Die Verzauberten. Roland Betsch
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Roland Betsch
Die Verzauberten
Books
- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2438-8
Inhaltsverzeichnis
Als Pennbruder habe ich das erste Erlebnis
Das Wirtshaus zur Lilie gefällt mir nicht
Im Vertrauen: ich bin ein Zinkenpflanzer
Glück ist wie im Sturm das Laub
Schon wieder eine verdächtige Erscheinung
Der Hexenmeister in Bedrängnis
Wer wirft denn hier mit Erdschollen?
Meine Hand mäht – mein Atem sät
Ihr Vater war ein Himmelreichmann
Es sitzt ein fremder Mann am Tisch
Der Kollege Hurrle hat recht
Es macht den Eindruck, als wollte unser Direktor, der in Leid ergraute Komödiant, die Ritterstiefel anziehen. Aus Spielplanverzweiflung hat er eine alte Posse neu inszeniert und das ist schon fast ein Akt der Notwehr. Sein Theater, bekennen wir es offen, sein alter Musenstall wackelt wie ein fauler Zahn; der Kuckuck geht um, Gott weiß es, daß ich recht habe.
Der Kollege Hurrle, altes Roß und Charakterkomiker, Kreatur unter diesen Sternen, die schon mit allen widrigen Winden gesegelt ist, Kollege Hurrle und ich, ein junger Kerl mit Baßgeigen am Himmel, wir haben die Hauptrollen: zwei Handwerksburschen; zwei Pennbrüder und Kornhasen. Lustige Rollen und immer noch gut hinzulegen, wenn man auch nur ein Stück Leberkäse im Magen hat.
Beim Satan, der Stall ist gut besetzt; es wimmelt nur so in Logen und Rängen. Ich glaube, das Völkchen wittert eine neue Hinrichtung. Wissen sie am Ende, daß wir schon seit Wochen keine Gage mehr gerochen haben, daß der Fundus gepfändet ist und die Vollstreckungszündschnüre überall glimmen? »Es gibt Wunder,« meint treuherzig unsere Naive und heult in die frische Schminke hinein, »glaubt mir, es gibt Wunder. Denkt an die Auferweckung des Lazarus. Und Jesus hat aus Wasser Wein gemacht, und mit einem Brot viele Tausende gespeist. Es gibt Wunder.« Man sieht, unsere Naive ist bibelfest.
Der Direktor ist beachtlich nervös. Er steht in der ersten Gasse und schluckt Aspirin. Er ist sehr nervös, sage ich; seht nur, wie ihm der Schweiß ausbricht. Oh, es ist furchtbar, wenn einem diese Sorte Schweiß ausbricht. Was sind Tod und Untergang, was sind Auflösung und Agonie gegen solche Qualen! Herr Direktor, Kopf hoch, will ich sagen, aber er ist nicht mehr da; er ist hinter einem Prospekt verschwunden.
Ich selbst bin gar nicht so niedergeschlagen und verzagt. Nun ja, ich bin noch jung und kann Püffe vertragen. Ich bin noch nicht wund gerieben und noch nicht so verkommen vor Elend, wie die andern. Nein, ich habe Mut. Hört nur, wie es braust und summt hinterm Jammerfetzen. Das ist Publikum. Das sind die Theaterbesucher; die Premierentiger; die Sensationshungrigen. Schön ist dieses Sausen und Brausen wie von fernen Wasserfällen. Mir wird ganz wohl dabei und ich bin wahrhaftig aufgeräumt und guter Dinge. Zum Beispiel gehe ich mit festen Schritten zum Vorhangauge und schaue hinaus in den Zuschauerraum. Nein, so viele Menschen; überall Menschen, gut angezogen und fröhlich erwartungsvoll. Und satt sehen alle aus; satt und gewaschen und bürgerlich versorgt. Nur still, ich weiß, daß sie ohne Mitleid sind. Menschen im Theater sind mühsam gebändigte Bestien. Sie brechen gerne aus; sie lauern darauf, zerfleischen zu können; sie sind, ich schwöre es, bis in die letzte Seelenfaser erbarmungslos.
Ich widerrufe, was ich gesagt habe; zerknirscht schwöre ich es ab; denn seht nur: da steht jemand aufrecht und schlank in der zweiten Parkettreihe. Da steht jemand und leuchtet fast magisch heraus aus dem brodelnden Brei. Es ist eine junge Dame, ein Mädchen, ein göttliches Geschöpf. Sie steht