Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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war der schwerste Portwein, mit dem er zwei Gläser füllte.

      Wie ich zu dieser Stellung käme, ob ich nicht Seemann sei.

      Ich erzählte, von dem wilden Stiere, alles, soweit ich durfte.

      »Na, die Stellung halten Sie mal feste, junger Mann,« sagte er, und dabei pumpte er immer ein.

      Er fragte weiter; aber durchaus nicht neugierig, er bedauerte die Lady, deren Verhältnisse er kannte, durch die Hunde waren sie zusammengekommen, und dann fing er von Argentinien an, wo er in seiner Jugend gewesen war, ich auch, und so schwätzten wir immer weiter, aßen Brot und Schinken und tranken ein Glas nach dem anderen.

      Dann führte er mich in seinen Keller, der ganz mit Flaschen und Fässern vollgepfropft war, da wurde probiert, und dann ging es oben weiter.

      Der Alte bekam nach und nach gläserne Augen, fing an zu lallen, blieb aber noch immer trinkfest.

      »Damn’d, kannst du aber saufen!« sagte er zuletzt bloß noch.

      Um fünf mußte ich zurück. Der Alte wollte mich nicht fortlassen, ich ließ mich aber nicht halten. Er begleitete mich auf den Hof hinaus, konnte noch ganz gut gehen – mit einem Male aber kam er ins Schießen, nach dem Misthaufen hin, drehte sich ein paarmal im Kreise, dann legte er sich auf den Mist und streckte alle viere von sich. Ich überließ ihn den lachenden Knechten. Zu fürchten war nichts, er fing gleich an zu schnarchen.

      »Da ist er einmal an den Unrechten gekommen,« hörte ich hinter mir sagen. Aber damals wußte ich ja noch gar nichts von den Gepflogenheiten dieses Farmers.

      Zu Hause angekommen, fragte ich wegen eines Bades und erhielt es. Als ich dann in meinem Zimmer die letzte Hand an mich legte, sah ich vom Fenster aus auf dem Wege, der nach jener Farm führte, einen Reiter angesprengt kommen, den ich als einen Reitknecht hier von der Villa erkannte. Ich dachte mir nichts weiter dabei.

      Schlag sechs Uhr meldete mich David der Lady an, die mich diesmal in einem im Parterre gelegenen Salon empfing. Sie war zum Ausgehen bereit, hatte eine Mantille um.

      »Würden Sie mich auf einer Spazierfahrt begleiten?«

      »Sehr gern doch.«

      Jetzt fiel mir etwas ein. Gleich bei meinem Eintreten hatte sie mich wieder einmal mit so großen Augen angesehen, und ich entsann mich, daß mich alle Diener, denen ich bei meiner Rückkehr begegnet, noch mehr aber nach dem Bade, so eigentümlich von der Seite angesehen hatten.

      War der Reitknecht vielleicht auf der Farm gewesen und hatte hier erzählt, wie wir beide dort gebügelt hatten? Wußte es auch die Lady und glaubte sie nun etwa, ich brächte statt zweier kleiner Hunde einen großen Affen mit? Ich mußte innerlich lachen.

      »Was sagte Mr. Cockswell?«

      Ich teilte ihr des Farmers Auskunft über die bestellten Hunde mit.

      »Schade! Ein sehr netter Mann, dieser Cockswell, nicht wahr? Gehen wir!«

      Die Equipage war schon vorgefahren, nur mit dem Kutscher auf dem Bock. Ein Lakai öffnete wohl den Schlag, blieb dann aber zurück.

      Beim Einsteigen nahm sie meine Hand an, und dann, als ich hinter ihr stand, sie aber noch nicht ganz drin war, wie sie noch ihren Rock hochhob, merkte ich erst, was für eine feine Kladderasche sie anhatte. Es war ein himmelblaues Kleid, von so einem Stoffe, den man wohl ›duftig‹ nennt, obschon er gar nicht zu riechen braucht, darunter kickten noch eine ganze Menge von weißen Spitzen hervor, dazu niedliche Halbschuhchen, die wie die Goldkäfer glänzten, und … Herr du meine Güte, und dabei ganz zerrissene Strümpfe!! Faktisch, ein Loch am andern!

      Als der Lakai die Tür zugemacht hatte, konnte ich erst gar nichts sehen, weil die Fenster mit blauen Gardinen verhangen waren. Ich hätte mich beinahe auf die Lady draufgesetzt.

      »Bitte, setzen Sie sich mir gegenüber.«

      An ihrer Stimme erkannte ich, wo sie saß, dann gewöhnte sich mein Auge an die Dunkelheit, und ich ließ mich ihr gegenüber auf dem Rücksitz in einer Ecke nieder.

      Fort ging es. Es war und blieb in der Kutsche dunkel, schwül und langweilig. Die wollte weder ein Fenster noch ihren Mund aufmachen.

      Ich träumte. Das taktmäßige Rucken des Wagens verwandelte sich in eine Melodie.

      Du stolze Blodwen freue dich »Du stolze Blodwen freue dich, Dein König geht und kämpft für dich, Dein König, dein König, der Richard Löwenherz.«

      Ich konnte mich dagegen wehren, wie ich wollte, diese Melodie summte mir ständig in den Ohren, im Geiste mußte ich dazu auch den Text singen, und vor meinen Augen sah ich immer die zerrissenen Strümpfe.

      Es ist doch merkwürdig mit solchen feinen Stadtleuten – auch wenn sie auf dem Lande wohnen! Außen herum kann’s nicht fein genug sein, Goldkäferschuhe, und dann ganz durchlöcherte Strümpfe! Und wenn das nun bei den Strümpfen schon so ist, die man doch manchmal sehen kann, wie mag da erst das andere beschaffen sein, was man für gewöhnlich nicht sieht, was sie auf dem Leibe tragen!

      Na, wenn bei mir an Bord ein Matrose mit zerrissenen Strümpfen herumliefe – mit dem wollte ich aber längsfahren! – und das nicht etwa wie hier in einer gepolsterten Equipage.

      Es wurde noch dunkler, weil wir in einen dunklen Wald kamen, und es begann überhaupt zu dunkeln. Wohin wollten wir eigentlich? Wir hätten bald umkehren können, ich dachte lebhaft ans Abendbrot, und – und – ich weiß nicht, ich hatte immer so einen Bratengeruch in der Nase.

      Aber das war langweilig! Sollte ich einmal etwas sagen? Nein! Kapitän und Steuermann – dabei sollte es bleiben!

      Ich mochte dieses verdammte Lied von Richard Löwenherz ungefähr zum hundertsten Male singen, als sie endlich den Mund aufmachte.

      »Sie haben wohl eine gute Bildung genossen, Herr Steuermann, wenn ich fragen darf?«

      Ich wußte sofort, woran ich war. Jawohl, zu dieser Frage war sie sogar sehr berechtigt. Ein Jachtbesitzer muß sich doch seinen Kapitän ansehen, daß er nicht einen ungebildeten Runks in die Kajüte bekommt. Doch sollte ich etwa alle die Schulfächer herzählen, die ich durchgebüffelt hatte? Ich wußte mich anders auszudrücken.

      »O, was das anbetrifft, Mylady – ich kann noch den ganzen Ovid auswendig, und vom Homer alle Stellen, wo es eine Hauerei gibt – im Urtext, meine ich – ich kann auch die Bibel im Urtext lesen, weil ich im Hebräischen Privatstunden hatte. Ich sollte nämlich Pastor werden. Auch Klavier spielen kann ich noch recht gut. Nur geht dabei meistenteils das Klavier kaputt.«

      Ein schluchzender Laut erscholl, und ich sah an den Schattenumrissen, wie sie schnell ihr Taschentuch vors Gesicht führte. Nanu, warum fing die denn mit einem Male zu weinen an? Oder – oder – wollte die etwa ein Lachen ersticken? Was gab’s denn da zu lachen? Ich hatte doch gar nichts Lachhaftes gesagt?

      Doch nein, sie hatte sich nur einmal die Nase geputzt. Sonst wäre ihr Ton nicht gleich wieder so ruhig gewesen.

      »So, Pastor hatten Sie werden sollen?«

      »Ja. Das heißt, ich sollte Theologie studieren. Es war der heißeste Wunsch meiner Eltern, mich dereinst auf der Kanzel predigen zu sehen. Ich betone das ›sehen‹ – Sie wissen schon – so in der schwarzen Kutte mit der mächtigen Halskrause und nun recht tüchtig mit den Armen herumgefuchtelt. Aber ich hatte keine Lust zum Pastor. Als es so weit war, wurde ich lieber Schiffsjunge.«

      Wieder mußte sie sich die Nase putzen.

      »Sie haben als Seemann wohl recht viel erlebt? Ach, bitte, erzählen Sie doch etwas!«

      Ja, das konnte ich. Die Hauptsache war mir, daß mir dabei das verdammte Lied von Richard Löwenherz mit den zerrissenen Strümpfen nicht mehr in den Ohren summte.

      Eine halbe Stunde erzählte ich, schilderte einige besondere Episoden, und wenn wir keinen großen Bogen machten, fuhren wir noch immer


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