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voller Mondbeleuchtung lag das mächtige Viereck des Ateliers unter ihr, himmelweit verschieden von dem farbenglühenden Gesamtbild, das sie in dem wahren, lebendigen Goldglanz der Nachmittagssonne gesehen, blaß, schemenhaft, und doch voll unheimlichen Lebens und Webens, als husche das scheue Licht mit ausgebleichten, durchsichtigen Schmetterlingsflügeln grüßend um all das Uralte, das Menschenhände vor Jahrhunderten unter dem Monde geschaffen hatten.

      Hier oben sah man den Wintergarten hinter der Glaswand hingebreitet liegen, wie die herrlichen Pflanzenbilder des Meerbodens unter dem grünlichen Wasser heraufdämmern. Der brausende Lärm der Springbrunnen klang stark herüber, und drunten durch die Türöffnung kam es hereingeschwemmt, in breiter Straße laufend und vereinzelte lange, silberne Zacken vorstreckend, wie das Krustengetier seinem kriechenden Körper die Fühler tastend vorausschickt.

      Das alles mit einem Blick umfassend, wandte sich Donna Mercedes nach der Wendeltreppe, um hinabzueilen – da schlug ein Lachen an ihr Ohr, ein halbunterdrücktes und doch frohlockendes Auflachen. Unwillkürlich fuhr sie zurück – ein tiefes Grauen überschlich ihr tapferes Herz. Wem gehörte diese wunderliche hochklingende Stimme? War ein Kind da unten, oder lachte ein Wahnwitziger?

      Sie bog sich über das Geländer und sah hinab. Wohin der Mond schien, war kein lebendes Wesen zu sehen; nur da auf den unteren Treppenstufen, im tiefen, geschützten Dunkel der Ecke, hockte ein zusammengekauerter Gegenstand – ein hingeworfenes Bündel sei es, meinte die junge Dame im ersten Hinsehen. Aber je breiter und rascher das Wasser über die Steinmosaik hinschoß, desto lebendiger wurde es in der Treppenecke, und plötzlich reckte es sich empor und sprang in weitem Bogen in die helle Mondlichtflut hinein. Es war ein Weib – es war die Frau aus dem ersten Stock, die Herrin des Schillingshofes.

      Sie schien in der dunkeln Ecke auf das Herankommen des Wassers gewartet zu haben, und, nun lief sie an den Wänden hin und warf die hingelehnten Bilder um; sie schleuderte die Schriften, die Bücher und Skizzenmappen von den Tischen klatschend auf den Steinboden nieder, und schließlich an den großen runden Tisch tretend, der in der Nähe der Staffelei stand, nahm sie das Dolchmesser auf, mit dem Baron Schilling neulich das Bild aus dem Rahmen geschnitten hatte.

      Mit hochgehobenem Arm ließ sie die glänzende Klinge im Mondlicht blitzen ... Ihre starken blonden Haare sanken ihr vom Kopfe und fielen über den Rücken hinab; das beachtete sie nicht; wohl aber bemühte sie sich, mit der linken Hand die grauseidene Schleppe aufzuraffen, um sie vor dem Naßwerden zu schützen, denn das Wasser netzte bereits die Füße der Frau ... Sie war also nicht wahnsinnig, wie Donna Mercedes gefürchtet, sie handelte mit Überlegung, wenn auch unter dem leitenden Trieb einer heftigen Nervenaufregung.

      So stand sie einen Augenblick zwischen dem Tisch und der Staffelei, den Blick auf das Bild gerichtet, das morgen in die Welt hinausgehen sollte.

      »Über das Gesicht hin, bis in die schamlose Brust hinein – dann wird er erst wissen, was Haß ist, was Haß vermag!« – Sie murmelte diese Worte nur vor sich hin, und doch wurden sie gehört.

      Donna Mercedes war lautlos die Treppe hinabgeschlüpft und stand hinter ihr; und in dem Augenblick, als sie den langen, hageren Leib schlangenhaft hinüberwarf, um mit raschen Dolchschnitten die rührende Mädchengestalt neben der Matrone zu zerfetzen, wurde sie erfaßt und zurückgerissen.

      Aber Donna Mercedes hatte diese Gegnerin unterschätzt. In diesem meist müde, in krankhafter Schwäche vorgebeugten Körper wohnte eine stets verleugnete, fast männliche Kraft. Im ersten entsetzensvollen Schrecken brach sie allerdings in sich zusammen; wilden Blickes warf sie den Kopf herum nach dem unbekannten Wesen, das sie mit weichen, aber kräftigen Armen umschnürte, und stieß ein lautes Hohngelächter aus, als sie das zarte mädchenhafte Gesicht der jungen Dame erkannte. »Ah, die Pflanzerprinzessin! – Was haben Sie hier zu suchen in der Wohnung eines verheirateten Mannes, keusche Donna?« – Mit einem jähen, elastischen Aufspringen versuchte sie zunächst ihre Feindin abzuschütteln – das gelang nur zum Teil, aber ihr rechter Arm rang sich frei; und nun strebte sie abermals wie eine Rasende nach dem Bilde hin und stieß wiederholt nach der Leinwand.

      Donna Mercedes mühte sich ab, ihr das Messer zu entreißen – es war unmöglich. Sie verletzte sich selbst die Hand; unter scharfem Schmerz fühlte sie, wie ihr die Schneide tief in das Fleisch ging und gleich darauf das Blut heiß über den hochgehobenen Arm nach dem Ellbogen hinunterströmte. Und dabei lief das Zittern der Erschöpfung durch ihre Glieder.

      Verzweiflungsvoll rief sie laut und wiederholt nach Hilfe. Ihre volle, klingende Stimme hallte mächtig von den Steinwänden wider, und sie wurde gehört.

      »Lassen Sie mich!« keuchte die Baronin in einem Gemisch von Wut und namenlosem Schieden, als draußen zuerst an der Tür des Glashauses und dann am anderen Eingang in das Atelier heftig gepocht und gerüttelt wurde.

      Allein Donna Mercedes bot ihre letzten Kräfte auf, um die Elende festzuhalten, die im Davonstürzen noch mit einer einzigen Bewegung ihre Absicht ausführen konnte. Und so wiederholte sie unter fortgesetztem Ringen den Ruf: »Hierher!« bis droben der Gobelinvorhang weggeschleudert wurde und Menschen auf die Galerie herausstürzten.

      Der Stallbursche war der erste, der die Treppe herablief, ihm folgte die Majorin auf dem Fuße.

      »Nehmen Sie ihr den Dolch – das Bild ist gefährdet!« rief Donna Mercedes dem Burschen zu. In diesem Augenblick flog die Waffe klirrend auf die Steine – die Baronin hatte sie selbst von sich geschleudert.

      Halb schwankend vor Erschöpfung ließ Donna Mercedes ihre Gefangene nunmehr frei. Aber alle Angst und Anstrengung hatten ihr die Geistesgegenwart nicht zu rauben vermocht – der Untergebene durfte nicht ahnen, daß Bosheit all das Unheil im Atelier und Glashaus angerichtet hatte, über das er entsetzt die Sünde über dem Kopfe zusammenschlug. »Die Frau Baronin ist fieberkrank,« sagte sie in gebietendem Tone zu ihm. »Laufen Sie rasch in das Haus zu Fräulein von Riedt –«

      »Baron Schilling ist eben heimgekommen,« antwortete die Majorin an seiner Stelle, während ihr Blick erschreckt, aber mit sofortigem Verständnis die ganze Sachlage umfaßte. Sie kam raschen Schrittes, kopfschüttelnd, über den überschwemmten Fußboden her und wich mit mißtrauischer Miene seitwärts, als die Baronin schweigend, mit hochaufgenommenen Kleidern an ihr vorüberschoß, um über die Wendeltreppe zu entfliehen. – »Er hat gesehen, wie wir nahe an ihm vorüber in das Haus gelaufen sind, und wird wohl gleich selber da sein,« setzte sie mit gehobener Stimme hinzu. »Mir scheint, er paßt besser hierher als irgend eine Dame.«

      In diesem Augenblicke sank die Baronin mit jenem schrillen Aufschreien, das Donna Mercedes im Säulenhaus schon so oft gehört, auf einer der untersten Treppenstufen zusammen und blieb regungslos liegen.

      »Larifari – das ist Komödie!« sagte die Majorin hart und trat, ohne sich nur weiter umzusehen, zu Donna Mercedes, die eben das Taschentuch in das Wasser zu ihren Füßen tauchte, um es auf die Schnittwunden im Daumen und Zeigefinger zu pressen.

      Die junge Dame schrak zusammen – unter stürmischem Herzklopfen hörte sie, wie Baron Schilling auf die Galerie heraustrat.

      »Was geht hier vor?« rief er in der ersten schreckensvollen Überraschung hinab.

      »Irgend ein Schuft, eine infame Kanaille hat die Abzugsrohren an den Springbrunnen verstopft, gnädiger Herr!« antwortete der Stallbursche vom Glashause herüber, wo er um das Becken watete und eben einen großen Pfropfen zum Vorschein brachte. Er hatte bereits die Springbrunnen abgeschraubt, nur ein einziger rauschte noch, und über den Rand des Beckens schoß das Wasser immer noch klatschend auf den Boden. Baron Schilling eilte die Stufen herab – da stieß sein Fuß an die hingesunkene Frau. Er bückte sich, befühlte ihr Kopf und Hände, und wie jemand, der seine Vermutung bestätigt findet, ging er schweigend von ihr weg und schritt unverweilt auf Donna Mercedes und die Majorin zu.

      Mochte das falbe Licht des Mondes sein Gesicht entstellen, oder machte ihm eine furchtbare innere Bewegung das Blut stocken – er war entfärbt wie ein Toter. Er schien nicht zu bemerken, daß die Werke seiner künstlerischen Hand, seine Skizzen und Entwürfe und viele Lieblingsstücke seiner Sammlungen, wild durcheinander geworfen, vom Wasser bespült und überschwemmt, inmitten des Ateliers lagen; er sah


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