Die Geschichte der Dampfmaschine bis James Watt. Geitel Max

Die Geschichte der Dampfmaschine bis James Watt - Geitel Max


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Leonardo da Vinci (1452–1519) berichteten wir bereits auf S. 10, daß er sich mit der praktischen Benutzung der Dampfkraft beschäftigt hat. Bei der dort beschriebenen Dampfkanone handelte es sich nicht um eine von Leonardo angegebene Vorrichtung, sondern um eine solche, die von Archimedes in Vorschlag gebracht sein soll, offenbar aber von Leonardo nach dem damaligen Stande des Geschützbaues ausgestaltet ist.

      Diese überaus vielseitige Persönlichkeit hat sich nun aber ebenfalls mit dem Wesen der Wärme und der Kälte beschäftigt und gewisse Sätze aufgestellt und auch wichtige Anregungen gegeben, die für die Entwicklung der auf die Ausnutzung der Spannkraft des Dampfes gerichteten Bestrebungen von Bedeutung sind.

      Leonardo hat folgende Grundsätze aufgestellt[14]:

      „Wo eine größere Kälte ist, da ist ein größeres Festwerden von Flüssigkeiten.“

      „Kaltes Wasser. Warmes Wasser.“

      „Das Wasser hat die Bewegung allein durch seine Schwere und Leichtigkeit, und diese sind seine Akzidentien, da es an sich weder Schwere noch Leichtigkeit hat, sondern die Schwere erwirbt es, sobald es oben ist oder seitlich an die Luft angrenzt oder an eine andere Flüssigkeit, die leichter ist als es selbst, und die Leichtigkeit erwirbt es, wenn es beim Verdampfen durch die Wärme verdünnt wird, und dann steht es über dem kalten Wasser.“

      Leonardo da Vinci hat eine auf diesen Grundsätzen aufgebaute Vorrichtung zum Heben von Wasser durch Feuer, d. i. durch die bei Erwärmung des Wassers in Röhren auftretende Aspiration, angegeben[15]. Dieselbe ist in Abb. 8 dargestellt. Oberhalb des das Wasser enthaltenden Schachtes ist ein Feuer angebracht. Zum Ablassen des gehobenen Wassers dient ein an dem Feuerbehälter angebrachter Hahn.

       Auch den Auftrieb der warmen Luft benutzte Leonardo da Vinci, und zwar zum Antrieb eines Bratspießes[16]. Dieser Art der Ausnutzung der Wärme begegnen wir ziemlich häufig noch in späterer Zeit.

      Leonardo da Vinci treibt, wie Abb. 9 erkennen läßt, durch die im Innern eines Schornsteins aufsteigende warme Luft eine Turbine an, von deren senkrechter Welle aus durch Räder- und Schnurtrieb der Bratspieß in Drehung versetzt wird.

      Abbildung 8.

       Vorrichtung zum Heben von Wasser durch Feuer. (Nach Leonardo da Vinci.)

      Abbildung 9.

       Antrieb eines Bratspießes durch erwärmte Luft. (Nach Leonardo da Vinci.)

      Leonardo da Vinci hat in seinem Codex Atlanticus, fol. 253, des weiteren auch eine Andeutung gemacht, die Dr. Hermann Grothe[17] dahin auslegt, daß dort ein Vorschlag gemacht sei, die Dampfkraft zum Antrieb einer Barke zu benutzen. Von irgendeiner praktischen Anwendung verlautet nichts.

       Im Jahre 1521 gab Cesare Cesariano in Como erschienene Erläuterungen zu Vitruvs Architectura heraus, in welchen auch die Äolipile besprochen wird. Es wird hier ausführlich angegeben, daß der Dampf aus der Äolipile, d. h. einem Dampftopf, der ein Rohr im Deckel besitzt, mit großer Kraft ausströmt. Aus diesen Angaben hat man den Schluß gezogen, daß die Äolipile als Kriegswerkzeug zum Schleudern von Geschossen oder als Spritze benutzt sei[18].

      Am 17. Mai 1543 soll Blasco de Garay, der in jungen Jahren an der ersten Entdeckungsfahrt des Christoforo Colombo teilgenommen hatte, im Hafen von Barcelona dem Kaiser Karl V. ein Dampfschiff vorgeführt haben. Die am Anfang des 18. Jahrhunderts erschienene „Coleccion de las Viages“ berichtet hierüber folgendes:

      Blasco de Garay beschäftigte sich in seiner freien Zeit mit Mathematik, Physik, namentlich mit Mechanik, und soll manches schöne Stück erfunden haben, um das sich niemand kümmerte, als er, bereits ein Greis, plötzlich mit dem Gedanken hervortrat, man könne mit dem Wasserdampfe Bewegung erzeugen, und es wäre möglich, damit etwas treiben zu lassen, z. B. ein Rad; und da das ganze Sinnen Garays sich stets um die Schiffahrt drehte, so sprach er seine Überzeugung aus, daß es möglich wäre, ein in ein Schiff eingebautes Schaufelrad durch Dampf in Drehung zu bringen, so daß das Schiff hierdurch in Bewegung gesetzt werde und nicht mehr von den Launen des Windes abhängig sei. Anfangs lachte man über den mehr als siebzigjährigen Greis; als Garay aber nicht müde wurde, die Regierung wegen seiner Erfindung zu bestürmen, ermahnte ihn die damals allmächtige spanische Inquisition, von solch unchristlichem Werk abzustehen, das er doch nur mit Hilfe der Hölle zustande bringen könne. Es gelang aber Garay dennoch, die Aufmerksamkeit des Kaisers Karl V. zu erringen, und dieser gestattete ihm, ein mit dieser neuen Einrichtung ausgerüstetes Schiff ihm im Hafen von Barcelona vorzuführen. Und zwar sollte Garay, da des Kaisers Aufenthalt in Barcelona nur kurz war, mit dem ersten besten Schiff, das in den Hafen einlief, seine Kunst versuchen. Es war dies die „Trinidad“, ein Schiff, das unter dem Kapitän Pedro de Scarza stand und soeben von Sizilien heimkehrte. Der kaiserliche Befehl erregte überall Angst und Schrecken, denn man war sich darüber klar, daß der Dampf, mit dem das Schiff in Bewegung gesetzt werden sollte, direkt aus der Hölle bezogen sei und daß nur mit Teufelskünsten solch ein ungeheuerliches Beginnen durchgeführt werden könne. Am meisten war der Kapitän des Schiffes erzürnt und gekränkt, weil er wußte, daß sein schönes Schiff dann für ewige Zeiten verhext sei und zweifellos einem Unglück entgegengehe. Jedenfalls sollte es nicht solch unchristlichem Werke dienen. Aber alle seine Proteste waren vergeblich, des Kaisers Befehl mußte vollzogen werden, denn Karl V., der trotz aller übergroßen Frömmigkeit doch auch für weltliche Sachen ein scharfes Auge besaß, fühlte heraus, daß in dem Versuche Garays ein großer Gedanke schlummere, und ließ sich trotz aller von den verschiedensten Seiten auf ihn einstürmenden Bitten und Proteste nicht abhalten, dem von ihm bewilligten Versuche beizuwohnen. Wer aber Garay kannte und wußte, daß er sein Leben hindurch ein gottergebener Christ gewesen war, wußte auch, daß dieser Mann sich nicht mit der Hölle verbinden werde, und die Nacht vor der Probefahrt verbrachte Garay auch in dem berühmten Benediktinerstifte Montserrat bei Barcelona im inbrünstigen Gebete zu Gott um Gelingen des Unternehmens, sorgte sogar dafür, daß das Wasser, das er zum Dampferzeugen verwenden wollte, aus den geweihten Wässern des Klosters entnommen wurde, und ließ es sorgsam nach dem Schiffe transportieren. Die Vorbereitungen bestanden in folgendem: Garay legte eine Achse quer über das Verdeck des Schiffes an deren Enden zwei Schaufelräder angebracht waren, die in das Wasser hineinreichten. Außerdem wurde ein Kessel auf das Schiff gebracht, mit dem geweihten Wasser gefüllt, und aus diesem Dampf erzeugt. Über dem Kessel war ein Apparat angebracht, in dem sich eine Stange auf und ab bewegte, und das Ganze war durch Riemen mit der Achse bzw. den Rädern verbunden. Eine ungeheure Zuschauermenge harrte der Dinge, die da kommen sollten. Nachdem der gesamte Hofstaat und der Kaiser auf einer Tribüne Platz genommen hatten, begann der Rauch sich aus dem kleinen Rauchfang des Kessels zu erheben, das Schiff löste sich vom Platze, die Räder drehten sich, und das Schiff lief trotz des ungünstigen Windes, ja gerade gegen ihn, aus dem Hafen. Erstaunen und Entsetzen bemächtigten sich aller Zuschauer, und ein Teil der Schiffsbesatzung sprang über Bord und suchte durch Schwimmen aus dem Bereich des offenbar verzauberten Schiffes zu gelangen. Das Schiff lief 8 Seemeilen, wozu es zwei Stunden brauchte — der Versuch war glänzend gelungen. Kaiser Karl V., gleichfalls überrascht, glaubte, daß es mit ganz natürlichen Dingen zugehe, gab den Befehl, dem überglücklichen Erfinder 4000 Maravedi auszuzahlen, und verlieh ihm auf der Stelle den Orden der Taube von Kastilien. Zugleich aber gab er seinem Großzahlmeister den Befehl, das Schiff genau zu besehen und dann darüber Bericht zu erstatten. Dieser Bericht fiel nun aber sehr ungünstig aus. Die Erfindung sei völlig wertlos. Zwar sei das Schiff acht Meilen in zwei Stunden gelaufen. Dies könne aber ein gewöhnliches Segelschiff ebenfalls leisten. Dafür berge die neue Maschine eine Menge von Gefahren in sich. Es sei zu befürchten, daß Mannschaften und Passagiere verbrüht würden, der Dampfkessel könne explodieren und größtes Unheil anrichten. Inzwischen wurde auch von anderer Seite gegen Garays Erfindung


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