Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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Beefsteak mit Bratkartoffeln. Jawohl, gespeist hatte ich heute schon einmal – vor sechs Stunden – Butterbrot mit kaltem Käse. Von der Fatje Mine hatte ich heute mittag nun sowieso nichts mehr zu erwarten, meine Antwort war daher schnell gefaßt.

      »Nee.«

      »Ich darf Sie wohl als meinen Gast bewirten?«

      »Wird mit Dankbarkeit akzeptiert.«

      »Und inzwischen überlegen Sie sich, was für einen Wunsch ich Ihnen erfüllen kann.«

      »Hören Sie, Mylady, das geht wirklich gegen meine …«

      Eine gebieterische Handbewegung schnitt mir das Wort ab, und es war wirklich eine Handbewegung, gegen die nicht so leicht ein Widerspruch aufkommen konnte.

      Die Dame hatte sich erhoben, hob auch die Hand, und fast feierlich erklang es:

      »Ich bin die Lady Blodwen von Leytenstone. Verstehen Sie, was das heißt? Ich gestatte Ihnen, an mich eine Bitte zu richten. Und dieser Wunsch soll Ihnen erfüllt werden. Was es auch sei. Verstehen Sie? Was es auch sei! Was es auch sei!!! Die Steine vom Himmel kann ich natürlich nicht herunterholen. Aber sonst – bei Thor und Odin! – Ihr Wunsch soll erfüllt werden! Das spricht die Lady Blodwen von Leytenstone! Und nun gehen Sie und überlegen Sie reiflich!«

      Ich muß offen gestehen: ich war wie niedergedonnert. Wie das Mädel nur dastand, etwas vorgeneigt, die Hand erhoben, einen Finger schüttelnd – und nun diese blauen, weitgeöffneten Augen, wie das plötzlich aus denen blitzte – und dann diese Worte, mit solch einer Wucht gesprochen – »bei Thor und Odin!!« – na, kurz und gut, ich langer Geselle wurde ganz kopfscheu. Ein Diener mit silbernen Fransen und Klunkern machte vor mir eine Verbeugung, was ich für eine Einladung hielt, ihm zu folgen – ich tat es.

      WIE ICH SPEISTE UND MIR DANN ETWAS NICHT GEFALLEN LIESS.

       Inhaltsverzeichnis

      Welchen Weg ich nahm, bis ich in ein kleines Zimmer geführt wurde, weiß ich nicht mehr.

      Wirr jagten die Gedanken durch meinen Kopf. Himmel, welche Zukunft eröffnete sich meinen Augen! Ich sah mich schon am Ziele meiner sehnlichsten Wünsche, die bereits den inhalt meiner Kinderträume gebildet hatten.

      Wenn die mir 50 000 Taler pumpte! Ich wollte sie ihr gut verzinsen. Ach, schon 30 000 Taler genügten! Dafür bekommt man schon ein schiff. Wenigstens genügt dann die Anzahlung, und man hat noch immer Kapital für Versicherung und dergleichen in Händen. und was wollte ich nicht aus meinem schiffe machen! und mochte es auch ein noch so elender Holzkasten sein – aber eine Besatzung wollte ich zusammentrommeln und ausbilden, wie die Welt sie noch nicht gesehen hatte! und als selbständiger Kapitän würde ich nicht mit dem lieben Gott in Frankreich tauschen! Freilich hieß es dabei arbeiten, daß die schwarte knackte! Aber was gibt es denn schöneres im Leben, als arbeiten, besonders, wenn man Erfolg dabei hat? In drei Jahren mußte das schiff mein schuldenfreies Eigentum sein. und nun dann erst – ach, ihr gekrönten Fürsten der Erde, was für willenlose sklaven seid ihr gegen mich!

      Nun kennt man mein ideal. Es war nicht so leicht zu verwirklichen. Wer pumpte einem armen schlucker wie mir 30 000 Taler? und soll sich einmal ein seemann, der gegen Heuer arbeitet, so viel zusammensparen. Da war es wirklich besser, er verjuxte die in zwei schweren Jahren erarbeiteten sechshundert Taler in drei Tagen. Da hatte er wenigstens eine schöne Erinnerung davon.

      Außerdem wird man mir zugestehen müssen, daß ich trotz allen anmaßenden Stolzes, der mich manchmal packte, höchst bescheiden war. Ich wollte nichts geschenkt haben, ich dachte sofort an eine Verzinsung, und ich dachte nicht gleich an Millionen, mit welchen sonst bei Schiffstaufen gerechnet wird. Auch meine Lebensansichten waren gewiß sehr gesund. Ein Leben ohne Arbeit konnte ich mir gar nicht vorstellen.

      »Ihr Wunsch soll erfüllt werden. Was es auch sei. Ich bin die Lady Blodwen von Leytenstone. Ihr Wunsch soll erfüllt werden – bei Thor und Odin!«

      Diese Worte hallten noch mit Wucht in meinen Ohren. Und wenn ich sie nun beim Worte nahm? Ich dachte einmal an eine Forderung von Millionen. Mit einer Art von Schamgefühl verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder.

      Dann hatte sie selber gesagt, daß sie unter Kuratel stände. Aber daß sie mir 30 oder 50 000 Taler verschaffen könnte, daran zweifelte ich trotzdem nicht. Wer in solch einer Residenz lebt, sich solch kostbare Spielereien leisten darf, der muß auch solch eine Summe auftreiben können. Die Kuratel hebt doch nur das Verfügungsrecht über das Kapital auf. Zu dieser Erkenntnis reichten meine Lebenserfahrungen aus.

      Der Anblick eines gedeckten Tisches rüttelte mich aus meinen Träumereien auf, indem ich mir sagte, daß ein Beefsteak im Magen besser als ein fremder Ochse auf der Wiese ist.

      Es war ein sehr kleines Zimmer mit wenigen Möbeln, aber prachtvoll, ganz eigenartig. Ich wurde durch Mosaik und Wandgemälde lebhaft an die Räume des ausgegrabenen Pompeji und Herculanum erinnert, die ich gesehen hatte. Nur stellten die Gemälde Szenen aus dem altchristlichen Leben dar, desgleichen die Glasmalereien der Fenster, und … da an der Glastür war ja auch mein lieber Petrus, dem ich meine unzerschundenen Hände und meine heilen Hosen verdankte! Er war nicht allein, sondern in Gesellschaft der anderen elf Apostel.

      Doch gegenwärtig war für mich die Hauptsache, daß der Tisch schon gedeckt war. Der Diener mit den silbernen Klunkern servierte schnell. Erst kam Suppe, Bouillon mit Spargel, Blumenkohl und Gott weiß was. Dann gab es Fisch – einen Fisch, dem ich Salzwasserratte im Meere noch nicht begegnet war.

      Er schmeckte ja recht gut, hatte nur ein bißchen viel Gräten, und sonst – hm – ich dachte sehnsuchtsvoll an meinen gefällten Ochsen, von dem mir ein Stück aus den Rippen heraus viel lieber gewesen wäre.

      Da kommt der Klunkermann schon wieder und bringt auf einer silbernen Platte zwei mächtige Beefsteaks! Na, dann ließ ich es mir gefallen. Daß auf den Beefsteaks ein ganzes Gemüsebeet arrangiert war, wäre gar nicht nötig gewesen.

      Ich hatte das zweite Beefsteak noch nicht ganz aufgegessen, als der Lakai abermals hereinkam und … einen großen Vogel angeschleppt brachte. Nämlich einen gebratenen! Auf der Platte!

      Und da ging mir die große Ahnung auf! Ich sollte ja speisen! Speisen!!! Und ich speiste Table d’hote! Ahaaa!!!

      Ich hatte schon viel von Table d’hote gehört und gelesen, aber selber Table d’hote gespeist hatte ich noch niemals. Schon seit sechs Jahren, nein, seit acht Jahren, seitdem ich als Matrose fuhr, hatte ich, wenn ich abgemustert war und Geld in der Tasche hatte, immer gern einmal in einem Hotel Table d’hote speisen wollen, war aber nie dazu gekommen. Wenn ich’s ausführen wollte, war immer das Geld schon alle gewesen. Ich hatte immer den geschminkten Frauenzimmern zu viel Champagner in den Hals gegossen, und dann mußte ich wieder trocken Brot knabbern.

      Und nun endlich sah ich mein Ideal, soweit es das Essen anbetraf, verwirklicht! Ich speiste Table d’hote! Wirklich, es war mir ganz feierlich zumute, als ich mich über den gebratenen Vogel hermachte. Als sich dann später meine Kenntnisse in der gebratenen Zoologie erweiterten, erinnerte ich mich, daß es ein Fasan gewesen war. Innerhalb einer Viertelstunde hatte ich ihn tadellos skelettiert. Und da kam schon wieder etwas anderes – etwas, was ich nicht entziffern konnte – so ein kunterbuntes Gemengsel, das halb nach Fleisch, halb nach Gurke, halb nach Sirup und nach Gott weiß was schmeckte. Aber gut schmecken tat’s. Und so ging das weiter. Immer eine Schüssel nach der andern kam herein. Gezählt habe ich sie nicht.

      Der silberne Klunkermann grinste manchmal. Ich ließ ihn grinsen. An Bord meines Schiffes hätte er es freilich nicht tun dürfen.

      Zuletzt kam Brot, Butter und eine große Platte mit verschiedenem Käse, wo ich noch einmal tüchtig hineinhaute. Dann war ich wirklich satt. Behaglich lehnte ich mich zurück, streckte die langen Beine aus, und jetzt kam mir voll und ganz zum Bewußtsein, was ein silberner Zahnstocher zu bedeuten hat.

      Nachdem ich den Genuß des Stocherns genügend ausgekostet hatte, ergab ich mich einem zweiten Genusse:


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