Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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einen Zweck die eigentlich hatte, das mußte ich aus Blodwens Person schließen, die trotz aller weiblichen Neugier, von der sie über eine gute Portion verfügte, diese Messer noch mit keiner Frage wieder erwähnt hatte.

      Beim Anblick dieser grünen Wiese aber kam es ihr in die Erinnerung.

      »Du, Richard,« sagte sie plötzlich, »wozu haben wir eigentlich die riesigen Messer machen lassen müssen? Die wären doch eigentlich wie geschaffen dazu, um dieses grüne Zeug zu durchschneiden.«

      Mein Entschluß war sofort gefaßt. Jetzt war die Gelegenheit gegeben.

      Ich ließ das Schiff etwas aus dem Wind gehen, daß es sich mit dem Schnabel nach Süden richtete, dorthin, wohin mit Absicht wohl noch kein Schiff den Kurs genommen hat, wollte nicht die ganze Besatzung Selbstmord begehen, rief alle Mann vor dem Mast zusammen.

      So und so, erklärte ich kurz, das ist ein Ausläufer der großen Fucusbank von Sargasso, die ihr doch alle kennt, mindestens schon von ihr gehört habt – ich bin von dem kleinen Kapitän Algots beauftragt, sie zu durchqueren, mitten durch das Zentrum hindurch – erst gehen wir noch einmal nach der Goldküste. – Wer von euch macht dann diese Expedition mit?

      Es war begreiflich, daß keiner der Leute zunächst eine Antwort wußte. Die Sache kam ihnen zu überraschend. Denn obgleich ich ihnen gar nichts hiervon gesagt hatte, waren sie doch von allein zu der festen Ueberzeugung gekommen, daß wir ein Schaustellerschiff begründen wollten, um uns schlicht und recht durchs Leben zu schlagen, was so ihren Beifall gefunden hatte. Und nun fing ich plötzlich von solch einer abenteuerlichen Expedition an.

      Es war ganz gut, daß Blodwen am wenigsten auf den Mund geschlagen war, gleich die Sprecherin für alle machte.

      »Karlemann will dich durch diese schwimmende Grasbank schicken?«

      »Ay, durch die Fucusbank, auf einem genau vorgeschriebenen Wege.«

      »Und das sagst du mir erst jetzt?!« erklang es etwas pikiert.

      »Ay, erst jetzt,« gab ich so gleichmütig wie vorhin zurück. »Karlemann hat mich beauftragt, erst auf der Rückfahrt beim Anblick der Fucusbank davon zu sprechen.«

      Das stimmte zwar nicht ganz, aber das konnte ich doch machen wie ich wollte. Eigentlich sollte ich ja gar nicht darüber sprechen. Daß ich für gewöhnlich mein gegebenes Wort nicht brach, darf der Leser mir wohl glauben. Doch es gibt eben Ausnahmen – ich habe ja schon früher zur Genüge erklärt, was mich dazu bewog, meine Leute schon vorher wenigstens in etwas einzuweihen, um was es sich handelte. Man kann der Mannschaft nicht vorflunkern, man wolle eine Vergnügungsfahrt nach Norwegen machen, und dann geht es direkt nach dem Nordpol. Kurz, ich handelte nach bestem Gewissen.

      Und bei Blodwen erwachte die Neugier, die alles andere vergessen ließ.

      »Und aus was für einem Grunde? Was gibt’s denn da drin zu finden?«

      »Das weiß vorläufig nur Gott und Karlemann, so weit hat er mich selbst noch nicht eingeweiht,« sagte ich wiederum nicht ganz der Wahrheit gemäß, und dann fuhr ich mit schallender Stimme fort:

      »Leute – ich habe oder werde eine geographische Ortsbestimmung bekommen, mitten im Zentrum der großen Fucusbank gelegen, das noch keine Schiffsbesatzung lebendig, das wohl überhaupt noch kein Schiff erreicht hat. Dort drinnen gibt es ein Geheimnis zu entdecken, ein Rätsel zu lösen – welches, weiß ich selbst noch nicht. Vielleicht werden wir Schätze finden – vielleicht auch nicht – vielleicht nur den Tod. Um durch den festgewachsenen Fucus zu kommen, habe ich jene Schwerter oder Messer anfertigen lassen, deren Gebrauchsfähigkeit ich dann gleich prüfen lassen werde. Wißt ihr, weiß ein jeder von euch, was diese grüne Wiese zu bedeuten hat, die jetzt so harmlos um uns herumschwimmt? Ich gebe euch eine halbe Stunde Bedenkzeit, geht jetzt einmal in die Foxl, lest in den Nachschlage- und in den Spezialbüchern nach, was für eine Bewandtnis es mit dieser Fucusbank von Sargasso hat, wie jedes Schiff unrettbar verloren ist, um das sich einmal der lederartige Seetang gestrickt hat – lest nach, wie dort das Wasser bei Windstille fault, was für pestilenzialische Dünste ihm entsteigen – es werden auch Männer unter euch sein, die davon erzählen können, ob nun Selbsterlebtes oder Gehörtes – ob Wahres oder Erfundenes – hört sie an und erwägt, beratet euch – dann gebt mir Antwort, ob ihr bereit seid, mich in diesen grünen Tod zu begleiten. Geht in die Foxl und lest nach!«

      Ich hatte gesprochen. Aber die Leute standen wie die Mauern, keiner rührte sich.

      »Geht in die Foxl und lest in der Bibliothek nach!« wiederholte ich.

      Keiner ging.

      »Wat schalln wi?« nahm da endlich einer der Matrosen das Wort, wer es war, ist gleichgültig, er sprach die Meinung aller aus. »Wat schalln wi denn da irst in dee Bükers leehsen? Wenn der Käpten geiht, geihn wi ok, un wenn ok dee Düwel drin stecken deit.«

      Es gibt solch kleine Situationen, die sich gar nicht weiter beschreiben lassen. Da kann es einem plötzlich so siedendheiß zum Herzen emporsteigen. Mir wenigstens.

      Kurzum, die Angelegenheiten war schon erledigt, niemand brauchte erst in ›dee Bükers nachtoleehsen‹. Ich mußte den Leuten erst klarmachen, daß wir zuvor noch einmal nach Karlemanns Leuchtturminsel gingen, durfte aber nicht wagen, sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie sich die Sache bis dahin ja also immer noch überlegen könnten. Das hätten sie grimmig übelgenommen.

      Aber die Versuche mit den Messern wurden sofort gemacht.

      Jedes derselben war sechs Meter lang, dabei etwas gebogen, so daß es sich der Krümmung des Schiffsbugs genau anschmiegte, zwanzig Zentimeter breit, hinten beträchtlich stark, vorn von außerordentlicher Schärfe, der Stahl verzinnt und mit einem Lacküberzug versehen.

      Es konnte bequem von einem einzigen Manne eingelassen und wieder herausgehoben werden, diese sägende Bewegung war überhaupt vorgesehen gewesen, ebenso seitliche Drehungen.

      Ich ließ wieder etwas in den Wind drehen, nur ein schwacher Hauch traf die Segel, vorn hatte sich der Seetang, der sich wie Leder anfühlte und auch dessen Zähigkeit besaß, schon ganz beträchtlich angehäuft, aber er wurde bei der ersten Bewegung zerschnitten, wie die Butter vom Rasiermesser.

      Nun allerdings war dieser Fucus hier ja schon nicht mehr mit dem Meeresboden verwachsen. Aber um so stichhaltiger war doch eigentlich diese Probe hier mit dem lose treibenden Tang. Wenn die Japaner eines ihrer berühmten Schwerter prüfen, so werfen sie eine Gurke in fließendes Wasser, halten die Klinge ruhig entgegen, und die treibende Gurke muß von ihr glatt durchgeschnitten werden. Das ist doch jedenfalls eine andere Prüfung, als wenn man auf eine Gurke mit aller Macht draufhaut.

      Kurz, ich war mir jetzt sofort klar, daß die Fucusbank, und mochte der Tang im Zentrum noch so dicht zusammenstehen, einem Schiffe, das diese Vorrichtung besaß, überhaupt keinen Widerstand mehr bieten könne. Vor meinen Augen schwand hiermit eigentlich jegliche Gefahr.

      Was hinderte mich noch, die abenteuerliche Fahrt durch die schwimmenden Meereswiesen sofort anzutreten, da wir doch auch mit Kohlen und allem reichlich verschen waren? Nichts weiter, als das Karlemann gegebene Versprechen, zuerst noch einmal »Massa,« trat da Goliath an mich heran.

      Auch als Bootsmann redete er mich nie Kapitän an, sondern blieb nach wie vor bei dem bei Niggern und besonders Sklaven beliebten ›Massa‹, und ich ließ den Kauz gewähren.

      »Was gibt’s, Bootsmann?«

      »Ich habe in des Schiffsarztes Kabine etwas gefunden.«

      Goliath hatte nämlich mit Uebernahme der Unteroffiziersrolle Dr. Selos frühere Kabine bezogen.

      »Etwas gefunden?!« wiederholte ich, schon von einer ganz undefinierbaren Ahnung erfüllt.

      »Mir fällt vorhin, als ich etwas nähen will, die Nadel herunter, sie verkrümelt sich in einer Spalte, wo zwei Eisenplatten nicht dicht zusammengenietet sind, ich will sie mit einer anderen Nadel hervorholen – da kommt dieses Papier zum Vorschein.«

      Er gibt mir den kleinen Streifen Papier. Ich sehe ihn mit Zahlenreihen bedeckt, mit Bleistift geschrieben, die


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