Motte und Co Band 2: Auf der Jagd nach Giant Blue. Ulrich Renz
computer technology increasingly seems to be becoming the target of internationally operating criminal activities.
Computer ... criminal ... international ... Zum ersten Mal verfluchte Motte, dass er im Englischunterricht immer so faul gewesen war. Tapfer kämpfte er sich weiter. Police ... top secret ... burglary ... Adelaide ... internet ... encryption ... Mit einem Kopfschütteln griff er zum Handy und wählte Simons Nummer.
„Ihr Gesprächspartner ist momentan leider nicht erreichbar. Versuchen Sie es bitte später noch einmal.“
Ausgerechnet jetzt! Simon war offenbar auf dem Wolfshof und damit mitten im Funkloch. Seit auf der Wiese neben seinem Elternhaus gebaut wurde, hatte er zwei seiner vierbeinigen Sorgenkinder auf den heruntergekommenen Hof unten am Müllerbach umgesiedelt: Kolja, den Ackergaul, den er vor dem Schlachthof gerettet hatte, und dessen unzertrennlichen Gefährten, den Esel Mischa, der auf ein langes Leben im Zirkus Renz zurückblicken konnte. Schon lange vor den beiden hatte Simons geliebter Schah, von dem niemand so recht wusste, ob es sich nun eigentlich um einen Hund oder einen Wolf handelte, dort seine Heimat gefunden. Die Tiere lebten unter der Obhut von zwei schwerhörigen alten Leutchen, die Simon seit je Tante Elswig und Onkel Wilhelm nannte, obwohl er mit ihnen gar nicht verwandt war. Neuerdings verbrachte Simon wieder mehr Zeit auf dem Wolfshof. Seit er aus seinem komischen Bogenschützenverein ausgetreten war, trainierte er regelmäßig mit seinem amerikanischen Rosenholz-Jagdbogen auf der Wiese hinter der Scheune.
Motte wählte MMs Nummer. Sie hatte in Englisch genauso wie in allen anderen Fächern noch nie was anderes als eine Eins gehabt.
„Was sagst du da?“, fragte sie ihn ungläubig. „Die Mafia auf der Spur der Supercomputer?“
Keine fünf Minuten später war sie bei ihm. Sofort arbeitete sie sich leise murmelnd durch den Text:
Moderne Computertechnologie scheint zunehmend ins Visier international operierender Verbrecherbanden zu geraten. In den letzten Jahren registriert die Polizei eine besorgniserregende Zunahme von Straftaten, die mit dem Ziel verübt werden, in den Besitz von entsprechendem Wissen und Know-How zu kommen.
Wie eine internationale Expertengruppe der Polizei Interpol auf einem Kongress in Adelaide in Australien verlauten ließ, stehen insbesondere superschnelle Großrechner im Visier internationaler Verbrecherbanden. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, im Internet an hochgeheime, verschlüsselte Daten zu gelangen, wie sie etwa für den Bau von Atombomben notwendig sind. Es wird befürchtet, dass solche Informationen auf diesem Weg in die Hände von Terroristen gelangen könnten.
MM schaute ihn mit großen Augen an. Für kurze Zeit vergaß er alles, was er gerade gehört hatte, und sah nur diese blaugrünen Meeraugen. Er konnte es immer noch nicht gut ertragen. Er hatte zwar verstanden, dass sie mit ihm einfach nur befreundet sein wollte, aber Gefühle ließen sich eben nicht so leicht abstellen. Er war froh, als sie sich wieder über die Zeitung beugte.
Nach Angaben der Polizei häufen sich Einbrüche in Forschungslabors von Hightechfirmen und Universitäten. Besonders spektakulär war der Coup einer Einbrecherbande in Osaka (Japan), bei dem ein ganzes Institut leergeräumt wurde, ohne dass irgendwelche Spuren hinterlassen wurden. Ein Einbruchsversuch in einer Firma in Finnland, die an einer vielversprechenden Technik arbeitet, um Prozessoren zu beschleunigen, konnte vom werkseigenen Wachdienst in letzter Minute vereitelt werden. Die Täter konnten zwar festgenommen werden, die Hintermänner sind jedoch bis heute nicht ermittelt worden. Bei einem weiteren Einbruch bei National Semiconductor in Kalifornien wurden geheime Pläne für Spezialchips entwendet, bei denen erstmals eine neu entwickelte Beschleunigungstechnik zum Einsatz kam. Auch hier von den Tätern keine Spur.
Wie bei uns, dachte Motte.
„Wie bei uns“, sagte MM leise.
3. KAPITEL
Der Meister
MM stürmte die Treppe hoch. Zum Glück war Tati schon da. Sie drückte ihm die Zeitung in die Hand. „Unten links.“
Die Furchen auf Tatis Stirn wurden immer tiefer, je weiter er las. „Wo hast du das denn her?“, murmelte er, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen.
„Horsti, Englischhausaufgaben.“
„Das muss unbedingt die Polizei erfahren!“, sagte er, als er fertig war. „Und der Direx genauso!“ Er blickte auf die Uhr. „Der wollte sowieso gleich noch vorbeikommen.“
In dem Moment klingelte es an der Tür, und kurz darauf stand der Universitätsdirektor vor ihnen. Mit seinen zwei Metern, dem zerzausten Blondschopf und den Sommersprossen im Gesicht sah er aus wie ein großer Junge. „Hallo, Marienhoff!“ Er strahlte Tati mit einem breiten Lächeln an und fasste ihn freundschaftlich an die Schulter.
Seit MM denken konnte, sprach der Direx Tati mit dem Nachnamen an, obwohl sie eigentlich per Du waren. Tati nannte ihn immer „Direx“, was sicher auch damit zu tun hatte, dass er mit Nachnamen Pullermann und mit Vornamen Erwin hieß.
Wortlos hielt Tati ihm den Artikel hin.
Der Direx schüttelte beim Lesen immer wieder fassungslos den Kopf. Am Ende sagte er „Das muss gleich die Polizei erfahren! Wo hast du das her?“
Tati deutete auf MM.
„Wie, du hast das ausgegraben?“
„Nein. Ein Freund aus der Klasse ist drauf gestoßen, durch Zufall – Horsti ... ähm ... Herr Horstmann ... hat uns für die Hausaufgaben seine alten Herald Tribune-Nummern ausgeteilt.“
„Kann ich die Zeitung mitnehmen, für die Polizei?“
„Ähm – dann könnte Motte ein bisschen Schwierigkeiten kriegen, er hat noch nicht mal angefangen ...“
„Ach, lass mich mal machen, ich ruf Herrn Horstmann an, das kriegen wir schon geregelt“, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, bevor er mit Tati in dessen Arbeitszimmer verschwand. Der Direx gehörte zu den Menschen, die man einfach sympathisch finden musste. Er strahlte eine Natürlichkeit aus, die man von einem hohen Tier wie ihm nicht erwartet hätte. Er fuhr immer noch den alten klapprigen VW Käfer aus seinen Studententagen. „Ich habe mir damals geschworen, nicht abzuheben“, hatte er Tati einmal erzählt, und das war ihm offenbar gelungen. Er steckte sein Geld lieber in die Kunst. Er hatte immer eine Schar mehr oder weniger brotloser Künstler um sich herum, für die er hingebungsvoll Ausstellungen und Lesungen organisierte, und denen er, wenn nötig, auch finanziell unter die Arme griff, indem er ihnen Kunstwerke abkaufte oder Geld zukommen ließ. In seinem Haus in der Glockengießer Straße sah es aus wie in einem Museum. Selbst sein Wochenendhäuschen in der Kleingartensiedlung hatte der Direx noch mit Skulpturen vollgepackt. MM erinnerte sich an eine Statue, die ihr als Kind immer Angst gemacht hatte, wenn Tati sie zu den Grillpartys mitgenommen hatte, die der Direx gerne mit seinen Künstlern veranstaltete: ein riesige bleiche Figur aus Marmor, die anstelle von Armen zwei merkwürdige Rüssel hatte.
„Und? Hat er gesagt, wie weit die Polizei bei ihren Ermittlungen ist?“, fragte MM, als der Direktor aus dem Haus war.
„Nichts“, sagte Tati mit einem Seufzer. „,Wir sind gerade noch bei der Auswertung der Spuren‘, hieß es bei der Polizei – was so viel bedeutet, wie dass sie nicht die geringste Spur haben. Keine Fingerabdrücke, keine Zigarettenkippen, nichts. Sie haben eine Belohnung von zehntausend Euro ausgesetzt, vielleicht bringt das ja den Durchbruch.“
„Und Niko?“, fragte sie vorsichtig. „Was ist bei dem Verhör rausgekommen?“
„Nichts – wie ich es ja von Anfang an gesagt habe.“ Er machte eine Pause. „Weißt du, ich kenne ihn jetzt fast schon länger, als ich dich kenne – und ein bisschen Menschenkenntnis hab ich ja auch.“
„Aber meine Freunde denken alle ...“, rutschte es ihr heraus.
Tati schaute sie von der Seite an. „Ihr seid doch nicht etwa wieder am Ermitteln? Du