Die wichtigsten Werke von Richard Voß. Richard Voß

Die wichtigsten Werke von Richard Voß - Richard Voß


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Sie erst fragen, ob Sie dieselbe brauchen könnten.«

      »Welche Frage – wenn sie jung und hübsch ist.«

      »Was werden Sie zahlen?«

      »Ich muß sie erst gesehen haben.«

      »Sie können mit mir kommen und sie sich betrachten.«

      »Ich mit Ihnen kommen – – Ich glaube wirklich, der Mensch ist toll.«

      »Die junge Person hat ein kleines Kind und ist sehr schüchtern, sehr zart, sehr – –«

      Wladimir suchte nach dem rechten Worte und stockte. Herr Sassinow fing an zu begreifen.

      »Ich verstehe: Sie wollen die junge Person verkaufen, Sie wollen ein Geschäft mit der jungen Person machen. Nun, das kommt vor, das ist mir schon vorgekommen. Wahrscheinlich ist die junge Person Ihnen ungemein zugetan. Übrigens, wer sind Sie eigentlich?«

      »Ich bin Student.«

      »Nun ja, ich sehe, wie die Sachen stehen. Die junge Person weiß natürlich von nichts.«

      »Von nichts.«

      »Wie viel wollen Sie denn für sie haben?«

      Wladimir nannte eine Summe, der Würdige schrie: »Sie sind toll! Scheren Sie sich hinaus! Ich sage, daß Sie toll sind! Wollen Sie wohl gleich gehen? He, wollen Sie wohl!«

      Wladimir blieb ruhig stehen: »Sie bekommen sie nicht um eine Kopeke billiger.«

      »Lassen Sie mich zufrieden!«

      »Sie wollen also nicht?«

      »Machen Sie, daß Sie fortkommen!«

      »Ich gehe, Sie brauchen sich gar nicht zu ereifern. Herr Peter Petrowitsch wird das Geschäft mit mir machen.«

      Herr Peter Petrowitsch war der Konkurrent des Herrn Dimitri Sassinow.

      Wladimir setzte seine Mütze auf und schritt ohne ein weiteres Wort zur Tür; doch ehe er dieselbe erreichte, schrie Herr Sassinow, ganz braun im Gesicht: »So warten Sie doch; ich gehe ja mit Ihnen. Ist es weit? Wir können eine Droschke nehmen. Wollen Sie nicht vorher ein Gläschen trinken? Sind Sie aber hitzig!«

      Wladimir wollte kein Gläschen trinken, so daß Herr Sassinow es für nötig fand, für ihn und für sich zwei Gläser zu sich zu nehmen. Darauf gingen sie, mieteten eine Droschke und fuhren in die Vorstadt. Unterwegs gab Wladimir Herrn Sassinow einige Verhaltungsregeln, so daß dieser immer begieriger wurde, die junge Person kennen zu lernen. Als der Wagen vor dem Garten hielt, stand Tania, das Kind im Arm, am Fenster und als Wladimir über den Hof ging, hielt sie den Knaben empor, den Kleinen seinem heimkehrenden Vater weisend. Dann bemerkte sie den Fremden, erglühte über das ganze Gesicht und verschwand.

      »War sie das?«

      »Das war sie.«

      »Und wie viel verlangen Sie dafür, daß sie bei mir singt?«

      »Genau so viel, wie ich Ihnen gesagt habe.«

      »Aber ich sagte Ihnen, daß Sie toll sind! Bedenken Sie, was die junge Person sich nebenher verdienen kann. Das ist ja die Hauptsache! Andere pflegen mir dafür zu zahlen, daß ich sie bei mir auftreten lasse. Was haben Sie?!«

      »Wenn Sie nicht gleich schweigen – –« Herr Sassinow schwieg. Herr Sassinow war über den Ausdruck in Wladimirs Gesicht, über Wladimirs Blick, über Wladimirs Stimme so entsetzt, daß er sofort schwieg. Nach einer Weile flüsterte er: »Also die Sache ist abgemacht.«

      »Das heißt?«

      »Das heißt, daß ich Ihnen für die junge Person zahle, was Sie verlangen.«

      »Soll sie Ihnen nicht vorher etwas singen?« »Ist nicht nötig! Wann kann sie zum erstenmal bei mir auftreten?«

      »Morgen.«

      »Morgen erhalten Sie das Geld.«

      »Sie wissen, gleich die ganze Summe.«

      »Die ganze Summe, die ganze Monatsgage pränumerando ausgezahlt.«

      »Abgemacht.«

      Herr Sassinow dachte: Es ist ein gutes Geschäft; es ist ein sehr gutes Geschäft! Hoffentlich ist sie nicht gar zu tugendhaft. Obwohl – mir kann es gleich sein; ich mache auf jeden Fall ein gutes Geschäft. Es ist mir um ihretwillen! Um ihretwillen wünsch' ich, daß sie den schönen Burschen bald los wird. Das war ja vorhin ein wahrer Mörderblick. Schade, daß er nicht das Trapez kann. Eine prachtvolle Figur für Trikot! Und die junge Person, wer weiß – –

      Am Abend unternahm es Wladimir, Tania vorzubereiten. Er schickte Colja fort und als der Knabe zu Bett gebracht und eingeschlafen war, rief er Tania ins Zimmer hinüber; um keinen Preis hätte er drinnen in der Kammer bei dem Kinde davon reden können.

      »Ich habe etwas mit dir zu besprechen. Setze dich.«

      Tania setzte sich auf den Platz, den Wladimir ihr mit einer Kopfbewegung anwies. Er selbst stellte sich an das Fenster und schaute hinaus in die leuchtende Winternacht.

      »Ich weiß, daß du mich liebhast,« begann er und stockte.

      Tania sah zu ihm hinüber, mit einem Blick, einem Lächeln, einem Ausdruck, ganz Liebe, Hingabe, Glauben, Anbetung. Aber sie sagte nichts. Wladimir mußte wohl oder übel fortfahren: »Nun gut, du brauchst es mir nicht erst zu versichern. Ich weiß es; deine Liebe für mich ist groß. Und so ist die meine für dich, wenn ich auch zuweilen rauh erscheinen mag – – Weine nicht! Du weißt, ich kann Tränen nicht ausstehen! Tränen reizen mich, bringen mich auf, machen mich wild, und ich möchte gern sanft und gütig gegen dich sein.«

      Sie bezwang sich, die Tränen, welche er nicht leiden konnte, tapfer zurückdrängend. Nur in ihren Augen blieben sie funkelnd stehen und um ihren Mund zuckte es schmerzlich. Dann versuchte sie ein Lächeln; aber er sah nichts davon.

      Wladimir begann mit größerer Ruhe: »Ich habe viele Aufregungen, schwere Szenen, heiße Kämpfe, alles Dinge, mit denen ich dich nach Möglichkeit verschont habe; viel zu viel! Doch wie du nun einmal bist – und ich mache dir keinen Vorwurf daraus – kannst du deiner weichen Natur nach mein inneres Leben unmöglich teilen. Ich habe zuweilen schrecklich zu leiden; du weißt nichts davon.«

      Ob sie wirklich nichts davon wußte? Hatte er ihren Blick gesehen, in ihrem Blicke die Todesangst, den Jammer, die unsägliche Liebe gelesen! Aber er sah sie nicht an, und sie blieb stumm.

      »Es geht indessen nicht länger so,« sprach Wladimir weiter. »Du mußt endlich davon erfahren, du mußt mich endlich dabei unterstützen, mir dabei helfen.«

      »Ach, Wladimir!«

      Wladimir fuhr zusammen. Dieses Wort seines Weibes war wie ein Freudenschrei gewesen, wie ein erstickter Jubelruf. Sich den Schweiß von der Stirn wischend, murmelte er: »Es wird dir schwer fallen, obgleich es im Grunde genommen gar nichts ist; es wird dir viele Tränen kosten, töricht wie du bist. Aber weil du mich liebhast, und weil du doch eigentlich mein Weib bist, und weil ein Weib die Arbeit des Mannes teilen soll – – überdies, es geschieht für die Sache, für die du noch keinen Finger gerührt hast, für das Volk, welches dir ganz gleichgültig zu sein scheint, für das Glück des Volkes. Mit einem Worte, es geschieht aus den stärksten Ursachen, aus den treibendsten Gründen. Was sagst du?«

      »Daß ich mich freue; ach, so sehr!«

      »Du freust dich?«

      »Daß ich dir helfen darf – endlich! endlich!«

      »Du weißt ja noch gar nicht, was du tun sollst.«

      »Du wirst es mir sagen und ich werde es tun und es wird gewiß das Rechte sein.«

      »Meinst du? Natürlich ist es das Rechte.«

      »Also, was soll ich tun?«

      Sie war in ihrer Erregung aufgestanden und zu ihm getreten. Aber Wladimir starrte immer noch, von ihr abgewendet, zum Fenster hinaus. Sie mußte es noch einmal sagen: »Was soll


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