Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha
treten Sie ein.«
Sie setzen sich in der Veranda an dem kleinen Rundtisch in der Ecke gegenüber. Rietberg ist den hellen Augen gegenüber befangen. Er findet sie schöner und liebreizender denn je.
Schließlich gibt er sich innerlich förmlich einen Ruck.
»Sie wissen, wie sehr ich Ihren Vater achte«, nimmt er das Gespräch auf.
»Wer meinen Vater wirklich kennt, muß ihn einfach achten«, erwidert sie abweisend.
»Ich glaube auch seinen unbändigen Stolz zu kennen.« Er zögert, sieht ihr gerade in die Augen, und das Lächeln vertieft sich noch. »Vielleicht sollte ich erst mit Ihnen sprechen und mir in Ihnen eine Verbündete werben?«
»Eine Verbündete – gegen meinen Vater?« Jetzt ist sie noch erstaunter, und ihr Gesicht wird noch verschlossener.
»Im guten Sinne – natürlich!«
Sie atmet einmal tief und erregt. »Soll das heißen, daß Sie meinem Vater geschäftlich helfen wollen?«
»Ja«, gibt er zu und ist irgendwie erlöst, daß sie so schnell begriffen hat. »Er soll sich an dem Bau eines Schwimmbades beteiligen.«
»Gehört da nicht viel Geld dazu?« fragt sie leise. »Ich meine, das Material und so –«
»Es gibt Kredite«, wirft er rasch ein.
Sie schüttelt den Kopf. »Ich glaube nicht, daß mein Vater davon Gebrauch machen wird. Er wäre tief gekränkt, bekäme er eine Absage von einer Bank.«
Stefan Rietberg neigt sich etwas vor. »Der Weg ist bereits von mir geebnet. Eine Anfrage seinerseits genügt, und er kann schon nächste Woche mit den Arbeiten beginnen.«
Zum ersten Mal sieht er etwas Wärme in ihren leuchtenden Augen aufkommen. Daß diese Wärme ihm gilt, macht ihn froh.
»Sie scheinen sehr viel von meinem Vater zu wissen«, sagt sie und leiser setzt sie hinzu, »und sehr viel von ihm zu halten.«
Plötzlich streckt sie impulsiv die Hand vor. »Ich danke Ihnen, Herr Rietberg. Ich glaube, ich habe Sie verkannt.«
Er spürt, wie er unter ihren warmherzigen Worten errötet und ist ärgerlich darüber. Er zwingt seine Stimme zur Gelassenheit.
»Es freut mich, daß Sie mir helfen wollen.«
Sie lächelt. »Davon habe ich allerdings nichts gesagt.«
»Aber Sie werden es tun, das weiß ich.«
Er spricht eindringlich und sucht den Blick ihrer dunkelumsäumten Augen. Sie sind klar wie ein Bergsee – denkt er – und die Unruhe seines Herzens wächst.
»Ich will es jedenfalls versuchen.« Sie erhebt sich. »Was darf ich Ihnen anbieten? Ich wünsche, daß Sie warten, bis mein Vater kommt und Sie ihm alles selbst unterbreiten. Wenn nötig, will ich Sie unterstützen.«
»Danke«, sagt er nur, und er sieht ihr zu, wie sie anmutig und flink eine Erfrischung mixt und sie auf den Tisch stellt.
»Auf gutes Gelingen«, fordert er sie auf, und sie nickt ihm zu. »Mir kommt es vor«, spricht er weiter und stellt das Glas bedächtig auf die Glasplatte zurück, »als würden wir uns schon sehr lange kennen. Warum sieht man Sie nirgends?«
»Wo suchen Sie mich?«
Er wird wieder verlegen und schweigt. Sie hat Gelegenheit, ihn ganz genau zu betrachten. Sie sieht die hohe, jetzt geneigte Stirn mit dem schönen Haaransatz. Es ist dunkelblond und schlicht zurückgekämmt. Die Nase ist gutgeformt und der Mund ausdrucksvoll.
Irgendwie erinnert er sie sehr an ihren Vater. Schon das allein, diese Ähnlichkeit, die gerade bei dieser gedankenverlorenen Haltung zum Ausdruck kommt, erwärmt sie sehr für ihn.
»Ich führe ein sehr zurückgezogenes Leben«, erzählt sie ohne jede Spur von Bitterkeit. »Ich gehe meinen eigenen Interessen nach, die mir sehr viel Freude bereiten.« Während sie so spricht, kommt ihr ein Gedanke, den sie sofort in die Tat umsetzt. »Darf ich Sie etwas fragen?«
Erfreut hebt er die Augen. »Sie dürfen.«
»Ich möchte Geld verdienen. Sie haben einen großen Betrieb hinter sich. Gibt es dort ein Plätzchen für mich? Meine Ansprüche sind sehr bescheiden, denn – denn sehr viel kann ich noch nicht.«
»Was können Sie?« Ruhig und sachlich stellt er ihr die Frage, als ob er bereits eine Angestellte vor sich hätte. Und das ist ihr nur lieb.
»Nun, Maschinenschreiben, Stenogramme aufnehmen.«
»Das können Sie wirklich?« staunt er, und sie nickt eifrig. Zaghaft setzt sie noch hinzu:
»Ich verstehe auch etwas von Büchern. Allerdings habe ich noch nicht praktisch gearbeitet.«
»Das ist schon allerhand«, lobt er. »Sie werden bald von mir hören«, sagt er nach einer Weile des Nachdenkens. »Bei uns werden immer Arbeitskräfte benötigt. Weiß Ihr Vater darum?«
»Nein!« erwidert sie rasch. »Aber ich weiß, er wäre nicht böse.«
Heimlich wirft Cornelia einen Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Sie haben bei ihrer Unterhaltung nicht bemerkt, daß die Dämmerung längst hereingebrochen ist, daß ein kühles Lüftchen durch das geöffnete Fenster weht und die Zeit schon vorgeschritten ist.
Er erhebt sich. »Ich glaube, ich muß gehen. Ihr Vater hat sich verspätet.« Er streckt ihr die Hand entgegen. »Guten Abend und vielen Dank, daß Sie mir so geduldig zugehört haben. Wenn ich darf, komme ich morgen abend wieder. Ich muß die Sache mit Ihrem Vater schnell erledigt haben.«
*
Rudolf Hermann hat sich mit aller Sorgfalt in der Baracke angekleidet, wie er das täglich tut, um vor Cornelia die Spuren seiner täglichen Arbeit zu verbergen und nicht den Heimweg, sondern den Weg ins Krankenhaus angetreten.
Er ist sich jetzt völlig klar darüber, was er zu tun hat. Er wird das Geld, das als Notgroschen gedacht war, vielleicht sogar als Anfang für neue geschäftliche Unternehmungen, für die Gesundung seines Sohnes Lothar geben.
Er läßt sich bei Doktor Rauher melden.
»Herr Hermann«, begrüßt er ihn freundlich und weist auf die Sesselgruppe. »Nett, daß Sie mich wieder aufsuchen. Heute kann ich Ihnen auch die genauen Unkosten sagen, die eine Weiterbehandlung Ihres Sohnes betragen würden. Es sind ungefähr dreitausend Mark. Es handelt sich um eine Spezialbehandlung, aber Professor Steinert garantiert für völligen Gebrauch aller Glieder.«
»Eben deshalb bin ich hier, Herr Doktor. Sie können meinen Sohn anmelden. Für die Kosten komme ich auf.« Er stockt und fragt dann schnell, als könnte ihn die Frage reuen. »Weiß – weiß meine Frau davon?«
»Bis jetzt noch nicht«, gibt Doktor Rauher zurück, der sehr viel mehr über die Familienverhältnisse Hermanns weiß, als dieser ahnt. »Wenn Sie es wünschen, werde ich bis zur Abreise Ihres Sohnes nicht darüber sprechen.«
»Es wäre mir lieb, danke. Und darf ich meinen Sohn zu Professor Steinert begleiten?«
»Selbstverständlich, Herr Hermann.« Er sucht zwischen seinen Papieren auf dem Schreibtisch. »Wenn ich heute noch anrufe, kann morgen gegen elf Uhr der Transport vor sich gehen.«
»Einverstanden. Sie werden mich pünktlich hier vorfinden.« Hermann erhebt sich. »Darf ich jetzt zu meinem Sohn? Ich möchte ihm die Notwendigkeit dieser Kur auseinandersetzen.«
»Selbstverständlich, Herr Hermann«, sagt er wieder und geleitet Hermann höflich bis zur Tür.
Behutsam wie stets öffnet Hermann die Tür zum Zimmer seines Sohnes. Er sitzt im Rollstuhl am Fenster, in Gedanken versunken, reglos.
Er bemerkt erst seinen Vater, als dieser neben ihm steht und ihn leicht an der Schulter berührt.
»Tag, mein Junge«, sagt er gemacht heiter