Die Vampirschwestern - Das Buch zum Film. Franziska Gehm

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anziska Gehm

      Die Vampirschwestern – Das Buch zum Film

      Transsilvania Speditionska

      Es war eine fast ganz normale Nacht auf der Autobahn irgendwo zwischen Transsilvanien und Deutschland. Auf der Straße fuhren nur wenige Autos und die meisten Menschen darin schliefen – bis auf die Fahrer natürlich. Nur in einem alten und ziemlich klapprigen Lastwagen mit einem Wolfskopf neben der tiefschwarzen Aufschrift Transsilvania Speditionska waren alle Reisenden hellwach. Das lag daran, dass auf der Autobahn zwischen Transsilvanien und Deutschland nicht immer nur normale Menschen unterwegs sind – sondern auch waschechte Vampire. Und Vampire sind nun einmal nachts hellwach und normalerweise auf der Jagd nach einem köstlichen Tropfen Blut.

      Mihai Tepes, zweitältester Sohn einer ehrwürdigen und uralten Vampirfamilie, hatte in dieser Nacht keine Zeit für die Jagd. Er war gerade dabei, mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern Silvania und Dakaria nach Deutschland umzuziehen.

      Mihai Tepes wurde vor 2676 Jahren mitten im schaurig-schönen Transsilvanien geboren und hatte sein Heimatland bisher nur selten und äußerst ungern verlassen. Er liebte die kargen, rauen Berge, die rauschenden Flüsse und die dichten Wälder mit ihren herrlich saftigen Wildschweinen – wenn er nur daran dachte, tropfte ihm der Speichel von seinen scharfen, langen Eckzähnen. Seufzend fuhr er sich durch sein rabenschwarzes Haar und tröstete sich mit dem großen Glas voll Heimaterde und den dicken Blutwürsten seines Lieblingsmetzgers Sangrasa, die er im Gepäck hatte.

      Unbeirrt steuerte er den alten Laster weiter durch die Nacht. Er musste ordentlich aufs Gaspedal drücken, denn auf dem Anhänger des Lasters war der senfgelbe Lada aufgeladen – der Familienwagen der Tepes’, den Mihai nicht in Transsilvanien hatte zurücklassen wollen. Da seine Frau unter den Menschen nicht auffallen wollte, hatte Mihai die Scheinwerfer des Umzugslasters eingeschaltet. Eigentlich konnte Mihai Tepes nachts besser sehen als tagsüber, aber weil er seine Frau Elvira Tepes sehr liebte, hörte er gern auf sie.

      Elvira Tepes war nämlich ein waschechter Mensch und einer echten Menschenfrau sollte man nicht widersprechen, auch nicht als stolzer und starker Vampir. Darum hatte Mihai auch nicht Nein sagen können, als seine Frau zurück nach Deutschland wollte. Sie hatte Heimweh, was Mihai gut verstehen konnte. Und schließlich hatte Elvira ihm vor 12 Jahren zwei prächtige Mädchen geboren. Sie waren nicht nur Zwillinge, sondern auch blutechte Halbvampire, auf die Mihai sehr stolz war. Gemeinsam hatte Familie Tepes die letzten 12 Jahre in Bistrien gelebt. Bistrien war nicht nur die unterirdisch schönste Stadt Transsilvaniens, sie befand sich auch wirklich unter der Erde und wimmelte von Vampiren. Doch auch deren gierige Blicke auf ihren zarten Hals hatten Elvira Tepes nicht davon abschrecken können, dort zu wohnen. Zum einen, weil ihr Ehemann Mihai sie bis aufs Blut beschützte, und zum anderen, weil sie ihm ewige Liebe geschworen hatte.

      Sicherlich ist eine Ehe zwischen einem Vampir und einem Menschen höchst selten. Deswegen liebten es Silvania und Dakaria auch, sich die Kennenlerngeschichte ihrer Eltern zu erzählen. Oder zumindest Silvania genoss jede einzelne Kleinigkeit, denn sie hatte ein romantisches Herz und verschlang jeden Liebesroman, gern auch mit über 500 Seiten. Dakaria, genannt Daka, interessierte sich mehr für Rockmusik, fand Liebesgeschichten albern und verschlang lieber knackige Fliegen oder Hackfleischbällchen – gern auch mit über 500 Maden.

      Doch weil die Fahrt lang war und auch ein bisschen langweilig, hatte Daka sich neben Silvania hinten im Laderaum aufs Bett gelegt. Umgeben von Kartons blätterten die beiden Schwestern dicht aneinandergekuschelt durch das Fotoalbum der Familie Tepes. Silvania leuchtete mit einer Taschenlampe auf die Bilder.

      „Guck mal, Mami und Papi. Das erste gemeinsame Foto.“

      Seufzend betrachtete Silvania die Fotos, die ihre Mutter vor vielen Jahren in den rumänischen Karpaten geschossen hatte. Die Karpaten sind ein wildes, steiniges Gebirge, in dem man sich vorsichtig verhalten sollte. Zumindest wenn man ein Mensch ist und so zierlich und schön wie Elvira Tepes. Gleich am ersten Tag hatte sie sich bei einem Sturz verletzt und musste den Rest des Urlaubs mit einer Halskrause verbringen. Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum die Karpaten gefährlich sind. Denn auch Transsilvanien liegt in Rumänien und genau genommen mitten in den Karpaten. Elvira Tepes glaubte damals jedoch nicht an Vampire und machte fröhlich Fotos von Bergen, Schluchten und betörend duftenden rosaroten Blumen.

      Was Elvira nicht ahnte, war, dass der Duft ihres rosaroten Blutes jemanden angelockt hatte. Hinter einem großen Baum versteckte sich Mihai Tepes und in seinem gesamten Vampirkörper loderte die tödliche Begierde.

      Gerade als Elvira ein Bild von sich selbst schießen wollte, wäre es fast um sie geschehen gewesen: Mihai Tepes stürzte sich mit weit aufgerissenem Mund auf sie. ZZSSSS – KLICK! Elvira knipste, Mihais spitze Eckzähne funkelten im Blitzlicht auf – aber sie gelangten nicht in den Hals von Elvira. Die Halskrause war im Weg. Elvira hatte Glück gehabt, schrie aber trotzdem wie vom Vampir gebissen auf. Erschrocken fuhr sie herum – und in diesem Moment war es um sie geschehen: Sie verliebte sich auf den ersten Blick in diesen schönen blassen Mann mit dem schwarzen Haar und den roten Lippen, die Elvira an köstliche Sommererdbeeren erinnerten.

      Wieder hatte sie Glück, denn in dem schönen blassen Mann loderte auf einmal nur noch zärtliche Begierde. Mihai verliebte sich in die hübsche Frau mit den roten Wuschelhaaren und konnte seinen Blick gar nicht mehr von ihren Augen abwenden. Sie erinnerten ihn an den tiefblauen Himmel einer sanft durchflogenen Sommernacht.

      „Zum Glück musste Mama da diese komische Halskrause tragen. Stell dir mal vor, sie hätte sie nicht angehabt. Dann hätte Papa sie ausgesaugt und uns gäbe es jetzt gar nicht“, sagte Silvania.

      Daka antwortete nicht. Sie blätterte einfach weiter, aber Silvania stoppte sie bei den Hochzeitsfotos ihrer Eltern. „Wie schön Mama aussieht. So will ich auch mal heiraten“, schwärmte Silvania. „Mami, Papi!“, rief sie schmeichelnd. „Bitte erzählt uns noch mal von eurer Hochzeit.“

      „Erzählt es ihr“, knurrte Daka. „Mir genügen die 239 Mal eigentlich.“

      Doch Elvira hatte sich schon mit leuchtenden Augen umgedreht und fing sofort an zu schwärmen: „Wir hatten eine große Gruft auf dem alten Friedhof in Bistrien gemietet. Mihais Familie und alle seine Freunde waren da. Die Frauen trugen ihre modrigsten Kleider und die Männer ihre muffigsten Anzüge und Hüte. Ich hatte dieses traumhafte Kleid aus Spitze an und der Zeremonienmeister fragte Mihai zuerst, ob er mich lieben und ehren wolle, bis dass der Tod uns scheide und er antwortete …“

      „Sni! Je pnam!“, unterbrach Mihai seine Frau in der Vampirsprache Vampwanisch und blickte sie verliebt an.

      „Ach, ist das schön!“, hauchte Silvania und sah noch einmal auf das Foto. Der Zeremonienmeister sah gruselig vampirisch aus. Er hatte lange graue Haare und trug einen schwarz glänzenden Zylinder. In der Hand hielt er einen langen Dolch.

      „Das Messer findest du schön?“, fragte Daka grinsend.

      „Nein, dass Papa aus Liebe zu Mama die Blutzeremonie vollzogen hat. Stell dir das mal vor, ihretwegen hat er auf das ewige Leben verzichtet.“

      „Ja, so war es, aber ich bereue gar nichts!“, rief Mihai nach hinten. „Der Meister schnitt mir in die Hand und genauso vollzog er es bei Elvira, nachdem sie ‚Ja, ich will‘ gesagt hatte. Wir legten unsere Hände ineinander und unser Blut vermischte sich. Nur so können ein Mensch und ein Vampir heiraten.“

      „Also, ich würde das niiiieee machen!“, flüsterte Daka ihrer Schwester zu. „Ich meine, Papa wusste ja nicht, welche von seinen Vampirkräften er verliert. Er hat total Schwein gehabt, dass nur die Lichtempfindlichkeit und seine Superkräfte geschwächt wurden. Es hätte genauso gut sein können, dass er nach der Hochzeit nicht mehr hätte fliegen können! Stell dir das mal vor! Was für ein Albtraum.“

      „Also ich würde für die große Liebe alles tun. Genau wie Papi“, sagte Silvania verträumt. „Aber ich versteh nicht, warum die keine Digitalkamera für die Hochzeitsfotos genommen haben. Man will doch auch den Bräutigam sehen!“

      „Ist doch klar, da gab’s noch keine, das ist doch ewig her. Die hatten nur diese altmodischen Fotokameras mit dem Spiegel drin. Und Vampire sieht man nun mal nicht im Spiegel.“

      Silvania


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