Handbuch der praktischen Kinematographie. Franz Paul Liesegang
er soll, und wenn man keine Vorkehrungen dagegen treffen würde, so wäre ein wildes Auf- und Abspringen des Bildes die Folge. Um da Abhilfe zu schaffen, muß man den Film bei der raschen Vorwärtsbewegung bremsen, und dies geschieht durch Federn, welche auf das Filmband drücken und es an der Stelle, wo das Licht den Film kreuzt, festklemmen. Es ist aber leicht ersichtlich, daß es um so schwerer sein wird, völlige Abhilfe für das Vibrieren zu schaffen, je stärker der Ruck ist, je rascher also der Apparat wechselt.
Das Vibrieren kann auch die Folge einer mangelhaften Ausführung des Apparates sein, indem Teile des Bewegungs-Mechanismus »Spiel« haben. Man muß natürlich einen Apparat exakter Ausführung verlangen; aber das ist nicht genug: das Werk muß auch dauerhaft gebaut sein, damit es selbst bei langem Gebrauch nicht ausleiert. Und dabei ist wieder zu bedenken, daß die Beanspruchung des Bewegungs-Mechanismus stärker wird, wenn man ihn, um das Flimmern zu vermeiden, in rascherem »Tempo« arbeiten läßt.
Von größter Wichtigkeit für den Besitzer des Kinematographen ist aber die Schonung des Filmbandes. Es gilt davon dasselbe wie vom Mechanismus: die Beanspruchung wächst mit dem Tempo. Der Film wird nicht nur mit ungeheurer Geschwindigkeit vorwärtsgerissen, sondern auch noch, um das Vibrieren zu vermeiden, gehemmt, wodurch der Ruck bei der Weiterbewegung umso kräftiger wird. Der Konstrukteur, welcher das Flimmern auf das Mindestmaß bringen will, hat also auch noch die Aufgabe zu lösen, das Filmband so zu führen, daß es im Bewegungs-Mechanismus keinerlei Beschädigungen erleidet.
Auf Grund der Erfahrungen, die im Laufe der Jahre im Bau von Kinematographen gesammelt wurden, ist man heute in der Lage, Apparate herzustellen, die allen diesen Anforderungen in hohem Maße gerecht werden. Eine durchaus befriedigende Vorführung läßt sich aber nur mit tadellosen Films erzielen. Zuweilen sieht man auf der Projektionswand ein heftiges »Flickern« und »Regnen«, namentlich in den hellen Teilen des Bildes, wie im Himmel. Diese üble Erscheinung, die oft mit dem vorher besprochenen Flimmern verwechselt wird, rührt von Kratzen und Schrammen im Film sowie von Löchern in der Bildschicht her. Auch das Tanzen des Lichtbildes kann durch den Film verursacht werden, sei es, daß die Perforation ausgeleiert ist oder daß die Bilder beim Aufnehmen oder Kopieren nicht in genau gleichmäßiger Folge, mit genau gleichen Abständen, aufgetragen sind. Gegen solche Fehler vermag der beste Apparat nicht zu helfen.
Bevor ich Sie nun in die Werkstätte führe, um Ihnen die Konstruktion des Kinematographen in ihren Einzelheiten zu zeigen, wollen wir uns das Filmband näher ansehen.
Der Kinematographen-Film.
Der Kinematographen-Film, wie er zur Projektionsvorführung dient, ist ein langer, schmaler Zelluloidstreifen, welcher mit der photographischen Bildschicht versehen ist. Darauf befinden sich die Bilder, und zwar steht immer eines unmittelbar über dem andern. Für die Breite des Filmbandes und die Größe der Bilder darauf sind jetzt allgemein die Maße eingeführt, die Edison bei seinem Kinetoskop benutzte: der Film ist 35 mm breit, die Bilder darauf 25 mm breit und 19 mm hoch.
Fig. 1. Kinematographen-Film.
Auf ein Meter Film kommen also über 50 Bilder, auf ein 20 Meter langes Band über 1000 Bilder, und da in der Sekunde 15 bis 20 Bilder gezeigt werden, so dauert die Vorführung eines solchen Bandes im Durchschnitt etwa eine Minute. Films von mehreren hundert Meter Länge sind heutzutage nichts Besonderes mehr.
Der ungefähr 1/2 cm breite Rand, welcher rechts und links von den Bildern bleibt, ist in regelmäßiger Folge mit Löchern versehen, man sagt: »perforiert«, und zwar so, daß auf jedes Bild beiderseits 4 Löcher kommen. Diese »Perforation« ist für die Weiterbewegung des Bandes von großer Bedeutung. Die Trommeln, über welche der Film läuft, werden nämlich am Rande mit Zähnen ausgerüstet, die in die Löcher eingreifen, und das Filmband erhält dadurch eine gleichmäßige, sichere Führung. Wie wir schon vorher überlegt haben, muß die ruckweise Weiterbewegung des Filmbandes mit größter Genauigkeit vor sich gehen; denn sonst hat sie ein Auf- und Abspringen oder Tanzen des Bildes zur Folge. Hier ein Beispiel. Nehmen wir an, das Bild würde in Größe von 2 × 2 1/2 Metern projiziert — wir haben dann eine 100fache Vergrößerung. Wenn nun beim Wechseln der Film nur um 1/5 Millimeter zu wenig oder zu viel weiterbewegt wird, so kommt dieser Fehler auf dem Schirm ebenfalls in 100 facher Vergrößerung zum Vorschein; das Bild, welches nach erfolgter Wechslung projiziert wird, verschiebt sich also gegen das vorhergehende um 2 Zentimeter. Wenn wir ein 4 × 5 Meter großes Lichtbild herstellen und der Fehler bei der Weiterbewegung gar 1/2 Millimeter beträgt, so würde das Bild auf dem Projektionsschirm um 10 Zentimeter springen.
Die Genauigkeit der Bildwechslung, deren Notwendigkeit sich an diesen Beispielen ermessen läßt, wird durch die Perforation wesentlich erleichtert; ja ohne die Perforation würde es kaum möglich sein, ein hinreichend exaktes Arbeiten zu erreichen. Man muß nämlich in Rechnung ziehen, daß das Filmband Witterungseinflüssen unterworfen ist und mit Veränderungen im Feuchtigkeitsgehalt der Luft länger bezw. kürzer wird, daß ferner auch das Metall des Bewegungs-Mechanismus bei Temperaturveränderungen sich ausdehnt oder zusammenzieht. Diese Abweichungen, so gering sie auch sein mögen, müßten unbedingt Fehler hervorrufen, wenn sie nicht durch die bei jedem Bilde regelmäßig wiederkehrende Lochung ausgeglichen würden. Es kommt noch dazu, daß die Bildhöhe bei Films verschiedener Fabrikate nicht absolut gleich ist; der Unterschied ist zwar oft bei oberflächlicher Betrachtung kaum zu sehen, er zeigt sich aber, wenn man ein längeres Stück von zwei verschiedenen Films gegeneinander hält, indem sich die Löcher dann nach und nach gegeneinander verschieben. Auch hier schafft die Perforation einen Ausgleich; sie macht es möglich, solch verschiedene Films mit einem und demselben Apparat tadellos vorzuführen.
Die Form der Löcher, welche früher bei verschiedenen Fabrikaten abweichend war, ist jetzt durchweg eine einheitliche geworden, und zwar stellt sie ein längliches Viereck mit abgerundeten Ecken dar.
Wenn man einen Kinematographen-Film in die Hand nimmt, wird man leicht die Schichtseite, welche die photographischen Bilder enthält, erkennen. Diese Seite muß besonders geschont und gegen Verkratzen geschützt werden. Das Zelluloid, woraus der Film besteht, ist ferner sehr leicht entzündlich und verbrennt mit großer Heftigkeit; man muß deshalb entsprechende Vorsicht walten lassen. Es wird jetzt indessen auch schwer brennbares Filmmaterial hergestellt, bei dem die Brandgefahr fortfällt.
Kinematographen-Films werden heute in großem Maßstabe fabrikmäßig hergestellt und es ist staunenswert, welche Auswahl an Sujets da geboten wird. Wer die Vorführung von lebenden Lichtbildern unternimmt, braucht sich daher nicht notwendigerweise mit der Herstellung kinematographischer Aufnahmen zu befassen, es sei denn, daß er Wert darauf legt, eigene zu bringen. Wie die Films angefertigt werden, wird weiter unten beschrieben — zunächst wollen wir uns den Vorführungsapparat ansehen.
Der Lichtbilder-Apparat.
Zur Vorführung der lebenden Lichtbilder gehören ein Lichtbilder-Apparat und der Bewegungs-Mechanismus; man nennt letzteren, oft auch die ganze Einrichtung, kurzweg Kinematograph. Der Projektions- oder Lichtbilder-Apparat ist an sich nichts anderes als eine Laterna Magika; die Wissenschaft hat aber aus diesem alten Kinderspielzeug ein vollkommenes und äußerst wertvolles Instrument gemacht, das heute in Hunderten von Lehranstalten und bei Tausenden von Vorträgen dazu benutzt wird, photographische Glasbilder in starker Vergrößerung als Lichtbilder auf eine weiße Wand zu werfen. Von dem Werte dieser Vorführungen kann man sich erst einen richtigen Begriff machen, wenn man einmal gesehen hat, wie ein großer Saal voll Menschen die riesigen, hell leuchtenden Bilder betrachtet und gleichzeitig den Erklärungen des Vortragenden lauscht.
Fig.