Tatzelwurm und Donauweibchen. Reinhard Pohanka

Tatzelwurm und Donauweibchen - Reinhard  Pohanka


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den heutigen Erzberg. Als sie ihn aber danach freiließen, bebte die Erde, das Wasser rauschte gewaltig und wurde blutrot. Aus der Tiefe der Schwarzen Lacke ertönte eine unheimliche Stimme: »Um das Beste habt ihr aber vergessen zu fragen, und zwar um den Karfunkelstein und um die Bedeutung des Kreuzes in der Nuss!« Was der Wassermann damit meinte, ist bis heute ein Rätsel geblieben.

      Im Leopoldsteinersee nahe dem Erzberg soll ein Wassermann, der schwarz war und einen Raubtierkopf, dazu einen langen Hals und feurige Flügel hatte, seine Heimat gehabt haben. Kam jemand dem tiefgrünen See zu nahe, so sprang er ans Ufer und holte den Unvorsichtigen in sein Reich.

      Auch Bad Aussee verdankt seine salzhaltigen Quellen einem im Grundlsee gefangenen Wassermann. Zum Dank für seine Freilassung verriet er den Ausseern, dass es am Sandlingberg solehaltige Quellen gab, und seither können die Ausseer selbst ihr Salz sieden, das sie zuvor teuer hatten in Hallstatt einkaufen müssen.

      Auf der Pacheralpe in der Gemeinde Lorenzen bei Rottenmann war ein Wassermann im Grünsee zuhause und wurde dort oft am Ufer sitzend von den Almhirten gesehen. Eines Tages lud ihn eine liederliche Sennerin zu sich in die Almhütte ein, als er sie aber berührte, war er kalt und glatt und wurde von der Sennerin zurückgestoßen. Aus Rache nahm der Verschmähte sie mit in den See.

      Wien kennt ebenfalls eine Wassermannsage, hier wohnt der Wassermann im Wienfluss. Er ist ein kleiner krummer Geselle mit tiefliegenden Augenhöhlen und einem blassen Gesicht, trägt einen grauen Rock, von dem das Wasser herabträufelt, und einen grünen Hut mit einem schwarzen Band, dazu hohe Röhrenstiefel mit roten Quasten. Den Tag über schläft er in Kammern, die sich unter dem Wienfluss befinden, des Abends kommt er hervor und lauert auf Beute. Sieht er einen Menschen in seinem Reich, so holt er einen goldenen Kamm hervor und beginnt sich zu kämmen. Dann ist der Mensch schon an ihn verloren, außer es gelingt ihm, noch schnell über zwei Wagenspuren zu springen, dann verliert der Wassermann seine Macht über ihn.

      In Gols im Burgenland erzählt man sich die Sage, dass eines Tages der Wilde Reiter, der zur → Wilden Jagd gehört, versuchte mit seinem Pferd über einen Fluss zu springen. Dabei glitt der Gaul aus und stürzte mitsamt seinem Reiter ins Wasser, wo schon der Wassermann auf ihn wartete. Den letzten Fußabdruck des Pferdes sieht man heute noch am »Hufstein«. Der Wassermann wurde mit seiner Beute aber nicht glücklich, er sicherte sich drei Hufe des Pferdes, den vierten konnte er aber nicht finden und so irrt er heute noch an den Ufern des Flusses umher.

      Zahlreich sind die Wassermannsagen, die sich um die Donau ranken. Überlagert werden sie von der Sage vom Donaufürsten, einem mächtigen, königgleichen Herrscher, der in einem Schloss am Grund der Donau wohnt. Er soll ein unfreundlicher Geselle sein, der sich öfters den Fischern zeigte und sie nach ihren Wünschen fragte, um sie dann in die Donau hinabzuziehen. Eines Tages kam er an einen Fischer, dem er die Tochter geraubt hatte und der ihm sein mit einem Rosenkranz geschütztes Ruder über den Kopf schlug, sodass vier Steine aus der Krone an Land fielen, wo der Donaufürst sie nun jede Nacht suchen muss. Erst wenn er sie gefunden hat, kann er wieder in seinen Palast zurückkehren. Weil er aber vier Steine verloren hat, darf jeder Mensch, der in der Donau ertrinkt, vier Tage in seinem Palast verweilen. Dann bindet die Fischerstochter, die von Nixen bedient wird, einen Kranz und schickt ihn zur Wasseroberfläche. Wenn man diesen sieht, so weiß man, dass wieder ein Mensch in der Donau ertrunken ist.

      Nixen

      Die Nixe ist das weibliche Gegenstück zum Wassermann. Oft werden Nixen auch als dessen Töchter bezeichnet. Diese familiären Beziehungen scheinen aber erst in späterer Zeit aufgekommen zu sein. Die Erklärung ihres Namens leitet sich von denselben germanischen Wörtern ab wie beim männlichen Nix oder Nöck. Ihr charakteristisches Merkmal ist, dass sie auf die Welt kommen, um Unheil und Schaden zu stiften oder den Menschen den Tod zu bringen. Häufig betören oder verführen sie Männer und ziehen sie auf den Grund von Flüssen und Seen. Manchmal, oft aber vergeblich, warnen sie vor Gefahren. Nixen können in verschiedenen Gestalten vorkommen, abzugrenzen sind sie von den Wasserfrauen und besonders von den Meerjungfrauen, die zwar mit ihnen verwandt sind, aber in Österreich keine Entsprechung finden. Im Aussehen gleichen die Nixen jungen Frauen mit blasser, oft auch grünlicher Haut. In den ältesten Überlieferungen kommen sie vollständig bekleidet auf ihren eigenen Beinen daher, ihre spätere Gestalt mit entblößtem Oberkörper, der nach unten in einen Fischschwanz endet, erinnert an die auch in Mitteleuropa populär gewordene Gestalt der Meerjungfrau. Zu erkennen ist sie, wie der Wassermann, an ihrem Gewand, aus dessen unterem Saum stets das Wasser tröpfelt.

      Die Gestalt der Nixe in der Sage ist uralt. Schon Homer kannte in der Odyssee die Sirenen, die mit ihren wohlgeformten Körpern und ihrem Gesang die Schiffer zu den Untiefen lockten. In den germanischen Sagen findet man im Nibelungenlied die Nixen am Rhein, die den Nibelungen prophezeien, dass keiner von ihnen, mit Ausnahme des Kaplans, die Heimat wiedersehen wird. Am Rhein ist auch jene Nixe beheimatet, die zum Synonym der verführerischen Wasserbewohnerin geworden ist: die Lorelei, welche die unvorsichtigen Schiffer in die Tiefe zieht.

      Im mittelalterlichen Wolfdietrich-Epos tritt die Nixe in Gestalt der rauen Else auf, ein dämonisches Wasserweib mit Fischhaut und Schuppen, einem langen Kinnbart, der bis zu ihren Füßen reicht, ihre mit Moos bewachsene Haut ist schleimig und nass und ihre Haare reichen bis zu ihren Fersen. Dazu kommt noch ein missgestalteter Kopf mit einem grausigen Gesicht. Sie ist die Herrscherin der Meerwunder und der → Schrate. Sie sehnt sich nach Vereinigung mit einem Menschen, um eine Seele zu bekommen. Nimmt man sie zum Weibe, dann streift sie ihre Fischhaut ab und wird zur schönsten Frau weit und breit.

      Es sind die Nixen – auch wenn sie verführerisch erschienen – mit Tod und Verderben verknüpft. Dazu kommt, dass in der indoeuropäischen Mythologie das Wasser als Element des Todes bekannt ist. Das Totenreich befindet sich unter Wasser und die germanische Wassergöttin Rán ist die Beherrscherin der Seelen der Ertrunkenen. Daraus ist geschlossen worden, dass es sich bei den Wassergeistern um die wiedergekommenen Seelen von Ertrunkenen handelt. Das Wesen der Nixe, das oft darin besteht, Kinder anzulocken und in Teiche, Tümpel oder Flüsse zu ziehen, ist auch damit erklärt worden, dass Nixen unfruchtbar sind und keine Kinder bekommen können und sich diese von der Welt außerhalb des Wassers holen müssen.

      Nicht alle sind dieser Meinung und so gibt es Sagen von Hebammen, die des Nachts geholt und in die Tiefen eines Sees geführt werden, um hier einer Nixe bei einer Geburt beizustehen.

      Nixen mischen sich auch unter das Volk an Land und besuchen gerne Kirtage mit Tanz und Vergnügungen. Bleiben sie aber zu lange aus, so werden sie nach ihrer Rückkehr vom Wassermann getötet.

      Eine der bekanntesten Sagen über Nixen spielt im Strudengau. Hier bewahrte ein Fährmann einst eine Nixe vor den derben Späßen von Bauernburschen. Jahre später musste er in einer stürmischen Nacht eine hochadelige Frau mit ihrem Söhnchen auf der Flucht vor den Türken über die Donau setzen, was ihm nur mit Hilfe der von ihm einst beschützten Nixe gelang. Von der Belohnung, die er für die Überfuhr erhielt, konnte er den Rest seiner Tage sorglos leben.

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      Die Donau ist ein bevorzugter Platz für Nixen. Hier treten sie als Donauweibchen auf, etwa in der Umgebung von Jochenstein die Nixe Isa, welche im Nebel verirrten oder schiffbrüchigen Donauschiffern zur Seite steht. Das Donauweibchen erscheint als liebliches Mädchen mit langem, prächtigem Haar. Haupt und Kleid sind mit Blumen geschmückt. Manchmal warnt sie Schiffer und Fischer vor Sturm und Wetter. Bei Hochwasser zeigt sie den Schiffen die Fahrtrichtung, bei Nebel setzt sie sich auf den Bug der Schiffe und treibt die Schwaden zurück. Ihr zauberhafter Gesang, dessen Sinn niemand versteht, ergreift die Menschen. Darüber vergessen die Schiffer jedoch das Steuern, scheitern an Untiefen und ertrinken.

      Das Donauweibchen ist bald gut, bald tückisch. Manchmal kommt sie als Magd zu den Bauern, kann aber nicht bleiben, wenn gebetet wird oder wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt. Sie verschenkt Kieselsteine, kleine Fische und Schilf. Wer sich damit auskennt, bewahrt diese Gegenstände sorgfältig auf, da sie am nächsten Tag oft reines Gold sind.

      In Wien wirkte das Donauweibchen unter den


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