E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман


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bei dir stehen, gewinne ich dich doch immer mehr lieb, wackrer Berganza. Erlaube mir, daß ich ganz absichtslos dir meine Zuneigung auf eine, wie ich weiß, dir wohltuende Weise bezeige.

      Berganza rückte, etwas weniges prustend, mir näher, worauf ich ihm mehrmals den Rücken nach dem Schweife zu streichelte und kratzte; er bewegte, vor Vergnügen und Wollust ächzend, den Kopf hin und her und drückte und schmiegte sich unter meiner wohltätigen Hand. Als ich endlich aufhörte, ging das Gespräch weiter fort.

      Berganza. Bei jeder angenehmen körperlichen Empfindung kommen mir auch im Geiste die lieblichsten Bilder vor, und eben jetzt sah ich die holde Cäcilia, wie sie einmal in dem einfachen weißen Kleide, das dunkle Haar in glänzenden Zöpfen gar zierlich zusammengeflochten, aus der Gesellschaft weinend in ihr Zimmer trat. Ich ging ihr entgegen und kroch, wie ich zu tun pflegte, mich zusammenkauernd, zu ihren Füßen. Da faßte sie mich mit beiden Händchen beim Kopfe, und indem sie mit ihrem hellen Auge, in dem noch eine Träne glänzte, mich anblickte, sagte sie: »Ach! – Ach! sie verstehen mich nicht! – Keiner, die Mutter auch nicht. – Darf ich denn mit dir reden, du treuer Hund, wie ich es meine tief im Herzen? Ach, ich kann es ja doch nicht aussprechen, und könnt' ich es, du würdest mir nicht antworten, mir aber auch nicht wehe tun.«

      Ich. Das Mädchen – die Cäcilia wird mir immer interessanter.

      Berganza. – Gott der Herr, dem ich meine Seele empfehle, an der der Verruchte keinen Teil haben soll, unerachtet ich ihm höchstwahrscheinlich den noble Vénetien verdanke, worin ich mich nun schon solange auf der großen Redoute hier unten umhertreibe – ja! Gott der Herr hat die Menschen gar mannigfaltig geschaffen. Die unendliche Varietät der Doggen, der Spitze, der Bologneser, der Pudel, der Möpse ist gar nichts gegen das bunte Allerlei der spitzen, stumpfen, aufgeworfenen, gebogenen Nasen; gegen die zahllose Variation der Kinne, der Augen, der Stirnmuskeln; und ist es möglich, die Summe der unterschiedlichen Sinnesarten, sonderbaren Ansichten und Meinungen nur zu denken?

      Ich. Wohin soll das führen, Berganza?

      Berganza. Nimm es für eine allgemeine oder auch gemeine Reflexion.

      Ich. Aber du kommst wieder ganz ab von deiner Katastrophe.

      Berganza. Ich wollte dir nur sagen, daß meine Dame alles, was sich von irgend bedeutenden Künstlern und Gelehrten am Orte befand, in ihr Haus zu ziehen gewußt, und zusammentretend mit den gebildetsten Familien, so einen literarisch-poetisch-künstlerischen Zirkel gebildet hatte, an dessen Spitze sie stand. Ihr Haus war in gewisser Art eine literarisch-künstlerische Börse, wo mit Kunsturteilen, mit Werken selbst, mitunter auch mit Künstlernamen allerlei Geschäfte gemacht wurden. – Die Musiker sind doch ein närrisches Volk!

      Ich. Wieso, Berganza?

      Berganza. Hast du nicht bemerkt, wie die Maler meistens so störrisch und eigensinnig sind, wie sie bei übler Laune kein Lebensgenuß freut, wie die Dichter nur im Genuß ihrer Werke sich wohlbefinden? Aber die Musiker schweben geflügelten Fußes über alles hinweg; leckere Esser und noch bessere Trinker, befinden sie sich bei der guten Schüssel und bei der Prima-Sorte von allen Sorten Wein im Himmel, alles um sich vergessend, sich versöhnend mit der Welt, die sie zuweilen schadenfroh stachelt, und gutmütig dem Esel verzeihend, daß sein Ya keine reine Septime macht, weil er doch nun einmal als Esel nicht anders singen kann, – kurz, die Musiker spüren den Teufel nicht, und säße er ihnen auf der Ferse.

      Ich. Aber, Berganza, warum nun mit einem Male wieder diese Abschweifung?

      Berganza. Ich wollte sagen, daß meine Dame gerade von den Musikern die größte Verehrung genoß, und, wenn sie nach sechswöchentlicher Privatübung eine Sonate oder ein Quintett takt- und ausdruckslos abstümperte, von ihnen die erstaunlichsten Lobeserhebungen erhielt; denn ihre Weine, von erster Hand bezogen, waren vortrefflich, und Steaks aß man in der ganzen Stadt nicht besser. –

      Ich. Pfui! – das hätte Johannes Kreisler nicht getan!

      Berganza. Doch, er tat's. – Es liegt hierin keine Speichelleckerei, keine Falschheit; nein, es ist ein gutmütiges Übertragen des Schlechten, oder vielmehr ein geduldiges Anhören verworrener Töne, die vergebens danach ringen, Musik zu werden, und diese Gutmütigkeit, diese Geduld entsteht aus einer gewissen innern wohlbehaglichen Rührung, die nun wieder der gute Wein, nach einer vortrefflichen Speise reichlich genossen, unausbleiblich hervorbringt. – Ich kann die Musiker um des allen nur lieben, und da überhaupt ihr Reich nicht von dieser Welt ist, erscheinen sie, wie Bürger einer unbekannten fernen Stadt, in ihrem äußern Tun und Treiben seltsam, ja lächerlich, denn Hans lacht den Peter aus, weil er die Gabel in der linken Hand hält, da er, Hans, seine Lebtage hindurch sie in der rechten Hand gehalten.

      Ich. Aber warum lachen gemeine Menschen über alles, was ihnen ungewöhnlich ist?

      Berganza. Weil das Gewöhnliche ihnen so bequem geworden, daß sie glauben, der, welcher es anders treibt und hantiert, sei ein Narr, der sich deshalb mit der ihnen fremden Weise so abquäle und abmartere, weil er ihre alte bequeme Weise nicht wisse; da freuen sie sich denn, daß der Fremde so dumm ist und sie so klug sind und lachen recht herzlich, welches ich ihnen denn auch von Herzen gönne.

      Ich. Ich wünschte, du kämest jetzt zu deiner Dame zurück.

      Berganza. Schon bin ich bei ihr. Meine Dame hatte die eigne Manier, alle Künste selbst treiben zu wollen. Sie spielte, wie schon gesagt, ja sie komponierte sogar, sie malte, sie stickte, sie formte in Gips und Ton, sie dichtete, sie deklamierte, und dann mußte der Zirkel ihre abscheulichen Kantaten anhören und ihre gemalten, gestickten, geformten Zerrbilder anstaunen. Kurz vor meiner Ankunft ins Haus hatte sie mit einer bekannten mimischen Künstlerin, die du oft gesehen haben wirst, Bekanntschaft gemacht, und von da an schrieb sich der Unfug her, der nun mit den mimischen Darstellungen in dem Zirkel getrieben wurde. Meine Dame war wohlgebildet, indessen hatte das herannahende Alter die an und für sich selbst schon starken Züge des Gesichts noch tiefer eingefurcht, und überdies waren die Formen des Körpers etwas über das Üppige heraus verüppigt, und doch stellte sie dem Zirkel die Psyche dar und die Jungfrau Maria und was weiß ich für andere Götter- und Heiligengestalten. – Der Teufel hole die Sphinx und den Professor der Philosophie! –

      Ich. Welchen Professor der Philosophie?

      Berganza. In dem Zirkel meiner Dame waren bisweilen sehr obligat: der Musiker, der Cäcilien unterrichtete, ein Professor der Philosophie und ein unentschiedener Charakter.

      Ich. Was willst du mit dem unentschiedenen Charakter sagen?

      Berganza. Nicht anders kann ich den Mann bezeichnen, von dem ich nie erfahren konnte, was er eigentlich meinte, und da ich nun gerade der drei gedenke, kann ich nicht umhin, ein Gespräch unter ihnen anzuführen, das ich belauschte. Der Musiker sah die ganze Welt in dem Widerschein seiner Kunst, er schien schwachen Verstandes, weil er jede flüchtige Äußerung des Wohlgefallens an derselben für bare Münze nahm und die Kunst sowie den Künstler überall hochgeehrt glaubte. Der Philosoph, in dessen jesuitisch-faunischem Gesicht sich der wahre Hohn über das gewöhnliche menschliche Tun und Treiben spiegelte, trauete dagegen keinem und glaubte an den Ungeschmack und an die Roheit wie an die Erbsünde. Er stand mit dem unentschiedenen Charakter einmal im Nebenzimmer am Fenster, als der Musiker, der wieder in den höheren Regionen schwebte, zu ihnen trat. – »Ha!« rief er aus. – doch erlaube mir, daß ich, um das ewig wiederkehrende: »antwortete er, sagte er,« zu vermeiden, gleich in der Gesprächsform erzähle. – Läßt du unsere jetzige Unterhaltung drucken, so muß das Gespräch im Gespräch gehörig eingerückt werden.

      Ich. Ich sehe, lieber Berganza, daß du alles mit Kenntnis und Einsicht behandelst. Zu merkwürdig sind deine Worte, als daß ich sie nicht wie ein zweiter Campuzano wiedererzählen sollte. Dein Gespräch im Gespräch ordne, wie du willst, denn mir ahnet's, daß ein aufmerksamer Verleger dem Setzer einen wahren Floh ins Ohr setzen wird, damit er ja alles gehörig, wie es dem Leser wohlgefällig und leicht ins Auge tritt, einrichte.

      Berganza. Also das Gespräch:

      »Der


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