Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman - Karin Bucha


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sind Zeichnungen, mein Kind«, erwidert Stefanie und sie versteht sich selbst nicht, daß sie jetzt in ihrer trostlosen Verfassung fähig ist, sich Kleiderentwürfe anzusehen. Sie läßt sich einfach von Christianes ­Energie mit fortreißen.

      »Diese Entwürfe stammen von mir, Mama«, erklärt Christiane, und ihr eben noch glühendes Gesicht ist tiefblaß geworden. Ihre Augen hängen an den Lippen Stefanies, als hänge ihr Seelenheil davon ab.

      »Von dir?« Stefanies Augen wandern von den Zeichnungen zu Christiane. Unnatürlich groß und dunkel wie Samt glänzen ihre Augen. Wieder vertieft sie sich in die einzelnen Entwürfe. Es sind einfache, faszinierende Kleider, die Christiane da entworfen hat, Kleider für den Nachmittag, für den Abend. Kleider mit Röcken, weitschweifig wie Glocken und Nachmittagskleider von raffinierter Einfachheit. Sie hat alles vergessen, was sie eben durchlebte. Sie hat nur noch Gedanken für die Zeichnungen und daß sie aus der Hand ihrer Tochter stammen. »Von dir?« wiederholt sie nochmals ungläubig und schon mit einem Unterton von Achtung. »Aber Kind, die sind doch großartig. Warum hast du mir noch nie davon gesprochen?«

      Christiane schiebt die Unterlippe etwas vor. »Du – du hättest mich doch nie ernst genommen, Mama. Für dich war Fräulein Müller maßgebend, und sie hat dich betrogen, jawohl, Mama, betrogen.«

      Christiane rückt näher an Stefanie heran. »Paß auf, Mama«, erklärt sie eifrig. »Wir werden die Müller hinauswerfen. Ich kann dir Beweise bringen, daß sie mit Marcel Dalier gemeinsame Sache gemacht hat. Du brauchst mir weder Gehalt noch eine Abfindung zu zahlen. Du übergibst mir die Nähstube. Ich wähle die Modelle aus und bestimme das Material und…«

      »Kind, liebes Kind«, mutlos schiebt Stefanie die Zeichnungen zusammen. »Wir werden den Salon aufgeben müssen. Wir haben nichts als Schulden.«

      »Mama!« Mit eisernem Willen klammert Christiane sich an ihren Plan. »Laß mich mit den Leuten verhandeln. Ich werde mich mit ihnen herumschlagen. Wir werden bestimmt alles nach und nach bezahlen können. Wir fangen eben ganz klein an.«

      Christiane springt auf die Beine. Vor der erstaunten und atemlos lauschenden Stefanie entwickelt sie einen Plan, der sie in helle Verwunderung stürzt. Ist das noch Christiane, die schnippische Christiane, die in wenigen Stunden über sich hinausgewachsen ist, die wie ein reifer in sich gefestigter Mensch einen Plan vor ihr ausbreitet, der wunderschön ist, wenn er sich verwirklichen ließe.

      »Ich weiß nicht –«, zweifelt Stefanie.

      »Aber ich, Mama.« Und dann kniet Christiane wieder vor Stefanie und bittet und fleht. »Gib nicht auf, Mama, ich bitte dich. Wir werden es anfangs schwer haben, das weiß ich, da mache ich mir nichts vor. Aber wir werden es schaffen. Mama. Wenn man nur den ehrlichen Willen zur Arbeit hat – und den habe ich.«

      »Es ist zu spät, mein Kind.«

      Stefanie bricht abermals in Tränen aus. Sie ist am Rande mit ihren Nerven.

      »Niemals darf es zu spät sein, Mama, wenn man nur ernstlich will. Und ich will…«

      »Bravo!«

      Erschrocken fahren die beiden Frauen herum. In der Tür steht Cornelia. Die schöne, zarte Cornelia. Wie einen Geist starrt Stefanie ihre Älteste an, die langsam näher kommt. Nicht ein Wort bringen beide hervor, sie sind voll maßloser Verwunderung und wagen kaum zu atmen, aus Angst, das schöne Bild der näherkommenden Cornelia könne sich verflochten.

      »Verzeih, Mama«, hören sie Cornelias dunkle Stimme. Es ist also kein Traum, Cornelia ist wirklich gekommen? Gerade jetzt, da sie sich von allen verlassen glaubte? Unwillkürlich groß und scheu hängen Stefanies Augen an dem schönen Gesicht Cornelias. Sie sucht vergeblich nach Schadenfreude. Sie lauscht nur ihrer Stimme, die warmherzig fortfährt. »Die Tür stand offen. Keiner der Dienstboten war zu sehen. Dann hörte ich Stimmen, und nun bin ich hier eingebrochen. Den letzten Teil eurer Unterhaltung habe ich angehört. Chri­stianes Plan ist ausgezeichnet. Dazu gratuliere ich dir, Kleines.« Zärtlich streichelt Cornelia über Christianes dunkelglänzendes Haar. »Du bist ein feiner Kerl, Christiane, daß du Mama nicht im Stich läßt.«

      »Cornelia!« flüstert Stefanie. »Du – du kommst zu mir?«

      »Ja, Mama, ich komme zu dir, weil du in Not bist«, sagt Cornelia tapfer ihre Bewegung unterdrückend. »Ich übergebe dir Tante Augustes Schmuck. Verkaufe ihn und nimm das Geld zu einem neuen Anfang.«

      »Cornelia!« Stefanie ist fassungslos. Ihr stockt der Atem. Cornelia kommt zu ihr, weil sie…

      Sie wirft sich herum und wühlt den Kopf in die Kissen. Sie weint haltlos wie ein Kind, und Christiane und Cornelia streicheln sie sanft, bis sie unter diesen weichen Liebkosungen sich allmählich beruhigt.

      »Und – und dein Vater?« wirft Stefanie nach langer, erwartungsvoller Stille die Frage auf.

      »Vater weiß nicht, daß ich hier bin«, erklärt Cornelia ehrlich. »Aber ich bin überzeugt, er wird es gutheißen.«

      »Weißt du auch, daß ich heute bei – bei deinem Vater war?«

      Cornelia nickt und lächelt dabei. »Alles weiß ich, Mama. Ich glaube auch Vaters Gründe zu kennen. Übrigens, Mama, brauchst du dir keine Sorge darum zu machen. Ich kann über Tante Augustes Schmuck frei verfügen. Wenn er für einen guten Zweck verwendet wird, erfüllt er einen besseren Zweck, als an meinem Hals.«

      Auf einmal fliegt Christiane ihr an den Hals. »Oh, Cornelia, du bist großartig«, sprudelt sie überglücklich hervor und erdrückt die so lange entbehrte Schwester förmlich mit ihren Küssen. »Natürlich nehmen wir den Schmuck. Damit halten wir uns die quälendsten Schuldner vom Hals. Vielleicht bleibt auch noch etwas übrig für den neuen Anfang.«

      Der natürliche Optimismus der Jugend siegt. Christiane hüpft und springt im Zimmer umher, und Cornelia sitzt neben der Mutter und hält deren Hand, die sich heiß anfaßt.

      »Leg dich hin, Mama«, bittete sie leise und gibt der übermütigen Schwester einen Wink. »Du mußt dich erst einmal ausschlafen, elend genug siehst du aus. Komm, ich helfe dir beim Auskleiden.«

      »Jetzt wird geschlafen, Mama«, kommandiert Christiane. »Wir wollen für die nächsten Stunden weder etwas von dir hören noch sehen. Nicht wahr, Cornelia?«

      Sie blinzelt der Schwester zu, und diese blinkert zurück. Stefanie spürt noch zwei Lippenpaare auf ihren Wangen, dann schmiegt sie sich mit geschlossenen Augen in das Kissen.

      Daß es noch Wunder gibt – denkt sie, erschöpft und ermattet – und ich darf es an meinen Mädels erleben.

      »Komm, Cornelia«, flüstert Christiane und zieht die Schwester, die soeben die schweren Übergardinen zusammenrauschen ließ, mit sich fort. »Wir haben noch sehr viel zu besprechen.«

      *

      Noch in der Nacht hat man den Arzt zu Stefanie von Ruevel holen müssen. »Die Nerven und das Herz« hat der Arzt gesagt, völlige Ruhe, keine Aufregungen und ruhig liegen bleiben hat er verordnet.

      Sie liegt im Fieber, eines der Mädchen, von Cornelia und Christiane genauestens informiert, wacht bei ihr. Stefanie verbringt die kommenden Tage, in denen es im »Modesalon Christian« turbulent zugeht, im Dämmerzustand.

      So ungeduldig sie sonst war, so nörglerisch und kribbelig, so anspruchslos und geduldig ist sie während ihrer Krankheit. Sie äußert kaum Wünsche. Und wenn sie wirklich einmal die Augen aufschlägt, dann sind sie starr zur Decke emporgerichtet, als suchten sie etwas Bestimmtes. Zwei tiefe Falten stehen steil auf ihrer Stirn und geben dem blassen Gesicht etwas Grüblerisches.

      Die beiden Mädchen sind voller Sorge um sie, aber sie vertrauen dem Arzt, der sie immer tröstet.

      »Ein seelischer Schock. Sie wird bestimmt wieder gesund.«

      Daran klammern sie sich, denn sie haben alle Hände voll zu tun. Zusammen mit dem Buchhalter haben sie eine Aufstellung der bestehenden Schulden zustande gebracht. Das Ergebnis ist erschütternd.

      »Aber nicht hoffnungslos«, versichert


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