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zu verbergen und eine möglichst ruhige, unbefangene Haltung anzunehmen.

      »Mir scheint, das Unheil vom Klostergute rückt nun auch auf den Schillingschen Grund und Boden vor,« rief ihm die Majorin bitter entgegen. – »Ich wollte gerade, wie jeden Abend, zu meinen Enkeln gehen, um sie in ihren Bettchen liegen zu sehen, da hörte ich um Hilfe rufen, und der Bursche dort« – sie zeigte nach dem Stalldiener im Glashause – »kam auch über den Weg her und lief mit... Es sieht schrecklich aus, wenn zwei Frauen miteinander ringen, als ginge es ums Leben – und hier hab ich's gesehen, hier auf der Stelle!« – Sie warf einen finsteren Blick nach den Treppenstufen, wo ein schnell wieder verstummendes Rascheln Leben und Bewegung verriet. »Ich weiß nicht, was Ihrer Frau fehlt, Herr Baron,« fügte sie mit scharfer Stimme hinzu. »Die liebe junge Frau da sagt, sie sei fieberkrank, und so etwas muß es wohl sein; denn ein Mensch mit klarem Kopfe, und wenn er nicht gerade durch und durch ein Bösewicht ist, stößt und sticht doch nicht mit dem Messer – da liegt es noch!« – schaltete sie ein und stieß mit dem Fuß an den auf den Boden geschleuderten Dolch – »nach solch einem Bilde, das ihm auf der Gotteswelt nichts getan hat.«

      »Es ist ihm nichts geschehen, es ist unversehrt geblieben – Gott sei Dank!« rief Donna Mercedes völlig selbstvergessen, in so erschütternd zärtlichen Tönen, als sei ihr das Liebste auf Erden gerettet.

      War es nicht, wie wenn ein blendendes Licht in jähem Strahle niederfahre und in den blauen, tiefen Augen des Mannes fortflamme, der dastand, als traue er seinen Sinnen nicht bei diesen nie gehörten, herzbewegenden Lauten? ... Er faßte wortlos nach der Hand, die sein Werk, ein Stück seiner Seele, seines innersten Lebens verteidigt hatte unter Schmerzen, mit der rückhaltlosen Hingebung, wie es nur ein Weib vermag, das – liebt.

      Sie zog hastig und erschrocken die Hand an sich. »Es ist nichts – ein kleiner Hautritz? Und glauben Sie ja doch nicht, daß es ums Leben gegangen sei –« Sie lachte kurz, fast rauh auf, und ihre völlig verwandelte Stimme hatte eine Herbheit, als wolle sie den einen verräterischen Augenblick bitter an sich selber rächen. – »Mein Gott, es versteht sich ja ganz von selbst, daß man Fieberkranke nicht gewähren läßt! – Halten wir uns nicht auf! Sehen Sie denn nicht, daß Ihre Arbeiten im Wasser schwimmen und zugrunde gehen, und daß vor allem die Frau dort nach dem Säulenhause gebracht werden muß?«

      Die Majorin hatte schon ihren durchnäßten Kleidersaum aufgenommen und war an die Treppe getreten. Sie rief die Baronin an, allein keine Antwort erfolgte.

      »Geben Sie sich keine Mühe!« rief Baron Schilling bitter hinüber. »In solchen Fällen kann nur die Pflegerin, Fräulein von Riedt, helfen – ich werde sie holen.«

      Er schloß die in den Garten führende Tür auf und entfernte sich rasch.

      »Und jetzt gehen Sie auch,« sagte die Majorin zu Donna Mercedes. »Es macht mir angst, Sie in den nassen Kleidern und Schuhen zu wissen; und der Doktor muß auch her, um nach der Hand zu sehen... Sie können ganz ruhig sein, ich stehe derweil Schildwache – an dem Bilde soll sich ganz gewiß niemand mehr vergreifen.« Die junge Dame huschte hinaus. Sie blieb noch einen Augenblick im schützenden Dunkel des Türbogens stehen und horchte mit klopfendem Herzen auf die eiligen Männerschritte, die immer entfernter von der Allee herüberklangen; dann suchte sie die am Klosterzaun hinlaufenden Wege auf – sie wollte heute nicht mehr gesehen sein.

      In der Nähe des Säulenhauses sah sie Baron Schilling zurückkommen; Fräulein von Riedt und ein Herr folgten ihm. Die Stiftsdame hielt sich stolz und hochaufgerichtet wie immer; sie sah nicht im mindesten erregt aus, war aber gewissenhafterweise mit den verschiedenen Hilfsmitteln ihres Pflegeramts, wärmenden Schals und Medizinfläschchen, ausgerüstet.

      Kaum eine Stunde nachher fuhr der Wagen der Frau Baronin vor das Säulenhaus, und die Gnädige kam, einen dichten Schleier vor dem Gesicht und auf den Arm ihres Sachwalters gestützt, in Begleitung der Stiftsdame die Treppe herab, um mit dem letzten Zug abzureisen. Der Schillingshof war wie ausgestorben. Fräulein von Riedt hatte streng befohlen, daß sich niemand von der Dienerschaft sehen lasse, und so lauschten nur scheue, bestürzte Gesichter aus dunkeln Winkeln und Verstecken und sahen die graue Schleppe der Herrin draußen in der Säulenhalle verschwinden – sie wußten, daß die Gestrenge ging, um nie wiederzukehren.

      Das war noch ein harter Kampf im Atelier gewesen. Die streitenden Stimmen hatten weit über den nachtstillen Garten hingeklungen; die hochliegende der Frau hatte sich in Vorwürfen und Verwünschungen erschöpft, und dazwischen waren die Einwürfe und Bemerkungen der markigen, tönenden Männerstimme wie wuchtige Keulenschläge niedergefallen. Darauf war die Ateliertür zugeschmettert worden, daß die Wände gezittert hatten, und die lange, graue Gestalt war unter den Platanen hingehuscht, wesenlos und schattenhaft wie der böse Geist, den der Sieg des Rechts aus einem lange behaupteten Seelenwinkel vertrieben.

      Und die Fichten hinter dem Atelier mochten wohl ihre alten Häupter und Bärte geschüttelt haben. Denn so lange sie auf Schillingschem Grund und Boden standen, hatten sie noch kein solch stürmisches Auseinandergehen zwischen Mann und Weib gesehen. Unter den Schillingschen Quer- und Trotzköpfen war manch grimmer Haudegen gewesen, und es hatten auch Frauen da gewaltet, kraftvoll und stark an Leib und Seele, die, ihrer Hausfrauenrechte wohl bewußt, mit strenger Würde ihr Zepter getragen. Aber der Herr war Herr und Gebieter geblieben, mochte die Frau auch Truhen und Schreine voll gediegenen und klingenden Wertes und einen Namen des edelsten Klanges mitgebracht haben; und wenn einer der Eheherren auch noch so wild gepoltert, die alten Bäume des Schillingshofes wußten bis dahin nichts zu erzählen von so bösen, schneidend giftigen Worten aus Frauenmund, wie sie zu dieser schlimmen Stunde durch die Atelierfenster gedrungen waren. – –

      Am anderen Tag verkehrte Baron Schilling lange mit dem Sachwalter, der die Gnädige nur bis an den Wagen begleitet hatte und im Schillingshofe geblieben war. Auch Mamsell Birkner, die Kundige, wurde zu der Beratung gezogen und ihr die Aussonderung alles dessen, »was dagewesen war«, übertragen... Dann, am späten Nachmittage, trat Baron Schilling in die Erdgeschoßwohnung.

      Es war gut, daß Besorgnis und Sehnsucht die Majorin gerade um diese Stunde hinübergetrieben hatten; denn Donna Mercedes schrak fassungslos zusammen und blieb unbeweglich im Fensterbogen stehen, als er, dem anmeldenden Schwarzen auf dem Fuße folgend, unter die Tür trat.

      Er war im Reiseanzug, und draußen hielt der Wagen, der ihn und sein Gepäck zur Bahn bringen sollte.

      »Ich komme, um Frau von Valmaseda und Lucians Kindern mein Heim nochmals zur unumschränkten Verfügung zu stellen,« sagte er der Majorin, den Stuhl, den sie ihm bot, zurückweisend. »Meine gute Birkner und Hannchen werden alles tun, um die Räume so wohnlich wie möglich herzurichten, wenn der fremde Besitz ausgeräumt sein wird.« – Wie das seltsam von seinen Lippen klang, schneidend betont, und dabei von einem sonnenhellen Aufblick, einem tiefen Ausatmen begleitet! – »Ich selbst muß fort! Ich habe das niederbeugende Gefühl, als sei meine Seele verwildert im langjährigen Kampfe mit bösen Eindrücken, und bis nicht alle diese entstellenden Flecken weggespült sind, betrete ich das Haus meiner Väter nicht wieder.«

      Dann trat er in die Fensternische. Er nahm Donna Mercedes Rechte, die auf dem Schreibtisch lag, sanft zwischen seine schönen kräftigen Hände. – Versunken war aller Groll, alle bittere Verhöhnung in der Tiefe der blauglänzenden Augen, die auch jetzt das Feuer ausstrahlten, das gestern ein einziger Augenblick entzündet. »Verzeihung!« flüsterte er, über die junge Dame gebeugt. »Der ungelenke Germane ist ein plumper Stümper in der Seelenkunde gewesen – er wird das mit einer jahrelangen, einsamen Wallfahrt durch die Welt büßen.«

      Und mit den Lippen leise und vorsichtig die verletzten Finger berührend, wandte er sich ab und verließ das Zimmer.

      40.

       Inhaltsverzeichnis

      Die ehemalige Fürstlich Trebrasche Villa lag der Stadt ziemlich nahe. Eine sehr belebte Landstraße mit nebenher laufendem schönen Promenadeweg durchschnitt den einen weit hingestreckten Zipfel des Parkes – es herrschte da steter Verkehr. Tiefer hinein wurde es stiller und stiller;


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