Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman. Michaela Dornberg

Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman - Michaela Dornberg


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war, er hatte in seinem eigenen Leben keinen Sinn mehr gesehen. Vielleicht war Richard Bellert doch nicht so stark gewesen, wie es nach außen hin immer den Anschein gehabt hatte.

      Zum Glück gab es keine Kinder, die nun am Freitod ihres Vaters verzweifeln mussten, auch keine Ehefrau. Soweit Bettina wusste, gab es da einen Verwandten, der irgendwann einmal alles hätte übernehmen sollen. Dessen Lebensplanung hatte nun auch einen tiefen Riss bekommen, und vielleicht würde er sogar sauer auf seinen Onkel sein. Aber das würde der arme Richard Bellert zum Glück nicht mehr erfahren.

      Toni legte eine Hand auf ihre Schulter.

      »Bettina, nimm es dir nicht sosehr zu Herzen«, sagte er leise, »mir tut er auch leid, und ich konnte es zuerst ebenfalls nicht fassen … Aber es war seine eigene Entscheidung, und so was muss man respektieren … Damals, als Laura sich umgebracht hat, weil sie kein Leben im Rollstuhl führen wollte, war ich verzweifelt, habe mit dem Schicksal gehadert, und es hat lange gedauert, bis ich es akzeptieren konnte. Jeder Mensch hat ein Recht, über sein Leben zu bestimmen. Deswegen finde ich das mit den Patientenverfügungen auch so gut, die Menschen davor bewahren, sinnlos an Apparate und Schläuche angeschlossen zu sein … Selbstmord ist allerdings in meinen Augen keine Lösung … Du gehst doch so gern in die kleine Kapelle, wenn du das nächste Mal dort bist, bete für ihn, mach für ihn ein Kerzchen an, ich glaube, das würde ihn freuen.«

      Er stand auf.

      »Ich muss jetzt wieder an meine Arbeit gehen, die Bestände der Bellert-Produkte exakt mit unseren Lagerlisten vergleichen, denn das wird das Erste sein, was der Konkursverwalter von uns haben will.«

      Sie nickte, und auch als Toni schon längst aus dem Zimmer war, blieb Bettina noch reglos auf ihrem Sessel sitzen.

      Sie lehnte sich zurück und stellte sich Richard Bellert vor, sie sah ihn als fairen aber harten Verhandlungspartner, auch als warmherzigen väterlichen Freund, sie glaubte, seine sonore Stimme zu hören, sein warmes Lachen.

      Er hätte es nicht tun dürfen, dachte sie, als sie schließlich aufstand, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Doch sie war nicht auf der Welt, um über ihn zu richten. Eines würde sie auf jeden Fall tun, so wie Toni es vorgeschlagen hatte, für ihn beten und Kerzen für ihn anzünden, damit seine Seele ihren Weg aus dem Dunkel fand.

      *

      Bettina machte ihr Vorhaben sehr schnell wahr und radelte schon am nächsten Mittag zu der kleinen Fahrenbach-Kapelle, ihrem Lieblingsort, den einer ihrer Vorfahren, wie es schien, speziell für sie hatte bauen lassen. Sie war so gern an diesem stillen Ort mit dieser ganz besonderen Atmosphäre. Sie konnte dort nachdenken, beten, meditieren oder einfach nur still dasitzen, um schon sehr bald diesen unglaublichen Frieden in sich zu verspüren, der sich von der Kapelle auf sie übertrug.

      Sie stellte ein wenig achtlos ihr Fahrrad an einem der Büsche ab, um das letzte Stückchen des Weges zu Fuss zurückzulegen. Auch das war schön, an dem munter plätschernden Bach entlangzulaufen, der es eilig zu haben schien, sich unten im Dorf mit dem Fluss zu vereinen.

      Es war ein strahlendschöner Tag, mit blauem Himmel, auf dem hier und da ein paar weiße Wolken tanzten und einer Sonne, die alles in ein helles, strahlendes Licht hüllte.

      Bettina war sich sicher, um diese Zeit niemanden in der Kapelle vorzufinden, es war mittags, um diese Zeit saßen die Fahrenbacher daheim beim Essen. Aber das war auch gut so, sie war immer froh, allein sein zu dürfen, und heute hatte sie das Bedürfnis ganz besonders.

      Sie öffnete die Tür und erstarrte.

      Sie hätte mit allem gerechnet, doch aber nicht damit.

      In der ersten Reihe links, wo auch sie immer saß, vor der Metallstellage mit den Kerzen, saßen Mark von Borg und seine kleine Tochter Astrid. Sie hatten viele Kerzen angezündet, deren heller Schein bis zu Bettina vordrang.

      Leise wollte sie die Kapelle wieder verlassen, doch beim Knarren der Tür drehte die kleine Astrid sich um, ein Strahlen ging über ihr Gesichtchen, als sie Bettina erkannte. Sie stand auf und kam, ihre Puppe fest an sich gepresst, auf Bettina zugerannt.

      »Hallo, Bettina«, rief sie, und die Freude, Bettina zu sehen, war ihr anzusehen.

      »Hallo, Astrid, das ist aber eine Überraschung, dich hier zu sehen. Sie ist schön, unsere Kapelle, nicht wahr? Ich komme ganz oft hierher.«

      »Wir waren auch schon ein paar Mal hier und haben Kerzen für meine Mami angezündet, das ist schön, aber es macht uns auch traurig, und mein Papi und ich müssen dann immer weinen, weil die Mami uns so sehr fehlt.«

      Es zerbrach Bettina fast das Herz.

      Sie strich der Kleinen sanft über das Haar, das sie heute wieder offen trug, was aber ebenso schön aussah wie die langen Zöpfe.

      Mark von Borg schien bemerkt zu haben, dass seine Tochter nicht mehr an seiner Seite war, dass sich noch jemand in der Kapelle befand. Er stand auf, drehte sich um.

      Mit wenigen Schritten war er bei ihnen, zog Astrid von ihr weg.

      Wieder nickte er nur, doch Bettina sagte freundlich: »Guten Tag, Herr von Borg.«

      Das irritierte ihn, und so fuhr Bettina fort: »Ich habe mich mit Ihnen noch nicht bekannt gemacht. Ich bin Bettina Fahrenbach, die Besitzerin des Fahrenbach-Hofes, und einer meiner Vorfahren hat auch die kleine Kapelle bauen lassen«, fügte sie voller Stolz hinzu.

      »Sie ist wunderschön«, sagte er, »aber wenn Sie sich hier so gut auskennen, können Sie mir vielleicht sagen, wo das Geld für die Kerzen reinkommt? Ich kann kein Behältnis dafür finden.«

      Bettina lächelte.

      Immer mehr ihrer Gäste kamen hierher, vermutlich von Leni animiert oder aber auch aus lauter Neugier, weil die Kapelle nicht nur wunderschön war, sondern auch an einem idyllischen Ort stand.

      »Es gibt keinen Behälter. Wir bringen alle mal Kerzen mit, und auch Blumen für den Altar, wenn uns danach ist … Zünden Sie also Kerzen an so viel Sie mögen, es sind genug da.«

      »Das finde ich keine gute Lösung«, widersprach er. »Fremde kennen diese Gepflogenheit nicht und scheuen sich vielleicht, eine Kerze anzuzünden, weil sie es aus Kirchen nur so kennen, dass man für die Kerzen auch etwas bezahlt. Wissen Sie was, ich werde ein hübsches Behältnis besorgen und es hier aufstellen, dann hat niemand mehr ein Problem damit, Kerzen anzuzünden.«

      »Danke, das ist eine gute Idee, Herr von Borg.«

      Als habe er bereits zu viel gesagt, griff er nach der Hand seiner Tochter und ging mit ihr, nachdem er ein: »Einen schönen Tag noch«, gemurmelt hatte, davon.

      Langsam ging Bettina nach vorn und setzte sich auf den Platz, der gerade frei geworden war.

      Armer Mann, er schien mit dem Tod seiner Frau nicht fertig zu werden.

      Bettina schloss die Augen und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie dachte an Jan, natürlich an ihn zuerst, schließlich war er der Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Ihr Vater kam ihr in den Sinn, der auch viel zu früh gestorben war, ihre Gedanken wanderten weiter zu Bellert, der für sich keinen anderen Weg gesehen hatte, als sich zu erschießen … Warum neigten speziell Männer dazu, ihr Leben hart und grausam zu beenden? Bellert hatte sich erschossen, als er keinen Ausweg mehr für sich gesehen hatte. Inges Ehemann hatte sich nach dem Zusammenbruch seiner Firma vor einen Zug geworfen.

      War es so, dass die nach außen hin so starken Männer mit Niederlagen nicht fertig werden konnten und sich einen … männlichen Abgang verschafften? Frauen griffen da doch eher zu Tabletten …

      Bettina stand auf, um ihre obligatorischen Kerzen anzuzünden, als sie auf dem Fußboden ein kleines Foto entdeckte.

      Sie bückte sich, um es aufzuheben. Es war eine wunderschöne Frau, die ihr strahlend entgegenlächelte und eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der kleinen Astrid hatte.

      Lilly von Borg …

      Sie konnte nicht anders als immer wieder auf dieses Foto zu starren. Das Gesicht war so strahlend, strahlte


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