Tibor 8: Expedition in die Urzeit. Achim Mehnert

Tibor 8: Expedition in die Urzeit - Achim  Mehnert


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der Gary Swanson den Rücken gekehrt hatte.

      »Vor uns liegt die Schlucht.«

      Die Stimme des Medizinmannes riss Tibor aus seinen Gedanken. Die beiden Raks flogen nebeneinander, ihre Flügelspitzen kaum ein paar Armlängen voneinander entfernt. Tibor nahm die Zügel ein wenig straffer, um sein fliegendes Reittier zu bremsen.

      »Ein Glück«, antwortete er. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.«

      »Wenn die Götter es wollen, wird dein Freund leben«, sagte der Medizinmann.

      Manchmal wünschte Tibor, er hätte dasselbe Gottvertrauen wie die Einheimischen. Er lenkte den Rak in die Schlucht hinunter, wo zwei winkende Menschen seine Aufmerksamkeit erregten. Es waren Gemal und Urak. Dort, wo sie standen, zeichneten sich in der Felswand schwarze, gähnende Löcher ab, die Zugänge zu den Höhlen. An einigen Stellen brachen angespitzte Pfähle aus dem Fels hervor.

      »Die Raks können auf den Pfählen landen. Dort können wir gefahrlos absteigen.«

      Die Reiter lenkten die Flugsaurier zu den im Gestein verankerten Stämmen. Einmal mehr zeigte sich das gute Verständnis der Echsen. Die Ogks hatten die Tiere, mit deren Hilfe sie auf die Jagd gingen, ausgezeichnet dressiert. Gemal und Urak erwarteten Tibor mit sichtlicher Ungeduld.

      »Wie geht es dem Verwundeten?«, wollte der Sohn des Dschungels wissen.

      »Er ist ganz heiß und hat großen Durst«, sagte Gemal. »Kerak ist losgegangen, um Wasser zu holen. Wir warten auf seine Rückkehr.«

      »Gut.« Wenn Kerak sich etwas vornahm, war Verlass auf ihn. Es konnte also nicht lange dauern, bis er mit Wasser eintraf.

      Der Medizinmann nahm seine Utensilien vom Rücken des Raks und sie begaben sich in die Höhle, in der der verletzte Forscher lag. Er war ohne Bewusstsein. Sein Atem ging flach, seine Brust hob und senkte sich kaum merklich. Hin und wieder zuckten seine geschlossenen Augenlider.

      »Endlich kommst du, Tibor«, zeterte Pip aufgedreht.

      »Sieh dir bloß den kranken Zweibeiner an«, plärrte Pop. »Er stirbt.«

      »Dobbs wird nicht sterben«, hörte Tibor sich sagen, obwohl er davon keineswegs überzeugt war. »Nun beruhigt euch wieder und stört den Medizinmann nicht.«

      Der Heiler der Ogks kniete neben dem Verwundeten nieder und machte sich an die Untersuchung. Tibor sah auf, als Kerak die Höhle betrat.

      »Hier ist Wasser«, verkündete der große Affe in der Sprache der Tiere. »Ich habe es in großen Blättern gesammelt.«.

      »Genau darauf haben wir gewartet, mein Freund«, lobte Tibor den Gorilla. »Ohne dich wären wir aufgeschmissen.«

      Kerak war genau im richtigen Moment gekommen. Der Medizinmann ließ von dem Verwundeten ab und erhob sich.

      »Wir zünden ein Feuer an. Ich brauche heißes Wasser, um meine Kräuter zu kochen.«

      Sofort machte er sich an die Arbeit. Er klaubte dürres Reisig zusammen und schichtete es zu einem kleinen Haufen auf. Es war nicht schwierig, den trockenen Zunder zu entfachen. Tibor platzierte Steine rings um die Brandstelle. Zwei Minuten später züngelten Flammen aus dem Reisig, die sich unter Zuhilfenahme von Gehölz rasch zu einem prasselnden Feuer ausweiteten. Tibor stellte den Kessel des Heilers auf die Steine und schüttete das Wasser hinein.

      »Reicht das? Sonst holen Kerak und ich noch mehr Wasser.«

      »Danke«, winkte der Medizinmann ab. Er warf seine Kräuter in den Topf und verrührte sie mit einem Ast. »Es genügt.«

      »Wird mein Freund leben?«, fragte Tibor.

      »Das wissen die Götter allein. Wir müssen vertrauen.« Während sich das Wasser zu erwärmen begann, ging der Medizinmann wieder in die Hocke, um seine Untersuchung des Verwundeten fortzusetzen. »Lasst mich jetzt allein mit ihm.«

      Tibor gab Kerak, Pip und Pop einen Wink. Zusammen mit Gemal und Urak verließen die Freunde die Höhle. Draußen ließen sie sich auf dem Boden nieder. Die Äffchen turnten über Keraks Rücken und nahmen auf seinen Schultern Platz.

      »Während du fort warst, sind Abals Krieger durch die Schlucht gezogen«, sagte Urak.

      Gemal kniff die Augen zusammen. »Beinahe hätten sie uns entdeckt.«

      »Aber sie sind weitergeritten, ohne sich um die Höhlen zu kümmern«, vermutete Tibor.

      Urak schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Sie waren schon aus den Sätteln gestiegen und wollten heraufkommen. Ich nehme an, sie beabsichtigten, in den Höhlen zu übernachten.«

      »Doch zum Glück kam ein Untier in die Schlucht gestampft«, fügte der Junge hinzu. »Es hat Abals Krieger vertrieben.«

      Tibor hatte eine Vermutung und sprach Kerak darauf an. Der Gorilla bestätigte seinen Verdacht.

      »Ich habe die Bösewichte näher kommen sehen, als ich Wasser holte. Zuerst wusste ich nicht, was ich tun soll, doch dann fiel mir der Gork ein.«

      Tibor lächelte. Keraks Hilfe und seine Umsicht waren unbezahlbar. »Das hast du gut gemacht. Ich hoffe nur, die Krieger sind nicht in der Nähe geblieben und sehen den aus der Höhle dringenden Rauch.«

      »Sie sind weit weg«, sagte der Gorilla. »Ich bin ihnen ein Stück gefolgt. Der Schreck ist ihnen so sehr in die Glieder gefahren, dass sie bestimmt erst wieder anhalten, wenn ihre Reittiere erschöpft sind.«

      »Hast du die Gefährtin des verwundeten Zweibeiners gesehen?«

      »Sie war auf ein Pferd gefesselt. Die Bösewichte haben sie mitgenommen.«

      In dem ganzen Durcheinander hatte Tibor noch keine Zeit gefunden, sich um die entführte Forscherin zu kümmern. Zumindest schienen die Krieger ihr bislang kein Haar gekrümmt zu haben.

      »Die arme Miss Hudson! Sicher steht sie tausend Ängste aus. Sobald ich weiß, wie es um den Professor steht, nehme ich mit Urak die Verfolgung auf.«

      *

      Wenig später trat der Medizinmann ins Freie. »Die Götter haben uns erhört, Tibor. Wir sind noch rechtzeitig eingetroffen. Der weiße Mann wird leben.«

      »Gott sei Dank.« Der Sohn des Dschungels atmete auf. »Wann können wir ihn in euer Dorf bringen?«

      »Das wird lange dauern. Er lebt, doch er muss geschont werden. Sein Körper verträgt die Erschütterungen eines Transportes von einem Ort an einen anderen nicht. Mindestens einen Monat, würde ich sagen.«

      »Vier Wochen?« Die Aussicht versetzte Tibors Tatendrang einen herben Dämpfer. Sollte er etwa so lange untätig herumsitzen? »Ich muss Miss Hudson helfen, bevor ihr ein schlimmes Schicksal zustößt.«

      »Es ist vielleicht nicht nötig, dass du bis zur Genesung des weißen Mannes hier wartest«, entgegnete der Medizinmann. »Der Häuptling hat bestimmt nichts dagegen, wenn zehn unserer Krieger hierherziehen. Sie versorgen deinen Freund mit allem, was er benötigt, bis er kräftig genug ist, dass wir ihn ins Dorf bringen können. Ich komme jeden zweiten Tag mit meinem Rak her und sehe nach ihm. Mehr können wir auch nicht für ihn tun, wenn du hierbleibst.«

      »Das wäre wunderbar, großer Medizinmann«, dankte Tibor dem Heiler. »Du nimmst mir eine große Last von der Seele.«

      »Ich mache mich nun auf den Weg.« Der Medizinmann stieg auf den Rücken der Flugechse. »Der Häuptling wird schon darauf warten, dass ich ihm berichte.«

      »Bitte ihn in meinem Namen darum, euren Kriegern zwei überzählige Raks mitzugeben. Mit ihnen kann ich die Feinde besser verfolgen.«

      »Ich werde dafür sorgen«, versprach der Medizinmann. »Morgen früh treffen die Krieger mit den Raks bei dir ein.«

      Er verabschiedete sich und ergriff die Zügel. Mit schwerem Flügelschlag erhob sich die Flugechse von dem Pfahl und flog davon. Kurz sah Tibor ihr hinterher, dann wandte er sich an Urak.

      »Ich


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