Tibor 8: Expedition in die Urzeit. Achim Mehnert

Tibor 8: Expedition in die Urzeit - Achim  Mehnert


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manchen Stellen wuchsen Gras, Farne und Blühpflanzen so hoch und dicht, dass die Gefährten sich mit Gewalt eine Passage durch das Dickicht bahnen mussten. Die nie verstummenden Stimmen des Urwalds begleiteten sie. Ausnahmsweise ließen sich Pip und Pop nicht tragen, sondern wuselten neugierig umher. Endlich lichtete sich die bodennahe Flora ein wenig.

      »Hier habe ich den Gork gezähmt, mit dem ich das Geröll vor der Höhle fortgeräumt habe«, erinnerte sich Kerak.

      Dabei fiel Tibor etwas ein. »Der Steinschlag war kein Zufall, oder?«

      »Nein«, gestand Urak. »Ich habe ihn ausgelöst, um Gemal zu schützen. Ich dachte doch, du willst ihn umbringen oder fortschleppen.«

      »Ich habe etwas entdeckt«, meldete sich Pip. »Hier sind seltsame Spuren.«

      Tibor eilte zu dem Äffchen und ging in die Hocke. Eine kurze Untersuchung des Bodens versetzte ihn in Erstaunen. »Bei allen Geistern! Das sind die Abdrücke von beschlagenen Pferdehufen.«

      Urak schaute sich argwöhnisch um. »Also doch! Abals Krieger verfolgen uns. Sie halten sich irgendwo in der Nähe auf.«

      Tibor stimmte ihm zu, denn er fand keine andere Erklärung. »Kein Stamm, der mir bekannt ist, hält Pferde und schon gar keine beschlagenen. Eigentlich sind Pferde in diesem Gebiet völlig unbekannt.«

      Eigentlich. Und dennoch existierten die Abdrücke.

      »Hilf mir, nach weiteren Spuren zu suchen«, bat Urak. »Ich muss wissen, wie viele Krieger Abal uns nachgeschickt hat.«

      Es dauerte nicht lange, bis sie fündig wurden.

      »Es waren drei Pferde«, deutete Tibor die Abdrücke. »Mit drei Gegnern werden wir leicht fertig, besonders mit Keraks Unterstützung. Aber vielleicht war es nur ein Spähtrupp, der das Gelände erkundet.«

      »Ja, das befürchte ich. Lass uns die Spur zurückverfolgen, Tibor. Ich brauche Gewissheit.«

      »Geht ohne mich.« Tibor durfte nicht noch mehr Zeit verlieren. »Ich finde keine Ruhe, solange ich mich nicht vergewissert habe, dass meine Gefährten wohlauf sind. Kerak bleibt bei euch. Er wird euch rechtzeitig vor jeder Gefahr warnen.«

      Urak bedankte sich. »Wir folgen dir, sobald wir Bescheid wissen.«

      Tibor schärfte Kerak und den Äffchen ein, die beiden Zweibeiner nicht aus den Augen zu lassen und dafür zu sorgen, dass ihnen nichts zustieß. In aller Eile machte er sich auf den Weg zu dem Felsenhügel, wo er die beiden Forscher zurückgelassen hatte.

      *

      Tibors ungutes Gefühl verstärkte sich, während er sich von Liane zu Liane schwang. Einerseits war Dobbs ein zielstrebiger Mann, der sich seiner Aufgabe mit ganzer Leidenschaft verschrieben hatte, andererseits erwies er sich in seinem Forscherdrang zuweilen als zu leichtsinnig. Dann ließ er Vernunft und Augenmaß vermissen, wodurch er nicht nur sich selbst, sondern auch andere in Gefahr brachte. Wie beispielsweise Miss Hudson, die ihrem Chef auf Schritt und Tritt folgte. Hoffentlich kamen die beiden nicht auf die Idee, den Sauriern auf eigene Faust hinterherzuschleichen. Keraks Befürchtung klang Tibor noch in den Ohren.

      Der Sohn des Dschungels war noch nicht weit gekommen, als ihm ein Schrei folgte. Er stammte von Kerak. Der Gorilla würde ihn nicht grundlos alarmieren, daher blieb Tibor nichts anderes übrig, als seine Unruhe zu zügeln und umzukehren. Er verharrte in einer Baumkrone, drehte sich um, ergriff eine Liane und kehrte auf dem Weg zurück, den er gerade hinter sich gebracht hatte.

      Schon wieder hallte Keraks Schrei durch den Dschungel. Er kam nicht von da, wo Tibor den Gorilla und dessen Schutzbefohlenen verlassen hatte. Anscheinend hatten sie bei ihrer Suche etwas entdeckt.

      Das hatten sie tatsächlich, doch nicht Abals Berittene.

      »Allmächtiger!«, entfuhr es Tibor. Keraks Befürchtung bewahrheitete sich. »Professor Dobbs!«

      Der Forscher lag auf einer kleinen Lichtung, umringt von Kerak, den Äffchen, Urak und Gemal. Er rührte sich nicht. Tibor fürchtete das Schlimmste. Von Miss Hudson war nichts zu sehen. Anscheinend war der Professor zumindest so vernünftig gewesen, seine Assistentin nicht mit auf seinen Alleingang zu nehmen. Tibor ließ sich an der Liane hinab.

      »Ist er … tot?«

      »Nein«, antwortete Urak. »Er atmet, aber schwach. Wir sind den Spuren der Pferde gefolgt, da haben wir ihn gefunden.

      Gemal ließ die Mundwinkel hängen. »Der Mann hat eine tiefe Wunde in der Brust. Sie stammt von einem Speer. Wir haben sie zwar notdürftig verbunden, aber das wird nicht reichen. Es sieht nicht gut aus.«

      »Soll ich Kräuter für seine Wunde sammeln?«, bot Kerak an.

      Tibor ging in die Hocke und unterzog den Verletzten einer flüchtigen Untersuchung. »Die werden leider nicht helfen. Die Wunde ist zu schwer. Der Professor muss sofort in fachkundige Hände.« Doch woher sollten die in dieser Gegend fernab der Zivilisation kommen? Tibor kam der rettende Einfall. »Bei den Ogk-Menschen. Ihr Medizinmann kann beinahe Wunder bewirken. Ich bringe den Professor zu den Ogks. Kerak, lauf und hole den Gork. Er muss noch in der Nähe sein. Wir legen den Zweibeiner auf seinen Rücken.«

      Nachdenklich sah Tibor dem davoneilenden Gorilla hinterher. »Ich möchte nur wissen, wie Dobbs hierhergelangt ist.«

      »Der Zweibeiner war nicht allein«, riss Pip ihn aus seinen Gedanken. »Wir haben auch die Spuren seiner Gefährtin gefunden.«

      Tibor schreckte in die Höhe. »Was? Ist das wahr?«

      »Leider ja. Es sieht so aus, als ob die Fremden sie auf eins ihrer Reittiere gezerrt haben.«

      »Zeige mir die Spuren, Pip.«

      Das Äffchen tat, wie ihm geheißen. Tibors Begutachtung der Spuren bestätigte Pips Behauptung. Die Berittenen hatten Miss Hudson verschleppt. Das fehlte noch zu allem Überfluss. Wie sollte er gleichzeitig den Professor zu den Ogks bringen und sich auf die Spur der Entführer setzen? Er wagte nicht, sich vorzustellen, was die Reiter mit der jungen Frau anstellen würden. Das Schlimmste war, das es nicht mehr nur die drei Pferdespuren von vorher waren. Wie befürchtet, hatte sich der Rest der Truppe den drei Spähern angeschlossen.

      Tibor merkte auf, als sich Urak und der Junge entfernten. »Wohin wollt ihr?«

      »Wir können nicht länger bleiben«, bedauerte Urak. »Nach den Spuren zu urteilen, hat Abal mindestens zwanzig Krieger ausgesandt, um Gemal und mich zu fangen. Jede weitere Minute, die wir zögern, bringt sie uns näher. Wir müssen fort.«

      »Wartet!«, verlangte Tibor. »Ihr müsst mir erzählen, wohin sie reiten. Die junge Frau, die sie mitgenommen haben, steht unter meinem Schutz. Ich muss sie befreien.«

      »Was willst du allein gegen Abals Krieger ausrichten?« Urak war nicht zu überzeugen. Er zog Gemal hinter sich her. »Vergiss die Frau! Sie hätte nicht herkommen sollen. Sie ist verloren.«

      Im Wald knackte und krachte es. Zwischen den Bäumen tauchte der Triceratops auf. Kerak saß in seinem Nacken und lenkte ihn.

      »Hier ist der Gork. Du hattest recht. Er war noch nicht weit weg.«

      »Gut gemacht, Kerak.« Tibor unternahm einen weiteren Versuch, Urak und Gemal zum Bleiben zu bewegen. »So nehmt doch Vernunft an. Ich bitte euch.«

      Sein Appell war sinnlos. Die Furcht vor Abals Reitern trieb Urak. Der Sohn des Dschungels war der Verzweiflung nahe. Wie sollte er Miss Hudson ohne Hilfe finden? Er hatte keine Ahnung, wo er nach ihr suchen sollte. Außerdem musste der Professor so schnell wie möglich zum Medizinmann der Ogks, sonst starb er Tibor unter den Händen weg. Er wandte sich an den Gorilla.

      »Bettet den Zweibeiner vorsichtig auf den Rücken des Gork und reitet mit ihm zu den Ogks. Ich hole euch unterwegs ein. Nun mach schon, Kerak! Es steht nicht gut um den Zweibeiner.«

      Der Gorilla starrte ihn an. »Was hast du vor?«

      »Ich halte Urak und Gemal auf.« Tibor lief los.

      *

      Weit


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