Handbuch der praktischen Kinematographie. Franz Paul Liesegang

Handbuch der praktischen Kinematographie - Franz Paul Liesegang


Скачать книгу
der Finger hervorgerufen werden. Nicht anders ist es bei der Vorführung des Kinematographen. Auch hier bekommen wir durch Vermittlung der Photographie stoßweise zu sehen, was draußen während der Aufnahme vorging; ist dabei die Aufeinanderfolge der Bilder hinreichend schnell, so kann unser Auge die einzelnen Bilder nicht mehr unterscheiden, sie verschwimmen ineinander und die Bewegung im Bilde wird »flüssig« wie in der Natur. Also auf einer Täuschung des Auges beruht dieser wunderbare Effekt der lebenden Lichtbilder. Wie schnell muß nun die Weiterbewegung des Filmbandes sein, damit das Auge einen einheitlichen, ununterbrochenen Eindruck erhält? — Da sagt die Erfahrung: man muß in der Sekunde 15 bis 20 Bilder zeigen. Es wird also von dem Apparat eine ziemliche Leistung verlangt. Ebenso schnell wie die Vorführung muß natürlich die photographische Aufnahme vor sich gehen, sonst wird die Bewegung unwahr. Wenn man beim Photographieren z. B. nur 10 Bilder in der Sekunde machte und nachher bei der Projektion 20 Bilder in der Sekunde zeigte, so würde jede Bewegung in doppelter Geschwindigkeit erscheinen, ein gehender Mann würde laufen. In Kinematographen-Theatern wird dieser Fehler zuweilen gemacht.

      Sowohl bei der kinematographischen Aufnahme wie beim Projektionsverfahren ist das Bemerkenswerteste der Bewegungs-Mechanismus. Der Aufnahme-Apparat an sich entspricht der gewöhnlichen photographischen Kamera: es ist ein lichtdichter Kasten, vorne mit Objektiv versehen. An der Hinterseite, der Linse gegenüber, läuft das Filmband und wickelt sich von einer Rolle zur zweiten ab; eine drehbare Verschlußblende, die im Einklange mit dem in den Kasten eingebauten Bewegungs-Mechanismus arbeitet, öffnet und schließt abwechselnd das Objektiv. Die Projektions-Einrichtung andrerseits besteht wie jeder Lichtbilder-Apparat aus einem Gehäuse mit der Lichtquelle, die hier sehr hell sein muß, dem Beleuchtungslinsen-System (Kondensor) und dem Objektiv; der Bewegungs-Mechanismus ist vor dem Kondensor derart angebracht, daß das Filmbildchen gleichmäßig beleuchtet wird. Auch hier sorgt eine Verschlußblende dafür, daß während der Weiterbewegung des Filmbandes das Licht abgesperrt wird.

      In beiden Fällen ist die Aufgabe des Bewegungs-Mechanismus dieselbe: er soll das Filmband ruckweise um ein immer gleiches kleines Stückchen durch den Apparat ziehen und dabei soll der Film an der Stelle, wo das Licht auftrifft, 15 bis 20 mal in der Sekunde einen Moment ruhig stehen bleiben. Es liegt daher nahe, denselben Mechanismus sowohl bei der photographischen Aufnahme wie beim Projizieren zu benutzen, und man hat auch Apparate gebaut, bei denen die beiderseitige Verwendung vorgesehen ist. Aber diese Kombination ist nicht empfehlenswert; denn ein guter, zweckmäßig konstruierter Aufnahme-Mechanismus liefert uns, in den Projektions-Apparat eingesetzt, keineswegs eine ideale Wiedergabe der Bilder. Die Anforderungen an den Bewegungs-Mechanismus sind nämlich in beiden Fällen verschieden, und sie sind namentlich sehr hoch bei der Projektion. Im photographischen Apparat, also bei der Aufnahme, hat der Mechanismus nur dafür zu sorgen, daß das Filmband ruckweise durchgeführt und gleichmäßig belichtet wird; bei der Projektion ist es damit nicht getan: die Wiedergabe der lebenden Bilder soll vor allem auch unserem Auge gefallen, und unser Auge ist kritisch.

      Wer hat nicht schon bei der Vorführung mit dem Kinematograph ein gewisses »Flimmern« des Lichtbildes wahrgenommen! Woher rührt dieses Flimmern und wie ist es zu vermeiden?

      Wir haben uns vorher klar gemacht, wie die lebenden Lichtbilder entstehen, und gefunden, daß unser Auge sich etwas vortäuschen läßt. Es wird da eine große Reihe von Bildern rasch nacheinander vorgeführt; jedes Bild bleibt einen Moment stehen und wird dann gegen das nächste gewechselt. Jedesmal nun, wenn der Filmstreifen um ein Bild weitergezogen wird, tritt die Verschlußblende in Tätigkeit und macht den Projektionsschirm dunkel; denn das Weiterrutschen des Filmbandes muß ja unserm Auge verborgen bleiben. Nach jedem Bilde gibt es also eine kurze, dunkle Pause. Aber unser Auge, wenn es sich auch täuschen läßt und statt der sprungweise sich folgenden Einzelbilder ein einziges Bild mit ununterbrochener Bewegung zu sehen glaubt, merkt doch, daß etwas nicht in Ordnung ist, daß etwas dabei anders ist als beim Schauen in der Natur: es nimmt den Wechsel zwischen Hell und Dunkel wahr, es sagt uns: »das Bild flimmert«.

      Wer vorher, als wir darüber sprachen, das Experiment mit den Fingern gemacht hat, wird ein gleiches Flimmern beobachtet haben. Machen wir es nun nochmals, bewegen wir die Finger der ausgespreizten Hand nahe vor dem Auge hin und her, zuerst langsam und dann schneller! Da sehen wir: bei langsamer Bewegung ist das Flimmern sehr unangenehm, je schneller aber die Bewegung wird, desto weniger stört es. Da haben wir's: wir müssen den Apparat einfach rascher drehen! Und gewiß, wenn Sie es jetzt probieren könnten, würden Sie sehen, daß das Flimmern dadurch schwächer wird. Das ist tatsächlich ein einfaches Aushilfsmittel, um einen stark flimmernden Kinematograph ruhiger zu machen. Aber dies Mittel hat einen bösen Nachteil: die Bewegungen im Bilde werden unnatürlich rasch, wirken überstürzt und außerdem ist die Vorführung viel schneller zu Ende. Wenn man da abhelfen wollte, müßte auch die kinematographische Aufnahme entsprechend schneller gemacht werden; statt 15 bis 20 Bilder müßten wir 40 oder mehr Bilder in der Sekunde aufnehmen. Das geht wohl, doch dann wird das Filmband zwei- oder noch mehrmal so lang, und wohin sollen wir da kommen, wenn die ohnehin so langen Films noch um ein solches Maß verlängert werden müßten.

      Es ist also auf andere Weise eine Beseitigung oder wenigstens Verminderung des Flimmerns anzustreben. Und die läßt sich erreichen durch entsprechende Konstruktion des Bewegungs-Mechanismus. Darauf bringt eine einfache Ueberlegung. Nehmen wir an, es würden 15 Bilder in der Sekunde gezeigt; wir wissen, daß jedes der Bilder eine kurze Zeit stehen bleibt und dann weiterbewegt wird. Für Ruhestellung und Weiterbewegung zusammen steht mithin auf jedes einzelne Bild die Zeit von 1/15 Sekunde zur Verfügung. Wenn wir nun ferner annehmen, daß der Apparat zur Weiterbewegung des Bildes ebensoviel Zeit braucht, wie er dem Bilde zur Ruhe gönnt, so bekommen wir auf dem Projektionsschirm einen gleichmäßigen Wechsel von Hell und Dunkel: jedes Lichtbild steht 1/30 Sekunde und dann folgt ihm eine ebenso lange dunkle Pause.

      Bei einem Apparat, der in diesem »Tempo« arbeitet, wird man ein starkes Flimmern wahrnehmen. — »Warum«, höre ich Sie sagen, »macht man denn die dunklen Pausen nicht kürzer?« — Gewiß, in dieser Frage liegt auch erfahrungsgemäß die Lösung der Aufgabe, das Flimmern zu verringern; der Apparat muß die Bilder möglichst rasch wechseln, dann werden die dunklen Pausen recht kurz und jedes Bild kann entsprechend länger stehen bleiben. Wir nahmen an, daß für Ruhestellung und Bildwechsel zusammen 1/15 Sekunde zur Verfügung stände. Wenn nun z. B. der Apparat statt der Hälfte dieser Zeit nur 1/5 derselben zum Wechseln des Bildes braucht, so bleiben 4/5 davon für die Ruhestellung des Bildes übrig; der Wechselvorgang nimmt dann immer nur 1/75 Sekunde in Anspruch, während jedes Bild etwa 1/19 Sekunde stehen bleibt. Bei solchem Tempo wird das Flimmern schon bedeutend geringer; es ist augenscheinlich, daß man das Flimmern noch weiter verringern kann, indem man den Apparat noch schneller wechseln läßt.

      Noch eins ist zu bedenken. Der Vorgang des Wechselns wird durch eine Blende verdeckt. Im Moment, wo der Wechselvorgang beginnt, muß die Blende aber schon das Bild verschlossen haben und sie darf erst wieder öffnen, nachdem die Wechslung beendet ist. Es liegt auf der Hand, daß die Blende sowohl zum Schließen wie auch zum Öffnen eine gewisse Zeit braucht, und diese beiden Zeiten bedeuten für uns einen Verlust, sie verlängern die dunkle Pause. Man muß daher bestrebt sein, die Abblendevorrichtung so zu gestalten, daß sie zum Schließen und Öffnen möglichst wenig Zeit braucht.

      Wenn also der Konstrukteur einen »flimmerfreien« Apparat bauen will, so muß er ihn nach diesen Gesichtspunkten ausarbeiten. Er wird naturgemäß versuchen, den Wechsel der Bilder möglichst schnell zu machen und damit die dunkle Pause, welche den eigentlichen Anlaß zum Flimmern gibt, soweit es geht, zu verkürzen. Aber andere Fehler setzen ihm darin bald eine Grenze: je stärker er das »Tempo« macht, desto größer werden die Schwierigkeiten, diese neuen Fehler zu überwinden.

      Da ist zunächst das »Vibrieren« des Bildes. Jeder, der öfters bei kinematographischen Vorführungen Zuschauer war, wird wohl schon ein mehr oder minder starkes Vibrieren bemerkt haben: das Lichtbild, anstatt ruhig zu stehen, tanzt auf und ab. Dieser Übelstand würde nicht auftreten, wenn der Apparat absolut exakt wechselte, wenn also jedes Bild genau an die Stelle des vorhergehenden Bildes gebracht würde. Nun muß man bedenken, der Bildwechsel wird dadurch bewirkt,


Скачать книгу