THE BLACK - Der Tod aus der Tiefe. Paul E. Cooley

THE BLACK - Der Tod aus der Tiefe - Paul E. Cooley


Скачать книгу
und wurde durch einen anderen Teil des Rohrs wieder nach oben gepresst.

      Während der Roboter nur wenige Fuß über dem Ozeangrund schwebte, aktivierte er seine Magnetsensoren im Rahmen eines Unterprogramms. Damit sollte er nach Rissen oder Unregelmäßigkeiten suchen, sobald die Schraube anfing, sich ins Gestein und die Erde zu bohren. Falls etwas aus den Fugen geriet, konnte die Besatzung der Plattform die Daten auswerten und erfuhr so, ob der Grund ein mechanischer Fehler oder Schäden an der Bohrstelle waren.

      Hätte man AUV 5 mit Hörsensoren ausgestattet, wäre es in Aufruhr versetzt worden, als die dreißigtausend Fuß lange Rohrkonstruktion in Bewegung geriet. Der tiefe Schacht drehte sich kaum wahrnehmbar im Uhrzeigersinn; das sagenhafte Gewicht des Bohrgestänges hielt die Spitze auf Fels und Sand gedrückt. In gleicher Weise, wie sich die Drehscheibe bewegte, taten es auch der Schacht und die Schraube. Nummer 5 hätte gehört, wie der Diamant den Stein zerstäubte.

      Wenige Meter weiter in der ruhigen Tiefe des Meeres geriet ein Riff von Kalkröhrenwürmern in Wallung. Die Fangarmen ähnelnden Organismen neigten sich nun dem Ursprung der Vibration zu. Ob dies reflexartig oder aufgrund eines intuitiven Bewusstseins von Gefahr geschah, würden wir wohl nie erfahren.

      AUV 2 war genau über diesem Riff positioniert. Es drehte sich langsam nach unten, um Fotos von der Fauna zu schießen und Videoeindrücke festzuhalten. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Bohrstelle zu beobachten, doch in dem Moment, als die Würmer auf die Bohrung reagiert hatten, war eine untergeordnete Programmroutine in Gang gesetzt worden. Selbst in der Finsternis der Mitternachtszone fiel ihr Schwanken seinen Bewegungssensoren auf.

      Es beschoss die Gewebetiere mit seinem Sonar, worauf sie ansprachen, indem sie sich nach der Sonde ausstreckten, wenngleich diese weiterhin einen sicheren Abstand wahrte. Falls sich später jemand die Zeit nahm, das Video zu betrachten, würde sich das Verhalten der Würmer darin zeigen. AUV 2 markierte in seinem Log, wann und wo die Lebewesen auf den Bohrvorgang reagiert hatten.

      Weit über dem Meeresgrund rotierte die Drehscheibe weiter. Flüssigkeit wurde aus dem Rücklaufbecken nach oben gespült und direkt wieder am Gestänge nach unten gepresst, um die Schraube zu schmieren und das Loch zu verschließen, während ein dünner Zylinder aus dem Bett geschnitten wurde. Bis zum Ende der Kernbohrung sollten noch Stunden vergehen. Die AUVs verrichteten weiterhin ihre Aufgabe, das Gebiet sensorisch abzutasten und zu filmen. Sie hörten das unterirdische Ächzen zwar nicht, doch ihre Messfühler zeichneten es auf.

      Die langen Würmer schüttelten sich, als würden sie frösteln.

      ***

      Die Plattform dröhnte lauter als die Lüftungen der Computer, die Klimaanlage oder das Gespräch unter den Männern. Ihre Pumpen waren aktiv, die Scheibe drehte sich weiter, die Crewmitglieder an den Monitoren widmeten sich ihren jeweiligen Aufgabenbereichen. Vraebel, der gerade seine siebte Tasse Kaffee locker in der linken Hand hielt, ließ sich zu einem leichten Lächeln hinreißen.

      Gomez hatte schon zwei Mal Bericht erstattet, um ihnen mitzuteilen, dass es wie am Schnürchen liefe, und um sich zu vergewissern, dass niemand eine Warnung herausgegeben hatte. Der Aufseher freute sich, dem Schichtführer sagen zu können, dass alles in Ordnung sei, und ihm aufzutragen, dass sie weiter bohren sollten. Seine Männer waren gut, und das galt auch für Calhouns Bohrer. Man hatte bereits zwei zusätzliche Rohrsegmente ans Gestänge fügen müssen. Der Kern wurde in Rekordzeit ausgefräst, was aber nicht etwaiger Hast zu verdanken war, sondern einzig der hervorragenden Schraube.

      Bei Gelegenheit würde er den Ingenieur mal fragen müssen, was daran so besonders war, doch bis auf Weiteres nahmen ihn seine Bildschirme so sehr in Beschlag, dass er nicht mehr getan hatte, als kurz daran zu denken. Die Displays des Steuerelements für den Bohrer leuchteten über den Fenstern der Brücke. Sie zeigten eine grafische Darstellung des Gestänges, während es in den Meeresboden getrieben wurde. Ein anderer Monitor ließ Gesteinsdaten durchlaufen. Das Gestänge war bereits zwanzig Fuß unter den Grund gelangt und stieß rasch weiter vor. Noch rund dreihundert Fuß, dann hatte die Crew die Kernprobe gelöst und würde sich dem langwierigen Vorgang widmen können den Zylinder zu bergen.

      Calhoun saß währenddessen mit seinem gesamten Team in der Bohrzentrale. Vraebel war sich ohne jeden Zweifel sicher, dass der Ingenieur und sein Personal ebenfalls auf die Monitore starrten und die Rohdaten sichteten, die am Schacht zurückgegeben wurden. Digitalmesser zeigten unaufhörlich Pumpdruck, Flüssigkeitsverbrauch und Näherungswerte für den Fortschritt der Schraube an. Diesen Teil seines Jobs mochte Vraebel am liebsten – dabei zuzuschauen, wie sich das Gestänge langsam zu einer Ölquelle vorarbeitete.

      Auch trotz der Geschwindigkeit, mit der dieses Gerät es schaffte, war das Ende erst in mehreren Stunden absehbar. Als er die Ergebnisse der seismischen und magnetischen Auswertung zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm aufgefallen, dass Sigler mehrere Bereiche im Graben mit »optimale Bedingungen für eine Kernbohrung« gekennzeichnet hatte. Die Geologin verstand offensichtlich etwas von ihrer Arbeit, denn er hatte noch nie erlebt, dass Bohren so einfach sein konnte.

      Er schaute hinunter auf den Computerbildschirm und die Nachrichtenfenster. Aus der Bohrzentrale gaben Harobin und Sigler gerade denjenigen Anweisungen, die den Bohrer steuerten. Vor einigen Jahren wäre das unmöglich gewesen, doch mithilfe der neuen Sensoren konnten die Geologin und ihr Gesteinsexperte die Beschaffenheit der Bohröffnung fast in Echtzeit auswerten. Harobin analysierte den Schlamm, während sich Sigler einen schnellen Überblick der Geodaten verschaffte, um sicherzugehen, dass man gerade auf nichts stieß, was die Schraube zerstören könnte.

      Vraebel schlürfte weiter seinen Kaffee. Er saß mit durchgedrücktem Kreuz im schwarzen Chefsessel und würde sich nicht eher zurücklehnen, um sich zu entspannen, bis sie den Kern ausgehoben hatten. Am Ende der Wache würde ihm allerdings der Rücken wehtun, und seine Gelenke könnten ihm das Gefühl vermitteln, in einem Stahlsarg eingeschlossen gewesen zu sein.

      ***

      In der Bohrzentrale unterhielt man sich nur gedämpft. Shawna saß an ihren Monitor gefesselt da, während sie das Gemisch aus Partikeln untersuchte, das im Kreislauf heraufkam, während der Analyst Harobin weiter Markierungen vornahm. Auslesedaten ratterten auf einem ihrer vier Bildschirme hinunter, die anderen drei zeigten topografische Karten, die auf den magnetischen und seismischen Untersuchungen von einigen Monaten beruhten.

      Plötzlich ging ein Fenster mit einem Bohrmesswert auf. Shawna schüttelte den Kopf. Die Bodenbeschaffenheit hatte sich verändert. Die ursprünglichen Daten, die aus ihren Untersuchungen hervorgegangen waren, stimmten plötzlich nicht mit dem überein, was die Geologin nun las. Sie rügte sich dafür, die Videos der AUVs nicht gründlicher durchgesehen zu haben. Falls dort unten ein Magmaherd lag, waren sie geliefert, und magmatische Verschiebung war eigentlich die einzige Erklärung dafür, dass der Ozeangrund jetzt anders aussah, als bei der Untersuchung vor mehreren Monaten.

      »Außer, jemand hat die Auswertung verpfuscht«, sagte Shawna zu sich selbst.

      »Was?«, fragte Harobin. Er schob sich die Brille hoch. Der struppige, blonde Bart am Kinn seines rundlichen Gesichts erzitterte, als er mit den Zähnen knirschte.

      »Nichts«, antwortete sie. »Habe nur mit mir selbst gesprochen.«

      Harobin nickte. »Ich sehe nichts Auffälliges an der Flüssigkeit, und wir haben eine gute Strömung.« Er bohrte mit seinem Zeigefinger in seinem linken Nasenloch herum.

      Shawna schüttelte angewidert den Kopf. Der Analyst war gut in dem, was er tat, aber augenscheinlich schon viel zu lange auf hoher See und stets umgeben von anderen Männern. Dies galt allerdings nicht nur für ihn; die meisten Arbeiter auf der Insel reichten kaum über das Niveau von Wilden hinaus, was ihren Umgang mit Frauen oder Manieren generell anbetraf.

      Als ihr Vater sieben Jahre zuvor erfahren hatte, dass sie bei Calhoun eingestiegen war und was sie in Zukunft tun würde, hatte er sich auf die Unterlippe gebissen, seine Bartstoppeln mit einer schwieligen Hand gekratzt und gesagt: »Shawna, mit solchen Typen willst du bestimmt nicht verkehren.«

      Sie war das erste Familienmitglied mit einem College-Abschluss, und außer ihr hatten bis dahin alle Angehörigen


Скачать книгу