Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha
Eben tritt Aline in die Kammer. Interessiert sieht sie Magda bei der Arbeit zu.
»Woher hast du denn das Leinen?« fragt sie. »War es noch im Hause?«
»Das Leinen?« entgegnet Magda. »Das haben wir in Freiberg gekauft, als wir in der Stadt waren.«
»Meine Schwiegermutter?«
In Alines Augen blitzt es auf. Sie wird es von ihrem Gelde bezahlt haben, überlegt sie.
»Dann ist es gut«, setzt sie hinzu, geht zurück in ihr Zimmer und nimmt an ihrem Schreibtisch Platz.
Dort kramt sie in ihren Papieren, nimmt dann die neue Abrechnung zur Hand, die sie Hanno noch nicht vorgelegt hat, und setzt unter die Endsumme noch einen Betrag für Leinen.
Ohne Bedenken nimmt sie diesen neuen Betrug vor, denn ihrer Meinung nach kümmert Hanno sich nicht um dergleichen Anschaffungen, und was Frau Christine von sich aus zuschustert, geht ihn schließlich nichts an.
Nach dem Morgenkaffee geht Aline in Hannos Arbeitszimmer, legt die Abrechnung auf seinen Schreibtisch und huscht dann schnell wieder davon.
*
In dem Verhältnis der beiden Ehegatten ist inzwischen eine wesentliche Besserung eingetreten. Man hat den Eindruck, als hätten sie bisher in einem Kriegszustande gelebt, der nunmehr beendet ist. Sie begegnen sich jetzt freundlich, und es gibt keine unliebsamen Reibereien mehr.
Frau Christine atmet heimlich auf, und auch Magda ist von Herzen froh darüber.
Magda sitzt in ihrer Kammer, mit ihrer Näharbeit beschäftigt.
Von Zeit zu Zeit wirft sie durch das niedrige Fenster einen Blick hinaus in den herbstlich bunten Garten. In verschwenderischer Fülle blühen in ihm Astern in allen Farben und Größen.
»Grüß Gott, Magda!« schlägt, wie aus weiter Ferne kommend, Hannos Stimme auf einmal an ihr Ohr.
Er ist bei ihr eingetreten, ohne daß sie dessen gewahr geworden wäre.
Unwillkürlich läßt sie die Arbeit sinken und schaut ihn beinahe ängstlich an.
»Habe ich dich erschreckt? Dann verzeih mir, bitte.«
Ein Stück von ihr entfernt nimmt er Platz, keinen Blick von ihrem süßen Gesicht lassend.
»Ich möchte nur eine Auskunft von dir haben, Magda.« Erweist dabei auf den Stapel Leinen. »Sind davon mehrere Ballen gekauft worden?«
»Mehrere Ballen?« Magda muß sich erst auf das Geschäftliche umstellen. Sie war zu sehr von schönen Träumen eingesponnen. »Nein, außer diesem einen da haben wir nichts mitgebracht.«
»Aline auch nicht?« fragt er weiter.
»Nein.«
»Kannst du mir dann erklären, weshalb dieser Posten hier nochmals aufgeführt ist?«
Er hält ihr die letzte Abrechnung entgegen, die Magda zögernd in die Hand nimmt.
Vor ihren Augen verschwimmen die Zahlen. Nach und nach erst kommt sie zur Ruhe und liest nun aufmerksam. Dabei werden ihre Augen groß und weit.
Mein Gott! Das ist doch nicht ihre Abrechnung? Sie weiß wohl, daß Aline diese nochmals abzuschreiben pflegt; sie weiß aber nicht, daß Aline ganz andere Zahlen eingefügt hat. Der Betrag ist um ein Beträchtliches höher als der von ihr angegebene.
In Magdas Antlitz ist kein Tropfen Blut mehr, und ihre Augen glänzen dunkel vor Erregung. Krampfhaft sucht sie nach irgendeiner belanglosen Ausrede.
»Dann wird es schon stimmen«, preßt sie mit Aufbietung aller Kraft hervor.
Hanno steht dabei und lächelt bitter.
»Es ist gut, Magda, ich danke dir.«
Mit kurzem Gruß verläßt er sie, um wieder in sein Arbeitszimmer zurückzukehren. Er sieht nicht, daß Aline, seine junge Frau, mit sehreckensbleichem Gesicht an der Wand im Flur lehnt und – nachdem Hanno hinter der Tür seines Zimmers verschwunden ist – zu Magda hinstürzt.
»Verrate mich nicht, Magda! Ich bitte dich um alles in der Welt, verrate mich nicht!«
Sie fällt ihr fast vor die Füße, umklammert hilfesuchend ihre Hände.
Magda selbst ist wie gelähmt, so daß sie Aline nicht einmal von sich stößt. Sie kämpft mit dem Gefühl unsäglichen Ekels, während Aline sinnlos und überstürzt weiterspricht:
»Magda – hilf mir! Ich habe Hanno belogen und betrogen. ich weiß es, aber verrate mich nicht! Jetzt nicht, wo ich auf dem besten Wege bin, Hanno ganz für mich zu gewinnen!«
Magda befreit sich von Alines Händen.
Stolz richtet sie sich auf, aber ihre Knie zittern so sehr, daß sie wieder zurückfällt.
»Ich soll mich also noch weiter an diesem Betrug beteiligen?« stößt sie maßlos aufgebracht hervor. »Niemals! Verantworte selber, was du getan! Wo Liebe sein soll, muß zuallererst Vertrauen sein. Das hast du von Anbeginn deiner Ehe an untergraben – aus einem bodenlosen Leichtsinn heraus. Ich bringe es nicht fertig, den ahnungslosen, bis zur Selbstverleugnung ehrlichen Hanno zu betrügen.«
»Magda, ich bitte dich inständig, hab’ doch Erbarmen mit mir! Siehst du nicht, wie ich leide, wie ich vor Angst fast vergehe? Ich verspreche dir alles, was du haben willst. Schone mich – verrate mich nicht – sag ihm nichts von den gefälschten Zahlen!«
»Du hast es also auch fertiggebracht, dieses Leinen hier, das ich umd Tante Christine selber kauften und bar bezahlten, nochmals unter die letzte Abrechnung zu setzen. Pfui Teufel, Aline! Hast du das nötig gehabt?«
Nicht streng, eher traurig sieht sie auf die wie gebrochen auf dem Boden hockende Frau herab.
»Du weißt ja nicht, weshalb ich es tat!« Aline macht eine wegwerfende Handbewegung. »Dir ist Hannos Herz seinerzeit im Sturm zugeflogen. Ich habe es mir erkämpfen, erzwingen wollen.«
»Wer Lüge und Betrug sät, kann niemals Liebe ernten, Aline«, sagt Magda.
»Du hast ein wahres Wort gesprochen!«
Mit tiefernstem Gesicht tritt Hanno näher.
Von den beiden Frauen unbemerkt, ist er in das Gemach zurückgekehrt. Er hat alles mitangehört, was sie gesprochen haben.
Bis in das Herz getroffen fühlt er sich durch das, was er soeben erfahren hat.
Dort, wo er vertraute, wurde er betrogen. Gleich Magda würgt auch ihn der Ekel.
Mit einem Laut des Entsetzens ist Aline in die Höhe gefahren.
»Hanno, verzeih mir! Ich muß wahnsinnig gewesen sein, als ich das tat.«
»Wahnsinnig nennst du das, was du mit schlauer Berechnung und skrupelloser Bedenkenlosigkeit tatest?«
»Hanno!« Die junge Frau kann sich kaum mehr auf den Füßen halten, alles ist fliegende Hast an ihr. Eisige Schauer jagen ihr über den Körper bei dem Anblick von Hannos finsterem, undurchdringlichem Gesicht.
Vorwurfsvoll wendet er sich nun an Magda, die haltsuchend mit beiden Händen die Tischkante umkrampft hält, um nicht umsinken zu müssen vor Scham.
»Und du – hast das alles – gewußt?«
»Gewußt? Nein, das habe ich nicht gewußt – bei Gott nicht!«
Magda lügt nicht. Und doch sagt sie ihm nicht alles.
Was verschweigt sie ihm? Will sie Aline schonen?
Diese Erkenntnis erschüttert ihn, und um seine Bewegung zu verbergen, wendet er sich rasch ab und geht mit schwerfälligen Schritten aus der Kammer.
»Hanno!« Entsetzt läuft Aline ihm nach, und selbst der flammende Blick Hannos kann sie nicht abhalten, ihm in sein Zimmer zu folgen. Sie klammert sich an ihn an.
»Verzeih