich von einem Haufen Gold, den er vor sie schüttete, nur so viel nehmen, wie sie auf Erden für ihre Dienste bekommen hätte, sonst hätte der Wassermann auch sie aufgefressen.

      Das Überqueren von Flüssen scheint den Menschen immer Sorgen gemacht zu haben und gefährlich erschienen sein. Zu sehr fürchtete man die Macht des Wassermannes und selbst in den Volksliedern fand diese Angst ihren Niederschlag, wie im Lied »Als wir jüngst in Regensburg waren«, in dem es heißt:

      Als sie auf die Mitt gekommen,

      Kam ein großer Nix geschwommen,

      Nahm das Fräulein Kunigund,

      Fuhr mit ihr in des Strudels Grund.

      Auch der heilige Gallus hatte sich bei der Missionierung der alemannischen Stämme am Bodensee um 600 mit Wassergeistern auseinanderzusetzen, als er die Götzenbilder der Einheimischen in den See warf. Er berichtet von einem Berggeist, der seinem geisterhaften Freund im See zurief: »Kommt und helft mir gegen die Fremdlinge, die mich aus meinem Heiligtum vertrieben haben.« Einer der Wassergeister versuchte darauf die Netze der Fischer zu zerreißen, die diese aber durch das Christusmonogramm geschützt hatten, sodass die Macht des Wassermannes versagte.

      Bis in die Neuzeit soll es noch ein Andenken an die Menschenopfer an der Donau gegeben haben. Fiel einer der Treidelknechte, welche mit Pferden die Schiffe gegen den Strom zogen, in den Fluss, so durchschnitten seine Kameraden die Trensen und riefen ihm zu: »Gib dich hin dem Nöck«, um sich selbst mit diesem Opfer vor der Gefahr zu schützen.

      Was der Wassermann nicht mag, ist, wenn man ihn in seinem Reich belästigt. Sucht man den Grund von Teichen oder Gewässern mit langen Stangen ab, wie man es in Kreith bei Tauplitz getan hat, so kann der See aufbrausen und man hört eine Stimme: »Wenn ihr nicht aufhört zu gründen, dann verschlinge ich euch«, und dann ist es besser, den Ort möglichst schnell zu verlassen.

      Die Römer kannten Fluss- und Gewässergötter, zudem übernahmen sie wie beim Flussgott Danuvius die heimischen keltischen Flussgötter in ihr Pantheon. In der Darstellung gleichen diese der Gestalt des späteren Wassermannes: eine ältere, hingelagerte männliche Gestalt mit langem triefenden Haar und Bart. Ähnlich dieser Darstellung sind auch andere in Österreich bekannte und auf Altären abgebildete Flussgötter wie Acaunus und Salacea zu sehen. Eine Verbindung dürfte zwischen dem Wassermann und dem antiken Fährmann der Unterwelt Charon bestehen, dessen Aufgabe es war, die Seelen der Toten über den Acheron zu rudern, und dem man dafür eine Münze, den Obolus, opfern musste.

      Überhaupt scheint der Wassermann den Jenseitsvorstellungen der südlichen Germanen entsprungen zu sein. In der germanischen Mythologie gab es die Vorstellung einer Wasserhölle, die Feuerhölle gehört eher den orientalischen und slawischen Kulturkreisen an. Die Brüder Grimm nannten den Aufenthaltsort des Wassermannes einen orcus


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