Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha
keine Kabaretts, keine teuren Hotels oder Bars.
Sie sind ganz auf sich selbst angewiesen und finden die Abende im traulichen Zwiegespräch wunderschön. Aber Rudolf Hermann sorgt sich im geheimen um sie. Er meint, der Umschwung von dem einstigen unruhigen zu dem für sie ziemlich einsamen Leben könnte für ihren Gemütszustand nicht gut sein.
Doch er täuscht sich. Nichts von Verbitterung, Mißmut oder Verdrossenheit ist ihr anzumerken. Sie blüht täglich schöner auf, und er freut sich an ihrer Schönheit. Noch mehr freut er sich darüber, daß sie entgegen zu früher, keine Bewunderer dieser Schönheit bedarf.
In der ersten Zeit ist sie, wenn ihr das Herz so schwer war, ins Freie gelaufen und sie fand sich immer vor der Villa wieder. Rein mechanisch hat sie den Weg dorthin genommen. Sie hat das Gesicht, das tränenüberströmt war, voll Heimweh an das Gitter gepreßt und hinüber zu ihrem Geburtshaus gestarrt. Sie ist um das hohe Gitter gelaufen, hat von weitem nach dem Tennisplatz gesehen, hat junge Menschen in ausgelassener Freude spielen sehen und wie sie sich, allerhand Unfug treibend, im Schwimmbassin tummelten.
Damals hat das alles noch weh getan. Heute kommt ihr das sinnlos vor. Nein! Sie hat wirklich keine Sehnsucht mehr nach ihrem alten Faulenzerleben.
Sie ist völlig ausgesöhnt mit ihrem Schicksal. Nie hätte sie geglaubt, daß ihr Zusammenleben mit ihrem Vater so harmonisch, ja, so heiter und für sie lehrreich sein würde. Sie bewundert ihn und sein umfangreiches Wissen restlos.
Nur etwas läßt sie nicht zur Ruhe kommen. Sie weiß nicht um die Geschäfte ihres Vaters Bescheid. Sie hat aber eine Ahnung, daß er Sorgen hat, und es schmerzt sie, daß er sich ihr nicht anvertraut. Auch sie möchte sie mit ihm teilen. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, dann sieht er kummervoll aus. Sobald sie in seiner Nähe auftaucht, trägt er wieder äußere Gelassenheit zur Schau.
Hinter ihm her spionieren? Nein! Das mag sie nicht. Einmal mit Emil Weber sprechen? Er ist nach wie vor der Vertraute ihres Vaters. Sie hat ihn immer gern gemocht, den etwas eigenartig gewordenen, hageren Mann, der zu Lebzeiten seiner Frau viel für Geselligkeit übrig hatte.
Sie kennt auch den Modesalon »Christian« an der Bismarckallee, der elegantesten, verkehrsreichsten Straße. Allerdings nur von außen.
Merkwürdig, wie sich Menschen in einer großen Stadt verlieren können, die so eng durch die Bande des Blutes verbunden sind. Nie wieder ist sie Mama oder den Zwillingen begegnet.
Wenn sie sich ehrlich prüft, dann hat sie auch keine Sehnsucht danach. Sie hat sich selbst von der Sonnenseite ausgeschlossen, wohin Mama die Geschwister gesetzt hat. Ist es auch wirklich die Sonnenseite? Eigenartig! Über was sie sich alles Gedanken macht.
Während Cornelia in ihrem kleinen Haushalt hantiert, sitzt Rudolf Hermann dem Chefarzt Dr. Rauher gegenüber, der ihn zu sich bitten ließ.
»Sie wollen sicher mit mir über meinen Sohn sprechen«, beginnt Hermann die Einleitung, und dieser nickt.
»Ich wollte Ihnen einen Vorschlag machen, Herr Hermann«, spricht Doktor Rauher.
»Bitte«, sagt Hermann, und sekundenlang denkt er: Einen solchen tüchtigen Sohn müßte man haben.
»Ein Kollege von mir, Professor Steinert, leitet ein Sanatorium. Dorthin müßten Sie Ihren Sohn bringen, damit er wieder seine Glieder gebrauchen lernt. Er wäre in den allerbesten Händen. Schätzungsweise käme eine Kur von einem halben Jahr in Frage. Bäder, Massagen und was alles dazu gehört. Wären Sie wohl damit einverstanden?« Und als Hermann mit der Antwort zögert, da er erst den Schock überwinden muß, denn eine solche Behandlung kostet viel Geld, fährt er rasch fort. »Wir haben alles getan, was für den Kranken nötig war. Wir haben ihn zusammengeflickt.«
»Sie haben mehr als das getan«, wirft Hermann dankbar ein. »Wann, meinen Sie, sollte mein Sohn zu Professor Steinert gehen?«
»Sofort!«
Hermann möchte fragen, ob diese Kur sehr teuer ist. Aber er unterläßt es. Statt dessen sagt er: »Gut, Herr Doktor, ich gebe Ihnen sobald als möglich Bescheid. Natürlich werde ich nichts versäumen, damit mein Sohn wieder ganz gesund wird.«
Sie wechseln noch ein paar Worte miteinander. Und als Doktor Rauher einen Blick auf seine Uhr wirft, verabschiedet Hermann sich und verläßt das Krankenhaus.
Er sieht Lothar vor sich, wie er mühsam an Krücken durch sein elegantes Zimmer humpelt, das Zimmer, das ihm seine Mutter bezahlt.
Für sie wäre es ein leichtes, den Jungen in das Sanatorium zu bringen. Aber er weiß jetzt schon, daß er sich niemals an Stefanie wenden wird.
Sorgenvoll tritt er den Heimweg an. Er bleibt auch sehr still während der Mahlzeit.
»Fühlst du dich nicht wohl?« reißt Cornelia ihn aus seinen Gedanken heraus. Er lächelt mühsam. Wie schlecht er sich beherrscht.
»Ganz und gar nicht, Kind«, wehrt er ab. »Mir ging nur so allerhand durch den Kopf.«
Sie schmiegt sich an seine Seite. »Hast du Sorgen, Papa?«
»Ach, nicht mehr als gewöhnlich, Cornelia. Ich werde es schon schaffen.«
Nachdenklich setzt Cornelia sich ihm gegenüber. »Davon bin ich überzeugt, Papa. Aber – machst du es dir nicht unnötig schwer?«
»Wie meinst du das?« fragt er überrascht.
Sie spielt mit den Enden ihres Gürtels. »Du willst alles durch eigene Kraft schaffen. Ein Mann wie du bekommt doch Kredit, Papa.«
»So meinst du das?« Die Unruhe treibt ihn umher. Er fühlt sich von ihren Augen scharf beobachtet. »Das ist so eine Sache, Kind. Kredit bekommt man, wenn man Sicherheiten zu bieten hat. Habe ich die? Alles, was Wert besitzt, habe ich deiner Mutter überschrieben –«
»Stellt Schmuck auch eine gewisse Sicherheit dar?« fällt sie ihm rasch ins Wort.
»Wenn er wertvoll ist, gewiß.«
»Dann nimm Tante Augustes Schmuck, Papa«, sagt sie erregt, und als er eine abwehrende Bewegung macht, spricht sie hastig weiter. »Du treibst deinen Stolz zu weit, Papa. Was nutzt mir der Schmuck. Wer weiß, ob ich je Gelegenheit haben werde, ihn zu tragen. Nimm ihn, Papa, gib ihn als Sicherheit. Fange damit neu an – oder verwende ihn, wie du willst, nur damit du deine Sorgen los wirst.«
Hermann hat sich wieder gesetzt. Er nagt an seiner Unterlippe. Das wäre ein gangbarer Ausweg. Aber soll er Cornelia das einzige, was ihr verblieben ist, wegnehmen?
»Nein, Cornelia«, sagt er entschlossen. »Vorläufig ist es nicht nötig. Sollte ich einmal in die Lage versetzt werden, dann werde ich mich an dich wenden.«
»Versprichst du mir das?« läßt sie nicht locker.
»Ich verspreche es dir.«
*
Stefan Rietberg geht während seines Berichtes in seinem weitläufigen Arbeitszimmer hin und her, indessen Georg Wolf, sein Prokurist, ihm aufmerksam zuhört.
»Irgend ein spleeniger Amerikaner hat der kleinen Gemeinde ein ziemliches Vermögen hinterlassen mit der Bedingung, daß dafür ein großartiges Schwimmbad angelegt wird. Man hat mich mit den Bauarbeiten beauftragt, aber wir allein können das nicht ausführen.«
Er schwingt sich auf die Schreibtischecke und zündet sich eine Zigarette an. »Passen Sie auf, Wolf. Das ist eine Chance für Rudolf Hermann. Wir werden ihn zu dieser Arbeit heranziehen. Ich werde dafür sorgen, daß er zur Herbeischaffung des nötigen Materials entsprechenden Kredit bekommt.«
»Er wird das nicht annehmen«, wirft Wolf skeptisch ein.
»Unsinn. So verbohrt kann kein Mensch sein. Wir müssen eben mit Vorsicht vorgehen. Ich habe es mir nun einmal in den Kopf gesetzt, diesem hochanständigen Mann eine goldene Brücke zu bauen. Natürlich rechne ich mit diesem verdammten Stolz. Lassen Sie mich nur machen, Wolf. Sie sollen nur von allem unterrichtet sein, falls Hermann sich an Sie wenden sollte. Verstehen Sie?«
»Ich verstehe,