Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
ordentlich weh getan. Das ist aber auch etwas ganz Bezauberndes. Und gar nicht teuer, nur siebzig Mark. Einfach wie geschenkt. Was meinst du, Muttilein, kann ich das Kleid wohl haben?«
»Ebba, mein liebes Kind, sei doch vernünftig!« bat die Mutter eindringlich. »Du weißt doch, daß wir sparen müssen und …«
»Sparen – nur immer sparen«, brauste das Mädchen auf. »Wenn ich das schon höre! Du hast doch Geld zurückgelegt.«
»Das unantastbar ist, Ebba. Du mußt bedenken, daß deine Berufsausbildung viel Geld kosten wird. Außerdem mußt du einen neuen Wintermantel haben und manches andere mehr.«
»Daß ihr alten Leute das ewige Vorsorgen nicht lassen könnt! Zuerst haben wir einmal Frühling. Bis zum Winter kann ich längst tot sein. Mutti, gib deinem Herzen einen Stoß – ja?«
Schmeichelnd wurde Mechthild umhalst. Und die Frau, die ihrem geliebten Kinde nur schwer einen Wunsch abschlagen konnte, wurde wankend.
Die Kleine hatte ja recht; sie mußte wirklich auf vieles verzichten, was ihren Freundinnen, die durchweg gutsituierte Eltern hatten, selbstverständlich war.
»Ist gut«, entschied sie rasch. »Du kannst dir das Kleid holen.«
»Na also, Mutti, das ist doch ein Wort! Solltest mal sehen, wie schön deine Tochter heute sein wird. Ach, was werde ich tanzen! Das tue ich doch für mein Leben gern! Am liebsten möchte ich ja Tänzerin werden, aber dazu hätte ich schon längst mit der Ausbildung beginnen müssen. Aber macht nichts, ich werde auch so auf meine Kosten kommen. Nun ich die greuliche Schule hinter mir habe, fängt für mich das Leben an. Und das werde ich genießen, darauf kannst du dich verlassen.«
O ja, davon war die Mutter überzeugt. Oftmals wurde ihr bange um ihr Kind, in dem ein so gieriger Lebenshunger steckte.
Von ihr hatte sie den bestimmt nicht. Sie war in dem Alter ganz anders gewesen.
»Nun rück raus mit dem Mammon«, unterbrach die Tochter ihre Betrachtungen. »Ich will mich jetzt in Trab setzen. Bis das Geschäft geöffnet wird, bummele ich noch ein wenig durch die Frühlingssonne. Ich will den ersten Tag meiner Freiheit nach Herzenslust genießen.«
Gleich darauf hielt sie einen Hunderter in der Hand, den sie nonchalant, als ob sie über Millionen verfügte, in die Manteltasche steckte.
»Verliere das Geld nur nicht«, mahnte die Mutter ängstlich. »Dreißig Mark bekomme ich davon wieder.«
»Wird gemacht, Mutsch. Gehab dich wohl.«
Die Korridortür krachte hinter ihr zu, und ebenso vergnügt vor sich hin trällernd, wie sie vor einigen Stunden die Treppe hinaufgestürmt war, so sprang sie diese jetzt hinunter, während die Mutter sich daran machte, das Mittagsgeschirr abzuwaschen und die kleine Küche blitzblank zu kriegen. Daß dieses eigentlich der Tochter zukam, daran dachte sie nicht, weil sie nicht daran gewöhnt war, daß diese ihr im Haushalt half.
Daß die Tochter ihr für so viel rührende Liebe und Nachsicht keinen Dank wußte, nahm Mechthild als selbstverständlich hin. Auch für deren freche, rücksichtslose Art hatte sie erstens eine Entschuldigung. Lieber Himmel, das siebzehnjährige Kind war eben noch unbedacht, das durfte man als Mutter nicht tragisch nehmen.
*
Es war schon um die Abendbrotzeit, als Ebba endlich von ihrem Einkauf zurückkehrte.
»Denk mal, Mutti, ich habe das Kleid für sechzig Mark bekommen«, sprudelte sie, kaum daß sie das Zimmer betreten hatte, hervor. »Dafür bin ich gleich beim Friseur gewesen und habe mir Dauerwellen legen lassen; denn zu einem Kleid gehört auch ein gutfrisierter Kopf, nicht wahr? – Und schau mal die süßen Schuhchen. Die habe ich mir auch gekauft. Schick, was?«
»Dann hast du mir kein Geld mehr zurückgebracht?« fragte die Mutter erschrocken.
»Woher denn?« Das Mädchen warf die Lippen trotzig auf. »Ich habe sowieso schon alles halb geschenkt gekriegt, sonst hätte der lumpige Hunderter bestimmt nicht gereicht.«
Diese Unverfrorenheit war denn doch selbst dieser nachsichtigen Mutter zuviel. Es klang recht willig, als sie sagte: »Ich habe dir nur siebzig Mark bewilligt, Ebba. Du weißt ganz genau, wie schwer es mir fiel, dir diese zu
geben. Ich muß mich sowieso schon
einrichten an allen Ecken und Enden…«
»Um Himmels willen, fang bloß nicht wieder an zu jaulen!« Ebba hielt sich ungezogen die Ohren zu. »Es ist fürchterlich, daß du mir jede Freude verderben mußt!«
Damit ergriff sie die gekauften Sachen und rannte nach ihrem Zimmer, um sich für das Fest zu schmücken.
Als sie das getan, drehte sie sich vor dem Spiegel und berauschte sich an ihrem Anblick. Sie war sehr mit sich zufrieden und konnte es auch.
Die lichte Seide des Kleides umbauschte den schmiegsamen Körper. Blütenzart hoben sich Hals und Arme aus dem Spitzengeriesel. Die Augen blitzten in dem bildhübschen, kecken Gesicht, das die hellen Locken kokett umrahmte. Die Friseuse, die diese hervorgezaubert, hatte außerdem für geschminkte Lippen und rotlackierte Fingernägel gesorgt.
Nachdem sie sich genügend an ihrem Anblick berauscht, ging sie in das Wohnzimmer, wo die Mutter mit dem Abendessen auf sie wartete. Doch dafür hatte Ebba jetzt keinen Sinn.
»Nun, Mutti, bin ich schön?« Sie drehte sich wie ein geübtes Mannequin und sah mit Genugtuung, wie es in den Mutteraugen stolz aufleuchtete. »Du mußt doch wohl sagen, daß dieses Gewand mit den Fähnchen, die du mir zum Teil zurechtgeschneidert hast, nicht zu vergleichen ist. Endlich habe ich mal etwas Fesches auf dem Leibe. Und schau mal die Schuhe…«.
Die Mutter kam zu keiner Antwort, denn die Flurglocke schlug an. Neugierig lugte Ebba durch den Türspalt und sah einen hochgewachsenen Herrn, der sich soeben über die Hand ihrer »alten Dame« neigte. Hörte eine sonore Stimme sagen: »So sehr überrascht Sie mein Anblick, Mechthild, daß Sie völlig verstummt sind?«
»Ist das ein Wunder, wenn ich Sie irgendwo in der Weltgeschichte glaubte und Sie plötzlich vor mir stehen? Kommen Sie bitte weiter.«
Mit großen Augen sah das Mädchen auf den Herrn, der sich vor ihr verbeugte und dann Mechthild fragend ansah. – »Ist das etwa die kleine Ebba?«
»Ganz recht.«
»Potz Blitz, Mädchen, wie hast du dich verändert! Ich glaubte einen ungelenken Backfisch vorzufinden und stehe statt dessen einer entzückenden jungen Dame gegenüber. Kennst du mich noch?«
»Natürlich.« Die Augen blitzten ihn kokett an.
»Muß ich noch Onkel sagen, Holger?«
»Darauf lege ich keinen Wert«, schmunzelte der Mann.
»Ich bin wie manches eitle Fräulein, das sein Alter ängstlich verschweigt. Doch wo willst du hin, daß du dich so in Gala geworfen hast?«
»Zum Fest.«
»Ohne Mutti?«
»Natürlich. Alte Damen haben da nichts zu suchen.«
»So – deine Mutter ist eine alte Dame?« fragte er amüsiert, worauf sie ihn erstaunt ansah.
»Was denn sonst? Mütter von erwachsenen Töchtern sind immer alt. Doch schau mich mal an – bin ich nicht schön?« Sie drehte sich kokett vor ihm, in dessen Mundwinkeln es verräterisch zuckte, während seine Augen todernst blieben.
»Sehr schön. Da werden die Herren wohl ihr Herz festhalten müssen, damit sie es nicht an so viel Schönheit verlieren.«
»Dann halte das deine nur auch fest.« Sie lächelte vielsagend. »Du kommst mir nämlich ganz wie ein Feinschmecker vor. So jung habe ich dich übrigens gar nicht in Erinnerung. Siehst fabelhaft aus. Der Mann mit den grauen Schläfen. So was wirkt verheerend auf Mädchenherzen.«
»Ebba!« rief die Mutter entsetzt. »Was führst du für eine Sprache?«
Die