Self-Development And The Way To Power. L.W. Rogers

Self-Development And The Way To Power - L.W. Rogers


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hinaus in das schwarze Vakuum.

      Ich muss den Pub wiederfinden, den mit der schummrigen Ecke in der Nähe des Fernsehers. Früher oder später wird sich jemand melden und nach mir fragen.

      Doch im nächsten Augenblick hat er dieses Vorhaben bereits vergessen.

      DribkcalB eyB eyB.

      Mühsam gelingt es ihm, den Reißverschluss seiner Hose hochzuziehen. Dann wankt er zum Waschbecken und erblickt sein Gesicht, das ihn fragend anschaut, im Spiegel. Er ist sich nicht sicher, was er erwartet hatte, doch zumindest nicht dies:

      Er sieht ein paar große braune Augen unter dunklen Brauen. Seine vollen Haare sind ebenfalls dunkel und nur an den Schläfen von feinen grauen Strähnen durchzogen. Eine kräftige, gerade Nase und die Andeutung einer Kinnspalte. Ein weicher, keltischer Typus, der in Großbritannien nicht weiter auffällt. Eine bürgerliche Erscheinung, alles in allem. Doch irgendetwas – gewisse unerwartete Begebenheiten – scheint ihn so erschüttert zu haben, dass sein ebenmäßiges Gesicht alle Klarheit verloren hat. In den dunklen Augen ist kein Funken Selbstsicherheit zu erkennen. Die Lippen wirken verschwommen, weil sie zittern, und das Zucken in einem Augenwinkel erschreckt ihn. Das Beunruhigendste ist jedoch seine krankhaft bleiche Gesichtsfarbe.

      Er spürt, wie das Zittern sich im Körper ausbreitet, bis zur Kinnspitze wandert und die Wangen befällt. Seine eigenen? Schockiert muss er sich eingestehen, dass ihm sein Gesicht fremd ist. Er hat es nie zuvor gesehen. Es gehört einem anderen. Und mit dem Verlust der Brieftasche hat er auch den Beweis seiner Identität eingebüßt.

      Er ist eine Nicht-Person.

      Kam er nicht sofort an die Luft, würde er ohnmächtig werden. Er tritt vom Spiegel zurück, dreht sich abrupt um und entdeckt eine zweite Tür, die nicht ins Lokal führt. Ein grüner Schriftzug leuchtet über ihr: Emergency Exit. Sie ist verschlossen, doch der Schlüssel steckt im Schloss. Er dreht ihn herum und öffnet. Schließt hinter sich die Tür und befindet sich auf einem düsteren Parkplatz hinter dem Gebäude. Es ist völlig dunkel geworden. Zwischen den Autos stiehlt er sich davon und biegt mit schnellen Schritten in eine alleeartige Seitenstraße ein. Als er jemand rufen hört, beginnt er zu laufen, obwohl er vermutet, dass die Rufe nicht ihm gelten. Zum ersten Mal in seinem Leben – glaubt er – prellt er die Zeche. Entsetzlich peinlich war das, und er spürt, wie ihm die Röte ins Gesicht steigt.

      Nicht leicht und federnd läuft er, sondern steif und verkrampft, und es dauert nicht lange, bis er nach Atem ringt. Seine Form ist auch nicht mehr die Beste, falls sie es je gewesen war. Er hastet einen dürftig beleuchteten Kiesweg entlang, der zu einem parkähnlichen Gelände führt. Hampstead Heath vermutlich. Es musste ziemlich groß sein und bot vielfältige Möglichkeiten, im Dunkeln das Weite zu suchen. Doch andererseits hat er immer noch das Gefühl, sich in einem Tunnel unter der Erde zu befinden, einem Korridor mit gewölbter Decke, an dessen Ende kein Licht zu erkennen war.

      Schließlich muss er stehen bleiben, sich nach vorne beugen und die Arme auf die Schenkel stützen.

      Zwischen den hohen Bäumen ist es kühl und feucht, doch vom angestrengten Laufen ist ihm warm geworden. Er richtet sich auf und lauscht seinem hämmernden Herzen. Wenn er verschnauft hatte, würde er geradeaus weitergehen, quer durch den Park hindurch. Einen Weg oder eine Straße auf der anderen Seite finden, nach einer U-Bahn-Station Ausschau halten und sich vom erstbesten Zug an einen gemütlicheren, helleren Ort bringen lassen, weit weg vom Lokal, dem er Geld schuldete. Hoffentlich erwischte er eine Linie, bevor die U-Bahn Feierabend machte. Doch noch war genug Zeit, mehrere Stunden. Er ist satt. Der Duft faulenden Grases brennt in seiner Nase.

      Geld.

      Warum ein schlechtes Gewissen haben? Eigentlich hatte er ja reinen Tisch machen, zur Bedienung gehen und versichern wollen, dass er morgen seine Schulden bezahlen würde:

      Ich kann Ihnen meinen Namen und die Adresse geben. Nein, meinen Pass habe ich leider nicht dabei. Der ist mir zusammen mit meinem Portemonnaie abhanden gekommen. Gott weiß, wo ich ihn verloren habe, ha-ha.

      Gefolgt von einem gewinnenden, entschuldigenden Lächeln.

      Und Ihr Name war ...?

      Er hätte zugeben müssen, dass er seinen Namen nicht kannte.

      Er spürt einen leichten Stoß gegen sein Knie, fast so wie die Stoßstange des Lieferwagens vor einer Weile. Doch hier gab es keine Autos, kein Licht, keinen Verkehr, niemand außer ihm selbst. Was er berührt hatte, war das einzige Möbelstück, das man in freier Natur finden konnte: eine Parkbank. Er legt seine Hand auf die Armlehne, lässt sich schwer auf die Bank fallen, lehnt sich nach hinten und saugt begierig die feuchte Luft in die Lungen. Der Schmerz hinter den Schläfen lässt langsam nach; es kommt ihm vor, als würde er einen eitrigen Zahn loswerden. Er ist wieder allein, auf den abenteuerlichen Pfaden eines unbekannten Dschungels mit gleichmäßig verteilten Bänken unter dem dichten Blätterdach.

      Wie ist es möglich, dass er sich plötzlich wie befreit fühlt, so unendlich erleichtert, obwohl er immer noch nicht weiß, warum er in London ist, was ihn hierher geführt hat? Im nächsten Augenblick bricht er in Tränen aus, doch wirklich unglücklich ist er nicht.

      Als es auf sieben Uhr abends

      zuging, nahm sie den Fahrstuhl zur gelbfarbenen Rezeption des großen Hotels hinunter. Mit klopfendem Herzen wandte sie sich an einen Angestellten hinter dem Tresen.

      »My husband ... Something must have happened.«

      »Do you want us to call the police, Madam?«

      »Yes, please.«

      Da der Angestellte Wert auf Diskretion legte und das Gespräch mit der Polizei auf dem Hotelzimmer stattfinden sollte, fuhr sie mit dem Lift wieder nach oben. Sie setzte sich auf die äußerste Stuhlkante ans Fenster und wartete. Lauschte ihrem Herzschlag, presste die Knie aneinander und rauchte zwei Zigaretten, während sie mit aller Macht versuchte, die zunehmende Angst zu kontrollieren. Der eintretende Polizist hatte Sommersprossen im Gesicht und eine Mütze in der Hand statt eines Helms auf dem Kopf. Er gab ihr die Hand und stellte sich als Sergeant Dave Orgill vor.

      »Linda Blix.« Sie fügte hinzu, sie sei Norwegerin und habe ihren Mann nicht mehr gesehen, seit sie sich vor circa fünf Stunden im Pub Black Lion voneinander verabschiedet hätten. Womöglich sei ihm etwas zugestoßen.

      »His name, Mrs. Blix?«

      »Steinar ... Steinar Blix.«

      Weil er nicht sicher war, wie man das schrieb, holte sie Steinars Pass, der auf dem Toilettentisch lag. Er notierte sich den Namen auf seinem Block und fügte das Geburtsdatum hinzu: 23. August 1947. Sie teilte ihm mit, dass sie aus gewissen Gründen im Besitz seiner Brieftasche und ihr Mann vermutlich ohne Geld und Legitimationsmöglichkeit unterwegs sei.

      Dave Orgill nickte freundlich und machte sich Notizen; seine Gegenwart hatte etwas Beruhigendes. Er nahm die Sache ernst und ihr damit aus den Händen, zumindest für eine Weile. Nannte mindestens hundert gute Gründe, warum ihr Ehemann den Pub hätte verlassen können. Zunächst aber wolle er einen Rundruf an die Notaufnahmen der Krankenhäuser senden. Nachdem er das gesagt hatte, sprach er in sein Handy und buchstabierte den Namen Steinar Blix so, wie er im Pass stand. Er meinte, sie würden kurzfristig eine Nachricht erhalten, falls der Vermisste irgendwo eingeliefert worden sei.

      Während sie warteten, erkundigte er sich ausführlich, wie das Wetter in Norwegen zu dieser Jahreszeit wäre, und Linda, die begriff, dass er sie beruhigen wollte, gab bereitwillig Auskunft. Als schließlich sein Handy piepte, erfuhren sie, dass alle Nachforschungen bislang erfolglos geblieben waren. Vielleicht war es das Beste, wenn sie ihn auf das Revier begleitete.

      Der sommersprossige Sergeant fuhr sie zur unweit gelegenen Kensington Police Station, wo er von einer Kollegin in Zivil mit roten Zöpfen abgelöst wurde. Sie hieß Elizabeth Parkins, war in ihrem Alter – um die vierzig – und bot ihr eine Tasse Tee an. Warum waren sie nach London gekommen?

      Teils aus beruflichem, teils aus privatem Interesse, erklärte Linda. Vor allem ihr Mann habe eine anstrengende Zeit hinter sich und dringend Urlaub benötigt. Am


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