Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge

Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen - Sophus Ruge


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genannt. Auf der andern Seite bezeichnete Nicolo Conti die Chinesen als „innere Indier“.

      Drei Indien erscheinen schon auf einer Karte vom Jahre 1118. Und so ging es fort bis ins 16. Jahrhundert (vgl. das beigegebene Weltbild aus dem Straßburger Ptolemäus, 1513). Kein Wunder, daß auch der beste Kartograph in solcher Verwirrung noch strauchelte, daß Mercator auf seinem ersten Globus von 1543 neben den beiden von Ptolemäus bereits angedeuteten Halbinseln Indiens noch eine weitere Halbinsel nach den Aufnahmen der portugiesischen Entdecker eintrug, so daß wir also auch hier noch mit der Monströsität von drei indischen Halbinseln beschenkt werden.

      Aus diesem weiten Indien kamen seit den gemeinschaftlichen Handelsfahrten Salomos und Hirams nach Ophir, welches wir jedenfalls auf der Westküste Vorder-Indiens zu suchen haben, die kostbaren Produkte über das rothe Meer zu den Ländern am mittelländischen Meere. Griechen und Römer bezogen von dort Wohlgerüche und Gewürze, namentlich Pfeffer; ferner Perlen und Edelsteine, Elfenbein und Ebenholz. Der prächtige Pfau, den die Griechen zum Liebling der stolzen Hera erhoben, den die Soldaten Alexanders wild antrafen in indischem Waldgebiete, war nebst den buntfarbigen Papageien schon zu Salomos Zeit im Westen bekannt geworden. Feine baumwollene Gewänder und Zucker kamen aus demselben Gebiete. Den Umsatz in diesen Luxusartikeln gibt bereits Plinius auf etwa 16 Millionen Mark jährlich an.

      Aber aus noch weiter entlegenen Ländern kamen kostbare Stoffe unter dem Namen serischer Gewänder nach dem Westen, ohne daß man anfangs das Heimatland gekannt hätte. Daß, wenn auch durch Zwischenhandel, die Seidenstoffe (denn nur diese werden unter serischen Kleidern verstanden) aus China kamen, beweist der Name. Das chinesische Wort für Seide ist sz’ oder sse mit dem in r verkürzten Suffix örr, also sser der Seidenstoff.[1] Nun ist merkwürdig, daß wenn auch am Ende des Alterthums die Kenntniß der griechisch-ägyptischen Kaufleute sich bis zu den chinesischen Strömen erstreckte, und auf dem Wasserwege der Name Thinai oder Sinai bekannt wurde, man dieses Land doch von dem der Serer unterschied; denn die Kunde von diesem letzteren Volke war zu Lande durch Mittelasien nach Westen gedrungen. Geographisch setzte man die große Stadt Sera und das Land der Serer, Serica, stets nördlicher an, als das Land Thinai oder Sinai. Diese Doppelgängernatur wiederholt sich noch einmal im 16. Jahrhundert, als die Portugiesen von ihren Seefahrten den Namen Tschina (China) mit heimbrachten, während schon durch venetianische Kaufleute im 13. Jahrhundert das Reich Kathay (China) bekannt geworden war. Daß beide Benennungen auf das nämliche Land wiesen, erkannten zwar schon im Beginn des 17. Jahrhunderts katholische Glaubensboten, allein man nahm die Thatsache nur zögernd an.[2]

      Doch wenden wir uns noch einmal zurück, um die allmähliche Erweiterung der Kenntnisse von Süd- und Ostasien kurz zu skizziren.

      Vor Alexander dem Großen war kein Grieche nach Indien gelangt. Herodot, welcher zuerst die Baumwolle nennt, berichtete nur nach Hörensagen. Erst die Zeitgenossen des makedonischen Königs schildern uns als Augenzeugen das Land. Megasthenes gab die erste klare Vorstellung von der Gestalt und Begrenzung Indiens. Die Halbinselform tritt klar hervor. Onesikritos kennt schon die wichtige Insel Taprobane (Ceylon). Beide berichten, daß im südlichen Indien das Gestirn des großen Bären allmählich unter dem Horizonte verschwinde, und daß der Schatten nach Süden falle. Verhängnißvoll war es für die kartographische Darstellung, daß der berühmte Eratosthenes, durch falsche Anwendung von Distanzentfernungen veranlaßt, die Gestalt Vorder-Indiens derart verzerrte, daß die Halbinselfigur fast gänzlich verwischt wurde. Und als seiner Autorität mehrere Jahrhunderte danach auch Ptolemäus folgte, blieb diese irrige Auffassung maßgebend bis ins 16. Jahrhundert. Außerdem verschuldete Eratosthenes auch, daß der Abstand von Alexandrien bis zur Indus-Mündung um mehr als 200 deutsche Meilen zu groß angenommen wurde und daß im weiteren Verlaufe später die äußersten bekannten Küsten Asiens viel zu weit nach Osten verlegt wurden: eine Verzerrung, die im späteren Mittelalter, als man die Reiserouten Marco Polos bis nach China kartographisch niederzulegen suchte, sich dermaßen ins Ungeheure steigerte, daß der Ostrand Asiens bis nahe vor die Küste von Californien und Cipango (Japan) in Mexiko hineinreichte. So nach der Darstellung auf dem Globus Martin Behaim’s 1492.

      Den Haupthandel nach dem Osten trieben die griechischen Kaufleute Aegytens schon seit der Ptolomäerzeit. Ihnen verdanken wir im 1. und 2. Jahrhundert die Kenntniß der Insel Java und die erste directe Berührung mit China. Der äußerste Punkt, den der griechische Kauffahrer Alexandros im 1. Jahrhundert n. Chr. erreichte, war das vielbesprochene Cattigara, ein Handelshafen, der wahrscheinlich nicht fern von der Mündung des Jangtsekjang lag[3]. Das war die äußerste Grenze des Wissens im Alterthum und blieb’s, wenigstens bei den Europäern, auch bis zum Ende des Mittelalters, bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts.

      Der Name China oder Tschina, mit dem besonders der südliche Theil des Landes belegt wurde, ist uralt und höchst wahrscheinlich durch malaische Seefahrer den westlichen Schiffern mitgetheilt. Wir werden in dieser Annahme noch bestärkt durch die Wahrnehmung, daß uns auch jetzt noch die meisten Küstenlandschaften des südöstlichen Asien in malaischer Form geläufig sind, wie Birma, Pegu, Siam, Cambodja, Kotschi (Cochinchina), Maluka, Burnei (Borneo) u. a.

      Ceylon bildete den Sammelplatz der Handelsschiffe, dort trafen chinesische Händler mit Persern, Arabern und selbst Byzantinern zusammen, welche letztere auf äthiopischen Schiffen Indien erreichten. Zur Zeit der Herrschaft der Ptolomäer in Aegypten war der Canal vollendet worden, welcher den Nil mit dem rothen Meere verband. Auch der Kaiser Hadrian hat im 15. Jahre seiner Regierung für die Wiederherstellung dieses wichtigen Wasserweges gesorgt, und der Hafen Klysma am rothen Meere trat an die Stelle der alten Emporien von Myos-Hormos und Berenike. Mindestens bis ins 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung war der Canal in brauchbarem Zustande, denn noch um 590 n. Chr. berichtet Gregor von Tours davon, und erst nach der Mitte des 8. Jahrhunderts wurde er, bereits versandet, zugeschüttet. Von Klysma gingen griechische Schiffe direct nach Indien, und auf ihnen besuchte der griechische Hafenbeamte jährlich das Heimatland der Gewürze. Justinian versuchte sogar, wenn auch vergebens, den Seidenhandel statt über Persien durchs rothe Meer nach Klysma zu ziehen. So erhielt sich die Beziehung zum fernen Morgenland bis zum 7. Jahrhundert, wenn auch die geographischen Kenntnisse keine Bereicherung erfuhren. Die Gründung des Islam und die Herrschaft der Araber in Aegypten änderte die Sachlage wesentlich, denn der unmittelbare Verkehr der Byzantiner und damit des Abendlandes mit Indien mußte seit jener Zeit eingestellt werden.

      Es blieb sonach nur der schwierige Landweg übrig. Die Handelsrouten vom Mittelmeer nach Indien und China haben naturgemäß mit viel größeren Schwierigkeiten zu kämpfen als der Seeverkehr. Nicht allein die bedeutende räumliche Entfernung der Länder und die durch den langwierigen Transport der Waaren gesteigerten Kosten schränkten die Handelsbewegung ein. Es wurden zwar bei der Unwegsamkeit der Hochgebirge, die zu übersteigen waren, bei der Wüstennatur weitgedehnter Landstriche, die zu überwinden war, verschiedene Wege eingeschlagen, bequemere Paßübergänge gesucht. Allein es spielten hier auch die politischen Ereignisse in Innerasien eine hervorragende Rolle, indem sie die Wegelinien entweder verschoben oder den Durchgang zu Kriegszeiten gänzlich sperrten. Trotzdem hat das kostbarste Produkt Chinas, die Seide, immer wieder ihren Weg nach dem Abendlande gefunden, seitdem ihre Vorzüge dort erkannt und geschätzt worden waren. Der Seide verdanken wir die frühesten Aufhellungen des asiatischen Hochlandskernes.

      Nachdem schon mehrere Jahrhunderte vor Christo die Seide in Syrien bekannt gewesen war, ohne daß wir den Weg nachzuweisen vermöchten, wie sie dahin gelangte, drangen chinesische Heere siegreich ins Tarimbecken ein. Ihnen folgte im Jahre 114 v. Chr. die erste chinesische Handelskarawane, überstieg die Pässe des Pamirplateaus und gelangte bis zu den turanischen Handelsstädten. Nachfolgende große Handelszüge überschwemmten die Märkte am Amu und Syr Darja derart mit Seidenzeugen, daß diese in ihrer Werthschätzung bedeutend sanken. Aber sie gelangten in Folge dessen weiter und weiter nach Westen, wo die Nachfrage nach den kostbaren Gewändern immer lebhafter wurde. Auf zwei Straßen zog man durch die Steppen und Sandwüsten des Tarimbecken, entweder nördlich vom Steppenflusse Tarim an dem Fuße des Himmelsgebirges, des Tienschan, entlang, eine Straße, die in unseren Tagen


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