E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман


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erschien, strömte alles mit den größten Lobeserhebungen auf sie zu, indem sie mit kindlicher Unbefangenheit nicht begreifen konnte, was man denn so lobe, und alles tief Ergreifende der Darstellung auf die effektvollen Anordnungen des Dichters und des Musikers schob. Nur Madame war unzufrieden, da sie wohl fühlte, daß sie mit ihren nach Gemälden und Zeichnungen studierten und tausendmal vor dem Spiegel versuchten Posituren niemals auch nur einen Schatten der Wirkung hatte hervorbringen können, die Cäcilien auf das erste Mal so gelungen war. – Sie bewies sehr künstlich, was Cäcilien noch alles fehle, um eine mimische Künstlerin zu sein, welches dem Philosophen die leise boshafte Bemerkung ablockte, daß Cäcilien doch durchaus nicht geholfen sein würde, wenn Madame ihr das, was sie zur mimischen Künstlerin zu viel habe, abgebe. Madame beschloß damit, daß Privatstudien sowie der Unterricht in der Naturphilosophie es nötig machten, ihre mimischen Darstellungen vorderhand einzustellen. Diese im höchsten Unmut gegebene Erklärung sowie der Tod eines Verwandten änderten überhaupt die ganze Einrichtung des Hauses. – Dieser Alte war eine der possierlichsten Erscheinungen, die mir jemals vorgekommen.

      Ich. Wie das?

      Berganza. Er war von vornehmen Eltern geboren; und weil er etwas mit dem Bleistift kritzeln und auf der Violine schaben konnte, hatten sie ihm in jüngern Jahren eingebildet, er verstehe etwas von der Kunst. Das hatte er endlich geglaubt und nun so lange von sich selbst keck behauptet, bis es auch andere glaubten und ihm eine gewisse Geschmacks- Tyrannei, die er sich in seiner guten Zeit anmaßte, willig einräumten. Das konnte nun, da man nur zu bald seine Schwächlichkeit einsah, nicht lange dauern. Indessen datierte er von dieser Zeit seines höchsten eingebildeten Glanzes die kurze Periode des goldnen Zeitalters der Kunst und schimpfte ziemlich grob auf alles, was nachher ohne sein Zutun und, ohne die ihm eingeprägten Ammenregeln der Profession zu beachten, gefertigt worden. Der Mann war im Umgange, wie seine Periode, mittelmäßig und langweilig, aber in seinen künstlerischen Versuchen, die er noch nicht ganz aufgeben konnte und die natürlicherweise höchst betrübt ausfielen, ebenso ergötzlich als in seinem komischen Eifer gegen alles, was über seinen kleinen Duodez-Horizont hinausragte. – Kurz, als der Mann, der mit seinen schiefen Kunstansichten bei seinem noch immer großen Einfluß viel Schaden hätte anrichten können, endlich glücklicherweise starb, befand er sich gerade im sechsten Alter.

      Ich. Ganz recht: Das sechste Alter Macht den besockten hagern Pantalon, Brill' auf der Nase, Beutel an der Seite; Die jugendliche Hose wohl geschont, 'Ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden; Die tiefe Männerstimme, umgewandelt Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt In seinem Ton!

      Berganza. Du hast deinen Shakespeare wacker auf der Zunge! – Genug, der komische Alte, der nicht unterließ, alles höchlich zu bewundern, was meine Dame unternahm, war nun tot, und die Zirkel auf einige Zeit gestört, bis der Sohn eines Hausfreundes von der Akademie zurückkam und eine Anstellung erhielt, da wurde das Haus meiner Dame wieder lebendiger.

      Ich. Wie geschah das?

      Berganza. Kurz und gut, Cäcilia wurde an Monsieur George (so nannte ihn der schwindsüchtige Papa, dessen Bild mit Wasser in Wasser gemalt noch zu kräftig werden würde) verheiratet, und die Hochzeitsnacht führte die unglückliche Katastrophe herbei, welche mich herbrachte.

      Ich. Was? Cäcilia verheiratet? – und wie ging es mit den Galanterien des Dichters und des Musikers?

      Berganza. Könnten Lieder töten, so wäre George gewiß nicht am Leben geblieben. – Madame hatte seine Ankunft mit vielem Pomp verkündigt, und das war nötig, um ihn vor dem lauten Spott zu sichern, den sonst sein linkisches Betragen, seine bis zum Ekel wiederholten Erzählungen nichtsbedeutender Dinge hervorgebracht haben würden. – Er hatte sichtlich früh an dem Übel gelitten, das den armen Campuzano in das Hospital der Auferstehung brachte; dassowie vielleicht noch andere Jugendsünden, mochte auf seinen Verstand gewirkt haben. Seine ganze Phantasie drehte sich um die Begebenheiten seiner akademischen Jahre, und zur Würze dienten ihm, war er unter Männern, die niedrigsten Zoten, wie ich sie kaum in den Wachstuben und gemeinen Schenken gehört habe, welche er mit sichtlichem Behagen und großer Freude nicht aufhören konnte zu erzählen. Waren Damen zugegen, so rief er diesen oder jenen in die Ecke des Zimmers und machte durch ein schallendes Gelächter bei dem Schlusse der Erzählung der Gesellschaft bemerkbar, daß das wieder ein ganz verfluchter Spaß gewesen sei. Du kannst denken, lieber Freund, daß dieser unsaubre Geist unter den höher Gesinnten des Zirkels einigen Abscheu und Ekel erregen mußte.

      Ich. Aber Cäcilia, die kindliche reine Cäcilia, wie konnte sie nur einen solchen verworfenen Menschen –?

      Berganza. O mein Freund, den künstlichen Schlingen des Teufels, der jede Gelegenheit benutzt, seinen Hohn gegen die Menschen in gewaltsamen Kontrasten recht auszulassen – denen ist es sehr schwer zu entgehen. George näherte sich Cäcilien im Einverständnisse mit der Mutter. Er wußte durch anscheinend unbedeutende, aber mit der Erfahrung des abgefeimten Lüstlings wohlberechnete Liebkosungen ihre Sinnlichkeit zu reizen; er wußte durch manche leicht verhüllte Zote ihre Neugierde auf gewisse Geheimnisse zu leiten, die nun sie mit magischer Kraft umfingen, und begierig zog die unbefangene kindliche Seele, einmal in den verderblichen Kreis hineingelockt, den giftigen Dunst ein, von dem betäubt, sie sich als Opfer der unglückseligsten Konvenienz hingeben sollte.

      Ich. Der Konvenienz?

      Berganza. Was anders! – Madames zerrüttete Vermögensumstände machten die Verbindung mit dem reichen Hause wünschenswert, und all die hohen Kunstaussichten und Ansichten, von denen man in so vielen wohlgestellten Floskeln und Phrasen gesprochen, gingen darüber zum Teufel! –

      Ich. Aber noch kann ich immer nicht begreifen, wie Cäcilia –

      Berganza. Cäcilia hatte noch nie geliebt, jetzt nahm sie die gereizte Sinnlichkeit für jenes hohe Gefühl selbst, und konnte das siedende Blut jenen göttlichen Funken, der sonst in ihrer Brust brannte, auch nicht verlöschen, so glimmte er doch nur mühsam fort und konnte nicht mehr zur reinen Flamme auflodern. – Kurz, die Heirat wurde vollzogen.

      Ich. Aber deine Katastrophe, lieber Berganza –

      Berganza. Die ist nun, nachdem das Wichtigste vorüber, mit wenigen Worten bald erzählt. Du kannst denken, wie ich den George haßte. Er durfte in meiner Gegenwart seine ekelhaften Liebkosungen nur bis zu einem gewissen Grade steigern, gewisse ihm ganz eigne Zärtlichkeiten störte ich augenblicklich durch gewaltiges Knurren, und Georgs Versuch, mich einmal mit einer Ohrfeige zur Ruhe zu verweisen, bestrafte ich mit einem tüchtigen Biß nach der Wade, die ich ausgerissen hätte, wenn es möglich gewesen wäre, etwas anderes zu fassen als den festen Knochen. Da stieß das Männlein einen Schrei aus, der bis in das dritte Zimmer nachgellte, und schwur mir den Tod. Cäcilia behielt mich dessenunerachtet lieb; sie bat für mich, aber mich mitzunehmen, so wie sie es im Sinne hatte, daran war nicht zu denken, alles war dagegen, weil ich nach das Bräutigams Wade geschnappt, wiewohl der unentschiedene Charakter, der noch zuweilen ins Haus kam, keck behauptete, Georgs Wade sei eine Negation, ein Non-Ens, die Sünde dagegen daher unmöglich, in Nichts könne man nicht hineinbeißen u.s.w. Ich sollte bei Madame bleiben. Welch ein trauriges Verhängnis! Am Hochzeitstage spät abends machte ich mich heimlich davon; als ich aber bei Georgs hell erleuchtetem Hause vorüberkam und die Haustür weit geöffnet sah, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, von Cäcilien, koste es, was es wolle, noch einmal ganz nach meiner alten Art Abschied zu nehmen. Ich schlich mich daher mit den hineinströmenden Gästen die Treppe hinauf, und mein Glücksstern ließ mich die freundliche Lisette, Cäciliens Kammermädchen, finden, die mich in ihr Stübchen lockte, wo mir bald ein stattliches Stück Braten entgegendampfte. Ich fraß im Zorn und Grimm, und um mich zu der mir wahrscheinlich bevorstehenden weiten Reise recht zu stärken, alles hinein, was sie mir gegeben, und schlich dann in den erleuchteten Korridor. In dem Gedränge der auf – und abtreibenden Bedienten, der Zuschauer, die sich eingefunden, bemerkte mich niemand. Ich schnupperte und spürte bedächtig umher, und mein feines Organ verriet mir Cäciliens Nähe; eine halbgeöffnete Tür erlaubte mir den Eingang, und eben in dem Augenblick kam Cäcilia im prächtigen Brautputz mit einem Paar Freundinnen aus einem Nebenzimmer. Unklug wäre es gewesen, sich jetzt schon zu zeigen, ich drückte mich daher


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