Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman - Karin Bucha


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      »So so«, sagt Doktor Urban.

      Dann müßte der Beamte eigentlich Magda gesehen haben, überlegt er. Aber wie soll er seine Frage nach ihr erklären?

      Da kommt ihm der Stationsvorsteher unerwartet entgegen.

      »Heute früh ist ein junges Mädchen als einziger Fahrgast in den Berliner D-Zug gestiegen. Man kennt ja so ziemlich alle, die hier regelmäßig fahren, aber die Kleine war mir fremd. Hier und da reisen ja mitunter noch späte Feriengäste ab. Na ja, man macht so seine Studien, Herr Doktor. – Wollen Sie etwa auch verreisen?«

      »Hält der Berliner Zug sehr oft unterwegs?« wendet Doktor Urban sich an den Vorsteher, ohne auf seine Frage einzugehen.

      Bereitwillig und etwas langatmig gibt der Mann Auskunft. Er scheint die kleine Unterbrechung seines Dienstes als willkommene Abwechslung zu betrachten.

      Magda, die scheue, weltfremde Magda, soll ausgerechnet nach Berlin gefahren sein? Das will dem Doktor nicht recht einleuchten.

      Er läßt den Stationsvorsteher in seine Zigarrentasche greifen und begibt sich dann, tief in Nachdenken versunken, wieder auf den Heimweg.

      Warum nicht nach Berlin! Nirgends kann man so gut untertauchen wie dort, und Magdas Fortgang beweist ja deutlich, daß es ihr Wunsch und Wille ist, nicht aufgefunden zu werden.

      Aber das unerfahrene Kind wird nun auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen sein. In ihrem Zustande – schrecklich! Auf Doktor Urban wirkt dieser Gedanke niederdrückend.

      Sie wird hin und her gestoßen werden, die kleine dumme Magda. Wie konntest du dich auch so ins Ungewisse stürzen, wo hier Menschen waren, die dich gern behütet und umsorgt hätten, denkt er. –

      »Der Herr Professor ist ausgegangen«, meldet ihm Katharina, als er daheim ankommt.

      »Ausgegangen?« Heute ist aber ein verrückter Tag!

      Doktor Urban klettert aus dem Wagen und knallt die Tür hinter sich zu.

      »Schon recht, Katharina. Bringe mir einen starken Kaffee, und tue einen Schuß Rum rein.«

      »O Gott, o Gott!« Die Alte starrt ihn entgeistert an. »Am frühen Morgen Rum? Ist Ihnen nicht wohl, Herr Doktor?« fragt sie besorgt.

      »Wohl ist mir gar nicht. Aber gegen das, was mich bedrückt, hilft leider kein Rum«, sagt er und geht an der verdutzt dreinschauenden Katharina vorbei ins Haus.

      Er poltert in seinem Zimmer herum. Nichts kann seine schlechte Stimmung besser verraten als das rücksichtslose Stühlerücken und unterdrückte Fluchen.

      »Es ist ein Kreuz mit den Mannsbildern«, bemerkt Katharina, auf die die Stimmung des Doktors übergesprungen ist, etwas später zum Gärtner mit einem Blick, der sagt: Dazu gehörst du auch!

      »Na, na«, hakt der ein. »Wer soll dir denn deine schweren Teppiche auf die Stange hängen, he? Wer schleppt dir denn die Feuerung eimerweise herbei? Wir Mannsbilder! Aber dazu sind wir gerade noch gut genug, wie?«

      Herausfordernd sieht er sie an, so von unten nach oben und von oben nach unten.

      »Es ist schon gut. Reg dich nicht uunötig auf. Es genügt mir, wenn der Doktor den Verrückten spielt«, beschwichtigt sie ihn und schneidet damit kurzerhand alles Weitere ab.

      Brummend trottet der Gärtner davon. Wemn’s nicht ein so blitzsauberes Weib wäre, man konnte sich mit ihr zanken. –

      Wohlbehalten und froher Laune kommt indessen Professor Herdegen zurück.

      Bei einer guten Zigarre und Katharinas nicht minder gutem Kaffee hat Doktor Urban es sich bequem gemacht.

      »Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus«, zitiert Urban, als Herdegen die Stufen zur Terrasse emporsteigt.

      »Du machst mich neugierig, alter Freund.« Herdegen läßt sich neben ihm in einen Sessel fallen. »Nun, – wie war es auf dem Birkenhof?«

      »Haarsträubende Geschichte«, sagt Urban kurz und setzt erklärend hinzu: »Das heißt, was ich dort erfahren mußte, ist mir in die Glieder gefahren. Mein Schützling, die Magda, hat ihr Schicksal in die eigene Hand genommen. Nun sitze ich da mit meiner Weisheit. Da denkt man, alles bestens in die Wege geleitet zu haben, aber da fährt einem – prosit die Mahlzeit! – schon der Teufel dazwischen.«

      »Ich verstehe dich nicht.«

      »Also, um es kurz zu machen: Magda ist fort, spurlos verschwunden!«

      Ärger und Sorge streiten in Urbans Brust miteinander.

      Herdegen wiegt den Kopf hin und her.

      »Nach deinen Schilderungen bin ich davon eigentlich nicht überrascht, Konrad. Die Kleine ist stolz; es kann auch sein, sie hat Angst, man könnte ihrem Geheimnis auf die Spur kommen. Sie will ihr Kind für sich haben. Das Mädel gefällt mir.«

      »Soo!« Doktor Urban schlägt verständnislos die Hände zusammen. »So was gefällt dir? Da kann ich nicht mehr mit, mein lieber Wolfram. Zu mir sollte sie kommen. Ich hätte sie eingesperrt, wenn sie es verlangt hätte. Eine Mauer hätte ich um sie gebaut, damit keiner sie zu sehen kriegte. Und dir gefällt so was!«

      Doktor Urban bläst nach einen tiefen Atemzug pfeifend die Luft von sich, wäh-rend Herdegen belustigt vor sich hin lä-chelt. Herdegen ist gerührt von der wahrhaften Fürsorge seines Freundes Konrad.

      »Hast ein Herz wie Gold, Konrad«, sagt er warm. »Aber andere haben dafür einen unbändigen Stolz, wie eben das kleine tapfere Mädchen. Sorge dich nicht zu sehr um sie. Heute wird kein Mensch der Not überlassen, und gar erst ein Mädel, das sich in gesegneten Umständen befindet. Na, und wenn es schon Berlin ist, wohin sie sich gewandt hat, dann möchte ich behaupten, daß sie dort ganz gut aufgehoben ist. Sie hat schon den richtigen Gedanken, Konrad. In Berlin findet man sie so leicht nicht.«

      Mißtrauisch schielt Urban nach dem Freunde hin. Will der ihn nun trösten, oder­ –

      Ach, Unsinn! Was Herdegen sagt, ist immer ehrlich gemeint.

      Die beiden Herren beschließen, vorläufig abzuwarten.

      *

      In der Lichthalle des Anhalter Bahnhofes drängt sich eine neugierige, schaulustige Menschenmenge.

      »Wat is ’n da passiert?« fragt die Blumenfrau einen ihrer Kunden.

      »Ein junges Mädel ist ohnmächtig geworden«, sagt der Mann. »Man hat sie fortgetragen.«

      »Ist Ihnen wieder wohler, Fräulein?« Eine ältere Frau in Schwesterntracht neigt sich liebevoll über das kalkweiße Gesicht Magdas.

      »Ja, danke!« haucht sie und blickt sich verwirrt in der Runde um.

      Ein Sanitäter steht unweit von ihrem schmalen Lager und sieht mitleidig auf sie nieder.

      Magda überlegt. Wie sie wohl hierhergekommen sein mag?

      Jetzt kommt die Erinnerung langsam zurück. Ein Schwindel hat sie gepackt. Sie hat sich schnell auf ihren Koffer setzen wollen, aber da begann sich bereits alles zu drehen. Und dann ist es Nacht, dunkle Nacht um sie her geworden.

      Sie versucht, sich aufzurichten, ist aber so kraftlos, daß sie gleich wieder zurücksinkt.

      »Ich muß wohl fort jetzt. Ich kann doch nicht hier liegenbleiben?« In ihre großen Augen tritt ein ängstlicher Ausdruck.

      Begütigend drückt Schwester Luise sie auf das einfache Feldbett zurück.

      »Machen Sie sich hierüber keine Gedanken, liebes Kind. Ruhen Sie sich erst richtig aus – oder müssen Sie etwa weiterfahren?«

      »Weiterfahren? Nein!«

      Magda schließt die Augen. Sie hat ja kein bestimmtes Ziel. Niemand erwartet sie hier. Sie war so voll Zuversicht, so voll guten Willens, und nun kommt es ihr vor, als sei mit ihrer körperlichen Kraft auch ihr Willen geschwächt.

      Keinen Blick


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