Tibor 8: Expedition in die Urzeit. Achim Mehnert

Tibor 8: Expedition in die Urzeit - Achim  Mehnert


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machte mit lautem Geschrei auf sich aufmerksam. »Kommt hierher! Ich habe etwas gefunden!«

      Tibor lief über den Sims und ging in die Hocke. Etwas lag zwischen den Steinen. »Sieh an, das ist der Faden, der den Rollschinken zusammengehalten hat. Gut aufgepasst, Pip! Ohne deine guten Augen wären wir daran vorbeigeklettert. Unser Besucher muss gewaltigen Hunger gehabt haben, sonst hätte er sich zunächst in Sicherheit gebracht, statt sich so nah am Lager über seine Beute herzumachen.« Tibor erhob sich wieder und sah sich um. »Dort drüben ist der leichteste Abstieg. Der Unbekannte wird diesen Weg gewählt haben, um hinunterzugelangen.«

      Die Freunde stiegen bis zum Grund hinab. Der Felsenhügel war umgeben von weichem Erdreich. Es dauerte nicht lange, bis Tibor fand, wonach er Ausschau hielt. Jemand war hier gewesen.

      »Was habe ich euch gesagt? Spuren nackter Füße.«

      »Sehr kleiner Füße«, sagte Pip.

      »Ja, das ist seltsam. Entweder leben in dieser Gegend kleinwüchsige Menschen, die ich noch nicht kenne, oder die Abdrücke stammen von einem Kind.«

      »Du meinst, von einem Ogk-Kind?«

      »Ja.«

      »Wie sollte ein Ogk-Kind hierherkommen?«

      Tibor hatte keine Antwort auf Pops Frage. »Vielleicht hat es sich verirrt. Ich hoffe, wir erfahren es bald. Folgen wir den Spuren! Sie scheinen dort drüben entlangzugehen.«

      Die Abdrücke ließen sich leicht verfolgen. Sie führten auf einen weiteren Hügel zu. Der Dieb verwischte seine Spuren nicht. Er rechnete offensichtlich nicht damit, verfolgt zu werden. Plötzlich hielten die Äffchen inne und lauschten.

      »Leise«, zischte Pip. »Jemand verbirgt sich im Gebüsch.«

      »Er schmatzt unüberhörbar«, wisperte Pop. »Unser Besucher verschlingt den Rest der Lebensmittel. Eine gute Gelegenheit, um ihn zu erwischen.«

      »Wartet!«, mahnte Tibor die Äffchen.

      Sie hörten nicht auf ihn. In ihrer typischen vorwitzigen Art rannten sie los und sprangen zwischen die Büsche. Im nächsten Moment kreischten sie um Hilfe. Tibor konnte es ihnen nicht verdenken. Sie waren geradewegs auf einen fleischfressenden Raubsaurier gestoßen. Er schnappte gierig nach ihnen. Da er sie verfehlte, sprang er brüllend aus dem Buschwerk hervor. Tibor brachte sich mit einem geistesgegenwärtigen Sprung in Sicherheit. Der wütende Raubsaurier stapfte mit aufgerissenem Maul an ihm vorbei. Der Boden zitterte unter den mächtigen Pranken des grünen Giganten.

      ZWEI

      Auf der anderen Seite des Felsenhügels, auf dem die Zelte standen, äste eine Gruppe Brontosaurier am Ufer eines Sees. Ihre langen Hälse ragten über die Baumriesen hinaus. Unermüdlich rissen die Saurier Blattwerk aus den Kronen und fraßen sich daran satt.

      »Ein unglaubliches Schauspiel!« Professor Dobbs war völlig in seinem Element. »Der Anblick von hier oben ist überwältigend. Alles ist im Urzustand verblieben. An diesem Ort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Schnell, geben Sie mir die Kamera, Miss Hudson. Ich will ein paar Schnappschüsse in den Kasten bekommen. Würden wir das alles erforschen wollen, müssten wir bis an unser Lebensende bleiben.«

      »Gott behüte!« Die Assistentin reichte ihrem Chef die Kamera. »So eine fanatische Forscherin bin ich nicht. Ich gehe unserer Expedition gerne nach, doch was zu viel ist, ist zu viel. Ich habe keine Lust, bis an mein Lebensende hierzubleiben.«

      Dobbs lachte. »Keine Sorge, ich will auch zurück in die Zivilisation. Wir verschaffen uns lediglich einen Überblick, der die Grundlage für spätere Expeditionen bildet. Sie werden viel besser ausgerüstet sein, als wir es heute sind.«

      »Spätere Expeditionen?«, fragte Miss Hudson. »Die wird es nicht geben. Wir wollen das Material doch für uns behalten. Oder haben Sie Ihr Tibor gegebenes Versprechen vergessen?«

      »Ich habe es nicht vergessen, aber ich fühle mich auch nicht daran gebunden. Es wurde mir von Tibor abgezwungen. Er ließ mir gar keine andere Wahl, als zuzustimmen. Deshalb fühle ich mich nicht zur Einhaltung dieses Versprechens verpflichtet.«

      »Tibor ist bestimmt anderer Ansicht.«

      »Meinetwegen. Das kann ich nicht ändern.« Dobbs winkte ab und brachte die Kamera in Anschlag. »Jeder hat seine eigene Sichtweise. Für mich geht es darum, all den Skeptikern unleugbare Beweise vorzulegen. Deshalb sammeln wir genügend Material, mit dem ich meine Theorien bei meinen Kollegen untermauern kann. Stellen Sie sich die Sensation auf einem wissenschaftlichen Kongress vor, wenn ich den Zweiflern meine Filmaufnahmen vorführe.«

      Die blonde Frau schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Tibor wird Ihnen nicht gestatten, Filme aus dem Gebiet hinauszubringen.«

      »Das werden wir noch sehen. Er wird mich sicher nicht mit Gewalt daran hindern. Die ersten beeindruckenden Bilder habe ich jedenfalls im Kasten.« Dobbs ließ die Kamera sinken. »Kommen Sie, wir pirschen uns näher heran. Ich will einige Großaufnahmen von den Brontosauriern machen.«

      »Halten Sie das für eine gute Idee, Professor? Tibor sagte doch …«

      »Tibor, immer wieder Tibor«, fiel der Forscher seiner Assistentin ins Wort. »Ich kann den Namen bald nicht mehr hören. Wer weiß, wie lange er hinter dem Unbekannten her ist! Wollen Sie etwa so lange Däumchen drehen? Na, sehen Sie! Brontosaurier sind Pflanzenfresser. Sie sind ungefährlich für uns. Wir klettern hinunter und schießen sensationelle Bilder.«

      Miss Hudson gab ihren Widerstand auf. Wenn ihr Chef sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich nur schwer davon abbringen. Sie begab sich zum Rand des Felsenhügels und kletterte hinter dem Professor her.

      *

      Kerak hatte Bananen und andere Früchte gepflückt. Es waren so viele, dass er sie kaum tragen konnte. Sie reichten aus, um alle im Lager satt zu machen. Geschickt kletterte der Gorilla zum Lager hinauf und legte die Früchte auf dem Boden ab.

      Bei den Zelten herrschte Stille. Sie waren verlassen. Kerak grunzte laut, um die Zweibeiner auf sich aufmerksam zu machen, doch sie meldeten sich nicht. Sie hatten das Lager verlassen, begriff er. Kerak kratzte sich ratlos am Kopf. Tibor hatte ihnen ausdrücklich gesagt, sie sollten auf seine Rückkehr warten. Wieso nur hatten sie nicht auf ihn gehört? Der Hilfsbereite war klug. Wenn er etwas befahl, dann hatte er seine Gründe dafür. Wer seine Warnungen ignorierte, der war selbst schuld.

      Kerak machte sich Vorwürfe. Wäre er doch nur schneller wieder im Lager gewesen, um die Zweibeiner aufzuhalten! Er fürchtete, dass sie in Gefahr gerieten, wenn Tibor sie nicht begleitete. Wie unvernünftig sie doch waren!

      Da Kerak nicht wusste, in welche Richtung sie aufgebrochen waren, lief er am Rand der Felsen entlang. Vielleicht konnte er sie von oben ausmachen und ihnen folgen, bevor ihnen etwas zustieß.

      Schließlich entdeckte er sie. Sie hielten sich am Ufer eines Sees auf, an dem riesige Echsen an den Kronen der Bäume ästen. Der eine Zweibeiner hielt etwas in der Hand, das Tibor als »Kamera« bezeichnete. Man konnte damit von allem, was man sah, Bilder machen. Anfangs hatte der große Affe sich vor solchen Geräten gefürchtet, doch da Tibor keine Angst davor hatte, hatte auch Kerak keine.

      Die Zweibeiner schlichen immer näher an die Saurier heran. Ein einziger Tritt der Riesen konnte sie zermalmen.

      Sie müssen nicht ganz richtig im Kopf sein. Diese Worte hatte Tibor einmal benutzt und Kerak wusste, was sie bedeuteten.

      *

      Die Hälse der Brontosaurier reckten sich in die Baumkronen, ihre Körper waren von den Bäumen verdeckt. Die Perspektive war noch schlechter als oben auf den Felsen. Professor Dobbs bekam immer nur einen Ausschnitt der Urzeittiere in den Erfassungsbereich seiner Kamera. Es gelang ihm nicht, sie in ganzer Pracht aufzunehmen. Enttäuscht ließ er die Kamera sinken.

      »So wird das nichts. Bäume und Pflanzen sind im Blickfeld und verdecken die Saurier«, murmelte er enttäuscht. Der Forscher sah sich suchend um und entdeckte


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