Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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nicht minder.“ Als sie ihn fragte, wie er das anfangen wolle, gab er ihr umständlich von allem Bescheid, was sie tun müsste. Damit keine Zeit versäumt würde, so machte er sich gleich auf den Weg nach Famagosta und begab sich zum Könige. „Gnädiger Herr“, sprach er zu ihm, „wenn Ihr wollt, so könnt Ihr, ohne viele Umstände und Unkosten, Euch selbst große Ehre machen und mir, der ich in Eurem Dienste verarmt bin, zu meinem Glücke verhelfen.“

      „Wieso?“ fragte der König.

      „Die schöne Tochter des Sultans“, antwortete Antigono, „von der man so lange Zeit gesagt hat, dass sie ertrunken wäre, ist in Baffo angekommen und hat, um nur ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, das größte Ungemach ausstehen müssen. Sie befindet sich jetzt in dürftigen Umständen und wünscht, zu ihrem Vater zurückzugelangen. Wenn Ihr sie ihm nun unter meiner Aufsicht zuschicken wolltet, so würde es Euch viele Ehre und mir großen Vorteil bringen, und ich glaube, der Sultan würde Euch einen solchen Dienst nimmermehr vergessen.“

      Der König, von einem edlen Eifer getrieben, gab ihm gleich zur Antwort, er sei bereit. Er ließ die Dame mit großen Ehrenbezeigungen nach Famagosta holen, wo sie von ihm und der Königin mit vieler Pracht und Feierlichkeit empfangen wurde. Als sie darauf vom Könige und von der Königin wegen ihres Schicksals befragt wurde, antwortete sie gemäß der Belehrung des Antigono und erzählte alles. Einige Tage darauf ward sie auf ihren Wunsch, unter der Aufsicht des Antigono und in Begleitung eines ansehnlichen Hofstaates von Herren und Damen, dem Sultan zugeschickt. Man kann sich vorstellen, dass er sie mit herzlicher Freude empfing und dass Antigono und seine Begleiter ebenfalls freundlich aufgenommen wurden. Nachdem sie sich von den Strapazen der Reise erholt hatten, wollte der Sultan wissen, wie es komme, dass sie noch lebe, und wo sie so lange Zeit zugebracht, ohne ihm auch nur das geringste Lebenszeichen zu geben.

      Die Dame, die sich die Unterweisung des Antigono trefflich zunutze machte, stattete ihrem Vater folgenden Bericht ab:

      „Lieber Vater, ungefähr am zwanzigsten Tage nach meiner Abreise von Euch ward unser Schiff in der Nacht von einem fürchterlichen Sturm in einer Gegend im Westen, die man Aquamorte nennt, zertrümmert. Was aus der Mannschaft des Schiffes geworden ist, weiß ich nicht und habe es nie erfahren. Ich erinnere mich nur, dass ich am folgenden Morgen, wie ich sozusagen vom Tode zum Leben wiedererwachte, und wie die Leute des Landes unser Schiff bereits gewahr wurden und von allen Orten und Enden zusammengekommen waren, um es zu plündern, mit zweien meiner Frauen ans Land gesetzt ward, wo den Augenblick die eine von einem, die andere von einem anderen Jünglinge ergriffen ward, die mit ihnen davonliefen, sodass ich nie erfahren habe, was weiter aus ihnen geworden ist. Ich selbst wehrte mich aus allen Kräften gegen zwei junge Leute, die mich bei den Haaren zogen, und weil ich überlaut weinte, so fügte es sich, dass zu derselben Stunde, da sie im Begriffe waren, mich in einen großen Wald zu schleppen, vier Männer zu Pferde vorbeikamen. Als die, die mich schleppten, jene Reiter erblickten, ließen sie mich sogleich los und nahmen die Flucht. Die vier Männer, die mir Leute von großem Ansehen zu sein schienen, eilten auf mich zu und fragten mich vieles, und ich antwortete ihnen vieles; allein wir konnten uns von beiden Seiten nicht verstehen. Nachdem sie sich lange beratschlagt hatten, ließen sie mich auf eines von ihren Pferden setzen und führten mich nach einem Kloster, das nach ihrer Sitte von lauter Frauen bewohnt war. Ich weiß nicht, was sie zu ihnen sagten: Allein ich ward von ihnen allen sehr gütig aufgenommen und immer mit Achtung behandelt. Hernach habe ich nach ihrem Beispiel oft mit voller Andacht dem Sankt Crescencius vom tiefen Tal gedient, dem die Frauenzimmer in jener Gegend sehr ergeben sind. Nachdem ich nun einige Zeit unter ihnen gelebt hatte und anfing, etwas von ihrer Sprache zu verstehen, fragten sie mich, wer ich wäre und aus welchem Lande. Weil ich aber merkte, wo ich mich befand, und mich fürchtete, dass sie mich als eine Feindin ihres Glaubens von sich stoßen würden, wenn ich die Wahrheit sage, so gab ich zur Antwort: Ich wäre die Tochter eines Edelmannes in Zypern, der mich nach Kreta hätte verheiraten wollen, allein das Unglück hätte gewollt, dass wir an ihre Küste verschlagen wären und Schiffbruch erlitten hätten. Mehr als einmal und auf mancherlei Weise habe ich ihre Gebräuche mitgemacht, aus Furcht, es möchte mir sonst übel ergehen. Wie mich einmal die älteste dieser Frauen, die sie Äbtissin nennen, fragte, ob ich wieder nach Zypern zurück wollte, gab ich zur Antwort, dass ich mich nach nichts eifriger sehne. Inzwischen wollten sie, aus großer Fürsorge für meine Jungfräulichkeit, mich niemandem anvertrauen, der nach Zypern reiste, bis ungefähr vor zwei Monaten einige gute Männer aus Frankreich mit ihren Frauen, unter denen sich auch einige Verwandte der Äbtissin befanden, dahin reisen wollten. Als nun die Äbtissin hörte, dass diese willens wären, nach Jerusalem zu wallfahrten, um das Grab desjenigen zu besuchen, den sie für Gott halten, und der dort begraben liegt, weil ihn die Juden totgeschlagen haben, so empfahl sie mich ihnen, und bat sie, dass sie mich in Zypern meinem Vater wieder überliefern möchten. Wenn ich Euch sagen sollte, wie liebreich und gefällig mich diese guten Männer samt ihren Frauen aufnahmen, so hätte ich Euch noch stundenlang zu erzählen. Wir gingen also zusammen an Bord eines Schiffes und kamen nach einiger Zeit glücklich nach Baffo. Während ich mich diesem Ort näherte, wo mich kein Mensch kannte, und ich mich in der größten Verlegenheit befand, was ich den guten Leuten sagen solle, die mich meinem Vater überliefern wollten, wie es ihnen von der Äbtissin aufgetragen worden war, so schickte mir der Himmel, der sich vermutlich meiner erbarmte, Antigono am Ufer entgegen, in dem Augenblick, wo wir in Baffo ans Land stiegen. Ich rief ihn geschwind zu mir und bat ihn in unserer Sprache, die jene guten Leute nicht verstanden, er möchte mich als seine Tochter empfangen. Er verstand meinen Wink auf der Stelle, empfing mich mit großer Freude, bewirtete die guten Männer und ihre Frauen nach seinem geringen Vermögen und brachte mich zu dem Könige von Zypern, der mich so ehrenvoll hat empfangen und zu sich geleiten lassen, dass ich es Euch nicht genügend schildern kann. Wenn sonst noch etwas zu sagen übrig bleibt, so mag es Antigono tun, dem ich mehr als einmal diese meine Begebenheiten erzählt habe.“ Antigono redete hierauf den Sultan an und sprach: „Sie hat Euch alles erzählt, großmächtiger Herr, was ich von ihr selbst und von den guten Männern und Frauen, die mit ihr kamen, gehört habe. Nur einen Umstand hat sie nicht erwähnt vermutlich weil sie glaubt, dass es ihr selbst nicht zusteht, davon zu reden, nämlich was die guten Herren und Frauen, mit denen sie kam, von dem keuschen Wandel erzählt haben, den sie bei den Nonnen führte, von ihren Tugenden und löblichen Sitten und von den vielen Tränen, womit ihre männlichen und weiblichen Reisegefährten von ihr schieden, indem sie mir sie wieder überlieferten. Wenn ich Euch das alles erzählen sollte, so würde nicht nur dieser Tag, sondern auch die folgende Nacht nicht dazu hinreichen. Genug, ich will Euch nur so viel sagen, dass nach dem Zeugnis dieser Leute und nach allem, was ich selbst gesehen habe, kein gekröntes Haupt sich heutigen Tages rühmen kann, eine schönere, jungfräulichere und tugendhaftere Tochter zu besitzen als Ihr.“

      Dies gefiel dem Sultan so wohl, dass er darüber hocherfreut war und Gott bat, ihm die Gnade zu verleihen, dass er einem jeden die Ehre, die er seiner Tochter angetan hätte, nach Verdienst und Würden vergelten könne. Besonders aber dem Könige von Zypern, der sie ihm mit solchen Ehren wieder zugesandt hätte. Nach einigen Tagen entließ er Antigono mit großen Geschenken nach Zypern und dankte dem Könige in Briefen und durch besondere Botschafter verbindlichst für alles, was er an seiner Tochter getan hatte.

      Hiernächst wünschte er auch das angefangene Werk zu vollenden, nämlich seine Tochter mit dem Könige von Algarbien zu vermählen. Er ließ ihm demnach von allem Nachricht geben und schrieb ihm dabei, wenn er noch wünschte, seine Tochter zu haben, so möchte er sie nur abholen lassen. Darüber ward der König von Algarbien sehr froh, schickte ihr ein standesgemäßes Geleit, sie abzuholen, und empfing sie mit offenen Armen. Sie, die mit acht Männern wohl zehntausendmal geschlafen, ward ihm als Jungfrau zur Seite gelegt, machte ihm weis, dass sie es wirklich wäre, und lebte lange Zeit mit ihm in eitel Glück und Freude als Königin.

      Darum sagt man wohl im Sprichwort: „Neumond und geküsster Mund sind gleicht wieder frisch und hell und gesund.“

       ACHTE NOVELLE

      Der Graf von Antwerpen wird unschuldig verklagt und wandert ins Elend. Er lässt seine zwei Kinder in verschiedenen Orten Englands. Als er als Unbekannter aus Irland zurückkommt, findet er sie beide in großem Wohlstande. Er dient als


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