Motte und Co Band 2: Auf der Jagd nach Giant Blue. Ulrich Renz

Motte und Co Band 2: Auf der Jagd nach Giant Blue - Ulrich  Renz


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das besser der Polizei, die ist dafür da.“

      „Ja“, sagte sie, so leise, dass er es bestimmt nicht gehört hatte. Eigentlich überließen sie ja auch alles der Polizei. Nur dass sie sich eben auch noch ihre eigenen Gedanken machten.

      Woher war sich Tati eigentlich so sicher, dass Niko nichts mit der Sache zu tun hatte?, ging es ihr an diesem Abend immer wieder durch den Kopf, während sie über ihrer täglichen Ration Japanischvokabeln saß. Seine Menschenkenntnis, schön und gut. Aber was wusste er eigentlich wirklich über Niko? Klar, Tati schätzte ihn, weil er ein hochintelligenter, fleißiger und zuverlässiger Mitarbeiter war. Aber woher sollte er wissen, was Niko außerhalb seiner Arbeit trieb? Tati war viel zu zurückhaltend, um sich für das Privatleben seiner Mitarbeiter zu interessieren. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, dass die Jungs ihn etwas näher unter die Lupe nahmen.

      Besonders viel hatten sie bei ihrer großspurigen „Observierungsaktion“ allerdings noch nicht herausbekommen. Irgendwie schien sich Niko immer wieder in Luft aufzulösen – behaupteten sie jedenfalls. Vielleicht stellten sie sich auch nur etwas ungeschickt an. Das erste Mal war er ihnen auf seinem Fahrrad jedenfalls schlichtweg davongefahren, als sie ihn auf dem Heimweg von der Uni beschatten wollten. Selbst Simon musste nach ein paar hundert Metern die Segel streichen.

      „Wie um alles in der Welt kann ein Computerfritze so fit sein?“, beklagte sich JoJo in der Lagebesprechung. Besonders ärgerlich fanden die Jungs es, dass Nikos „Fortbewegungsmittel“ ein halb verrostetes Vorkriegsmodell von einem Fahrrad war, dessen modernster Bestandteil in einem gelben Quietscheentchen bestand, das Niko als Klingel benutzte. („Alles Tarnung“, war sich JoJo gleich sicher, wobei er offen ließ, was ein Kinderspielzeug an einem altersschwachen Fahrrad mit Tarnung zu tun haben sollte.) Immerhin hatten die Jungs inzwischen herausgefunden, dass Niko irgendwo in der Bornkamp-Siedlung wohnte, wo er ein einfaches Zimmer bei einer älteren Dame gemietet hatte (auch dahinter witterte JoJo natürlich eine Tarnung).

      Warum war sie eigentlich nicht schon vorher darauf gekommen?, durchfuhr es MM plötzlich. Sie schmiss ihr Japanischbuch in die Ecke und schaltete Quick Blue an. Ungeduldig starrte sie auf den Bildschirm, bis der Rechner hochgefahren war, dann hämmerte sie „Niko Baumann“ in die Tasten. Als die Trefferliste erschien, musste sie sich erst einmal die Augen reiben – 15470 Treffer!

      Automatisch klickte sie den ersten an.

      Niko Baumann zum dritten Mal Meister im TINJAKU TJADô DôKô.

      TINJAKU TJADô DôKô? Dass es sich bei dem Meister wirklich um ihren Niko handelte, sah sie sofort auf dem Bild: zwei Männer in weißen Judo-Anzügen, einer davon mit Pferdeschwanz, unverkennbar Niko.

      Hastig klickte sie den nächsten Eintrag an.

      Niko Baumann überlegener Gewinner des TINJAKU TJADô DôKô-Turniers in Gelsenkirchen

      Auch bei den nächsten Stellen ging es um irgendwelche Turniersiege, die Niko errungen hatte. Mit wachsender Erregung tippte sie „TINJAKU TJADô DôKô“ ein.

      TINJAKU TJADô DôKô gehört zu den härtesten asiatischen Kampfsportarten. Der Name stammt aus einem alten nordkoreanischen Dialekt und bedeutet „kräftiger Wind“. Dabei kommen die verschiedensten Schlag-, Stoß-, Wurf- und Tritttechniken zum Einsatz. TINJAKU TJADô DôKô gehört zu den sogenannten „realistischen Verteidigungstechniken“ – also den Kampfsportarten, bei denen der Gegner im Ernstfall wirklich außer Gefecht gesetzt werden soll. Dabei kommt es jedoch nicht so sehr auf den Einsatz von Kraft an als auf die absolute Präzision der Bewegungsabläufe.

      In dem Moment klingelte das Handy. JoJo, wie sie mit einem Blick auf das Display feststellte.

      „Sag mal, weißt du, was TINJAKU TJADô DôKô ist?“, fragte er atemlos. Im Hintergrund hörte sie Mottes aufgeregte Stimme: „Mit so merkwürdigen Dächern auf dem O.“ Die Jungs hatten bei ihrer Observation also doch noch etwas herausgekriegt.

      „Wie kommt ihr denn auf dieses Tinjaku?“

      „Das führt jetzt zu weit“, sagte JoJo geheimnisvoll. „Die Observation des Observationsobjektes ... ähm ... von Niko zeigt die gewünschten Resultate. Es ist uns ... ähm Simon ... gelungen, dranzubleiben.“

      MM konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, während sie sich weiter durch das Netz klickte.

      „Niko trifft sich da mit irgendwelchen Typen, in der Seydlitzstraße, irgendwo unten in einem Keller, lauter Männer mit schweren Umhängetaschen. Irgendwas hecken die da aus. Und auf dem Klingelschild steht dieses Tinjaku-Dingsda ...“

      „TINJAKU TJADô DôKô“, murmelten jetzt alle drei. Es klang wie die Boygroup eines buddhistischen Klosters.

      „Sieht verdammt nach Geheimsprache aus“, bemerkte Motte.

      „Klarer Fall von einem Tarnnamen, wie die Mafia sie verwendet“, wusste JoJo.

      MM biss sich auf die Lippen. So ernst sie konnte, sagte sie: „Alter nordkoreanischer Dialekt. Heißt ‚kräftiger Wind‘.“

      Auf der anderen Seite herrschte ehrfurchtsvolles Schweigen.

      „Und was soll das sein?“, fragte JoJo endlich.

      „Sport. Die Typen machen Sport.“

      „Sport?“ Die Enttäuschung war JoJo anzuhören.

      „Na ja, kein ganz normaler Sport, ein Kampfsport.“ Sie las den Jungs den Artikel auf ihrem Bildschirm vor.

      „Das klingt doch hochverdächtig, Gentlemen“, platzte es aus JoJo heraus. „Wozu muss ein Computerfreak wissen, wie man Leute k.o. schlägt? Gentlemen ...“

      Sie ließ ihn nicht aussprechen, denn im selben Augenblick war sie schon auf einen anderen Artikel gestoßen.

      „Ich hab da was! Niko ist so etwas wie der Star der Szene, er ist sogar mal Weltmeister gewesen, vor drei Jahren ...“

      Im Finale in Los Angeles schlug Niko Baumann den hoch favorisierten Japaner Mitsushi, der seit zehn Jahren keinen einzigen Kampf verloren hatte. Dieses Duell ist in die Geschichte des TINJAKU TJADô DôKô eingegangen, wegen einer völlig neuen Technik, die Niko Baumann angewandt hat. Sie ist als „Baumann-Kick“ berühmt geworden – es handelt sich dabei um einen Hechtsprung knapp am Gegner vorbei, bei dem dieser durch einen Kick mit der Hacke in den Bauch und einem gleichzeitigen Handkantenschlag in den Nacken außer Gefecht gesetzt wird.

      „Hochverdächtig, Gentlemen“, grummelte JoJo wieder.

      „Was soll daran eigentlich so verdächtig sein?“, fragte MM. „Jeder Mensch hat irgendein Hobby, und Nikos Hobby ist eben dieses Tinjaku. Tausende von Menschen treiben irgendeinen Kampfsport, macht sie das etwa zu Verbrechern?“ Aber noch während sie redete, merkte sie, wie sie Zweifel an ihren eigenen Worten beschlichen. Tinjaku war alles andere als ein normaler Sport, und vielleicht war auch Niko anders, als sie bisher hatte wahrhaben wollen.

      4. KAPITEL

      Niko mochte ein gewalttätiges Hobby haben – sein Alltagsleben stellte sich allerdings als denkbar harmlos heraus, und daran konnte auch eine weitere Woche harter Beschattungsarbeit nichts ändern. Meistens war er bis spät abends im Institut, wo der Wiederaufbau bereits auf Hochtouren lief. An drei Abenden die Woche trainierte er in seinem Kampfsportverein, ansonsten blieb er brav zu Hause. Ein einziges Mal ging er abends mit einer Frau ins Kino, die sich als die Nachbarin von schräg gegenüber herausstellte. In dem Film ging es um das Leben der Pinguine.

      Langsam schienen sogar JoJo Zweifel zu kommen, ob Niko wirklich der Bösewicht war, für den sie ihn gehalten hatten. Auf einer denkwürdigen Lagebesprechung wurde das „Projekt Niko“ dann offiziell beerdigt.

      „Eigentlich können wir die ganzen


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