Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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lang ließ sich Lady Blodwen von solchen Gaunern beschwindeln. Dann sah sie selbst ihre Hoffnungslosigkeit ein. Was nun tun? Es war eben gar nichts zu machen. Mit den Verhältnissen ganz unbekannt, hatte sie sich in ihrer phantastischen Weise sogar an die Regierung der Vereinigten Staaten um Hilfe gewendet, Amerika sollte deswegen mit England einen Krieg anfangen.

      Lächerlich? Ich fand das durchaus nicht lächerlich. Man muß sich nur in die Seele solch eines jungen Weibes zu versetzen suchen. Ich selbst an ihrer Stelle hätte vielleicht eine Räuberbande organisiert.

      Die Oeffentlichkeit dachte hierüber anders, sie beging ja auch sonst tolle Streiche genug – es wurde über sie ein gerichtlicher Vormund gesetzt, sie kam unter Kuratel.

      Freilich war das nur dem Namen nach. Der Vormund hätte nicht ihre Residenz betreten dürfen, die tolle Lady hätte ihn mit eigener Hand niedergeschossen oder ihn mit Hunden gehetzt.

      Also auch heiraten durfte sie nicht wieder, wollte sie nicht auch noch ihre letzten Rechte verlieren. Dann wäre ihr Vermögen noch bei ihren Lebzeiten geteilt worden.

      Es sind niederträchtige Streiche verübt worden, um die Witwe wieder an den Mann zu bringen. In allen Gestalten haben sich die Freiersleute ihr genaht, freiwillige, die sich mit den Zinsen des vierten Teiles für Lebenszeit begnügt hätten, und noch mehr gekaufte, bestochene, die im Auftrage der anderen Erben handelten. Da sind ihr niederträchtige Fallen gestellt worden, selbst vor Vergewaltigungen hat man nicht zurückgeschreckt. Freimütig erzählte mir Mrs. Milner einige solche Fälle. Ich gebe das hier nicht wieder, das gehört der Vergangenheit an.

      Nur will ich hier gleich die Namen derer nennen, welche bei der Teilung des Vermögens in Betracht kamen, mit denen Lady Blodwen also den aussichtslosen Kampf führte. Wir haben nämlich mit diesen später noch viel zu tun, denn das sind die Personen, mit denen ich noch auf Leben und Tod ringen sollte, ihnen habe ich es zum größten Teil zu verdanken, daß sich mein Schicksal so furchtbar gestaltete. Doch ich habe einen Grund, nur ihre Vornamen zu nennen.

      Es sind dies: Lord Hektor, Lord James, Baronet Ralph, Lady Marion. – – –

      »Nun können Sie wohl begreifen, warum sich meine Cousine hinter Mauern verbirgt. Bei jedem Bissen, den sie genießt, muß sie an Gift denken. Denn jenen Menschen ist alles zuzutrauen. Aber wiederum ist Blodwen viel zu stolz, um Furcht zu zeigen. Sie hat nur Verachtung. Also nicht etwa, daß sie ihre Speisen erst von einem Hunde kosten läßt. Aber was dabei in ihr vorgeht, können Sie sich wohl vorstellen. Und nicht einmal ins Ausland gehen kann sie. Der gerichtliche Vormund hat durchgesetzt, daß sie über den Empfang der Zinsen und sonstigen Einkünfte aller Vierteljahre quittieren muß, und zwar auf englischem Boden. Nach außerhalb würde sie keinen Penny bekommen. Also wäre sie gezwungen, wollte sie nicht verzichten, aller Vierteljahre nach England zu kommen. So etwas gibt’s bei Blodwen natürlich nicht. Nun ist sie eben gezwungen, in England zu bleiben, und mag es auch noch so freiwillig aussehen – es ist dennoch ein Zwang, der ihr am Herzen frißt.«

      Sie hatte sehr ausführlich erzählt. Wohl eine Stunde lang. Und ich hatte schweigend zugehört, sie mit keinem Worte unterbrochen, so sehr ich mir auch manchmal Zwang antun mußte, z. B., als sie davon anfing, wie der Kerl seine junge Frau geprügelt hatte. Himmeldonnerwetter noch einmal, da … da hatte ich etwas im Halse hinterwürgen müssen.

      Auch jetzt sagte ich minutenlang noch kein Wort.

      Da aber mit einem Male erscholl in dem Zimmer ein donnernder Krach. Der Tisch neben mir, sonst ein ganz solider, vierbeiniger Tisch, war mit Flasche, Glas und Teller in sich zusammengesunken, lag plattgedrückt am Boden. Und ich hatte doch nur mit der linken Hand daraufgeschlagen. Freilich wohl etwas zu derb.

      Man kann sich wohl vorstellen, wie das wirkte.

      Diese Totenstille, ich sitze bewegslos da, und plötzlich haue ich mit einem donnernden Krach, mit dem Knalle eines Kanonenschusses, den ganzen Tisch zusammen.

      Glücklicherweise schien die Dame starke Nerven zu besitzen. In Ohnmacht fiel sie wenigstens nicht, sprang vielmehr auf, freilich tödlich erschrocken genug.

      »Um Gottes willen, was machen Sie denn?!« stieß sie mit schreckensbleichem Munde hervor.

      Auch ich war aufgesprungen, vielleicht nicht minder erschrocken, und starrte auf den platt gewordenen Tisch herab, in dessen Decke Weinflasche, Glas und Teller unversehrt gebettet lagen.

      »Ich bitte um Entschuldigung – es geschah nicht mit Absicht,« murmelte ich, »und das war wirklich meine Schuld – ich will den Tisch bez … «

      »Ach, das ist ja gar nicht der Rede wert,« unterbrach sie mich, gleich vollständig wieder gefaßt, »im Gegenteil, es freut mich, daß sie auf solch kräftige Weise Ihrer Entrüstung Ausdruck gaben; denn das war es doch offenbar, und ich liebe solche Kraftnaturen.«

      Erleichtert atmete ich auf, als die Tür aufgerissen wurde und der zittrige Alte angsterfüllt hereinkam.

      »Ist denn hier geschossen worden?!«

      »Nee,« entgegnete ich, »das war nur der letzte Seufzer dieses Tisches, ehe er sich zum Sterben niederlegte. Machen Sie, daß Sie wieder nauskommen.«

      Als ich mich wieder der Mrs. Milner zuwandte, war ich wieder äußerst erregt.

      »Nein – das ist ja unerhört – so was ist in der Weltgeschichte ja noch gar nicht dagewesen!!« polterte ich los. »Gegen die Vergewaltigung mit dem Vermögen scheint freilich nichts mehr zu machen zu sein – da muß sie sich eben fügen, so bitter ihr das auch ankommen mag – aber sonst – daß man sie durch diese Geldabholerei hier festgenagelt hat – i der Deiwel noch einmal – das würde ich mir doch nicht gefallen lassen, da wüßte ich gleich einen Ausweg!«

      »Einen – Ausweg?« flüsterte die Dame, plötzlich ganz große Augen bekommend.

      »Natürlich, ist denn die Lady oder sonst noch niemand darauf gekommen?«

      »Was meinen Sie? Ich verstehe Sie nicht.«

      »Na, die Lady kauft sich einfach eine Jacht, ein Schiff, das richtet sie sich als ihre Welt ein – und in dieser ihrer eigenen Welt braucht sie kein Gift und keinen Heiratsantrag zu fürchten.«

      »Ja, aber da muß sie doch noch immer aller Vierteljahre …«

      »I Gott bewahre! Natürlich muß das Schiff unter englischer Flagge fahren. Dann bedeutet dieses Schiff ein Stückchen englischen Bodens. Die Flagge macht jede registrierte Planke zum Boden des Heimatlandes selbst.«

      »Das gilt aber doch nur für englische Gewässer.«

      »I Gott bewahre! Für die ganze Welt! Ganz egal, ob Sie in Amerika oder in China oder in Honolulu sind – im Schatten der englischen Flagge, die rechtskräftig registriert ist, befinden Sie sich überall auf englischem Boden – geschrieben an Bord meines Schiffes den soundsovielten – und Sie schreiben auf englischem Boden – Ihre Unterschrift muß allerdings beglaubigt werden; aber hierzu ist nicht einmal ein englischer Konsul nötig, das kann der Gemeindevorsteher des kleinsten Fischerdorfes besorgen, und die Bestätigung dieses Dorfschulzen, ob deutsch oder englisch oder sonstwas, ist vor aller Welt unanfechtbar! Muß sich die Lady ihr Geld immer selbst abholen?«

      »Das ist durchaus nicht nötig. Sie kann es sich überallhin schicken lassen; aber eben nur in England, und ihre Unterschrift muß sie auf englischem Boden geben.«

      »Na, dann kann sie es sich auch nach Honolulu schicken lassen; an Bord jedes Schiffes, auf welchem die englische Flagge weht, befindet sie sich auf englischem Boden – auf englischem Boden gibt sie ihre Unterschrift.«

      Immer starrer wurde der auf mich gerichtete Blick.

      »Das ist – ja gar nicht – möglich!«

      »Na, geehrte Madam, ich werde Ihnen doch keine Märchen erzählen.«

      »Das sollten doch aber auch die Gegner der Lady gewußt haben, als sie …«

      »Natürlich wissen die das. Und die können auch nichts daran ändern. Die können wohl juristische Kunststückchen machen, aber das mit der


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