Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band). Ðртур Шницлер
in dem sie Mörderin gewesen war, lebte mit so völliger Klarheit wieder in ihr auf, daß sie sie fast wie etwas Gegenwärtiges erlebte. – Es waren nur wenige, nicht immer dem Laut nach verständliche Worte, die Alfred, ihren flüsternden Lippen nah, zu vernehmen vermochte. Doch er faßte Theresens Selbstbeschuldigung auf als das, was sie sein sollte, als einen Versuch, ihren Sohn zu entsühnen. Ob dieser Zusammenhang nun vor einem himmlischen oder irdischen Richter tatsächlich gelten mochte – für diese Sterbende – denn sie war es, auch wenn ihr noch Jahrzehnte des Daseins bestimmt sein sollten, – für Therese bestand er nun einmal; und Alfred fühlte, daß das Bewußtsein ihrer Schuld in dieser Stunde sie nicht bedrückte, sondern befreite, indem ihr nun das Ende, das sie 391 erlitten hatte oder erleiden sollte, nicht mehr sinnlos erschien. So versuchte er es gar nicht mit Worten der Beruhigung und des Trostes, die in dieser Stunde ihren Sinn nicht erfüllt hätten; denn er ahnte, daß sie den Sohn, der ihr so lange ein Verlorener gewesen war, gleichsam wiedergefunden, in dem Augenblick, da er zum Vollstrecker einer ewigen Gerechtigkeit geworden war.
Nachdem sie gesprochen, sank sie schwer zurück. Alfred fühlte, wie sie ihm nun wieder entrückt war und immer weiter entrückte, und endlich erkannte sie ihn nicht mehr.
Im Laufe der nächsten Stunden trat eine Verschlimmerung ein, mit der die behandelnden Ärzte immerhin gerechnet hatten, – und plötzlich, unerwartet, erlosch sie, noch ehe man eine rettende Operation an ihr auszuführen vermochte.
Alfred sprach mit dem Ex-officio-Verteidiger, der für den Muttermörder Franz bestellt war, und in der Verhandlung versuchte der beflissene junge Anwalt, jenes Geständnis der Mutter, das Alfred ihm zur Verfügung gestellt hatte, als mildernden Umstand geltend zu machen. Er hatte beim Gerichtshof nicht viel Glück. Der Staatsanwalt bemerkte mit nachsichtigem Spott, daß der Angeklagte jene erste Stunde seines Daseins wohl kaum im Gedächtnis bewahrt haben dürfte, und sprach sich im allgemeinen gegen gewisse, sozusagen mystische Tendenzen aus, die man nun auch schon zur Verdunkelung völlig klarer Tatbestände und damit, wenn auch manchmal in zweifellos guter Absicht, zur Beugung des Rechtes auszunützen versuche. Der Antrag auf Ladung eines Sachverständigen wurde abgelehnt, schon darum, weil man ja wirklich nicht entscheiden konnte, ob in 392 diesem Fall ein Arzt, ein Priester oder ein Philosoph zu so verantwortlichem Amt berufen gewesen wäre. Als mildernden Umstand ließ man einzig und allein des Angeklagten uneheliche Geburt und die damit verbundenen Mängel seiner Erziehung gelten. So lautete das Urteil auf zwölf Jahre schweren Kerker, verstärkt durch Dunkelhaft und Fasten an jedem Jahrestage der Tat.
Therese Fabiani war zu dem Zeitpunkt, als die Verhandlung stattfand, längst begraben. Doch neben einem bescheidenen, dürren, immergrünen Kranz mit der Aufschrift: »Meiner unglücklichen Schwester« lag ein blühender Frühlingsstrauß, noch unverwelkt, auf dem Grab; die schönen Blumen waren mit erheblicher Verspätung aus Holland angelangt.
Anatol
Einleitung
Hohe Gitter, Taxushecken,
Wappen, nimmermehr vergoldet,
Sphinxe, durch das Dickicht schimmernd...
... Knarrend öffnen sich die Tore. –
Mit verschlafenen Kaskaden
Und verschlafenen Tritonen,
Rokoko, verstaubt und lieblich
Seht... das Wien des Canaletto,
Wien von Siebzehnhundertsechzig...
... Grüne, braune, stille Teiche,
Glatt und marmorweiß umrandet,
In dem Spiegelbild der Nixen
Spielen Gold- und Silberfische...
Auf dem glattgeschornen Rasen
Liegen zierlich gleiche Schatten
Schlanker Oleanderstämme;
Zweige wölben sich zur Kuppel,
Zweige neigen sich zur Nische
Für die steifen Liebespaare
Heroinen und Heroen...
Drei Delphine gießen murmelnd
Fluten in ein Muschelbecken...
Duftige Kastanienblüten
Gleiten, schwirren leuchtend nieder
Und ertrinken in dem Becken...
... Hinter einer Taxusmauer
Tönen Geigen, Klarinetten...
Und sie scheinen den graziösen
Amoretten zu entströmen,
Die rings auf der Rampe sitzen
Fiedelnd oder Blumen windend,
Selbst von Blumen bunt umgeben,
Die aus Marmorvasen strömen:
Goldlack und Jasmin und Flieder...
... Auf der Rampe, zwischen ihnen
Sitzen auch kokette Frauen,
Violette Monsignori...
Und im Gras, zu ihren Füßen,
Und auf Polstern, auf den Stufen:
Kavaliere und Abbati...
Andre heben andre Frauen
Aus den parfümierten Sänften...
... Durch die Zweige brechen Lichter,
Flimmernd auf den blonden Köpfchen;
Scheinen auf den bunten Polstern,
Gleiten über Kies und Rasen,
Gleiten über das Gerüste,
Das wir flüchtig aufgeschlagen.
Wein und Winde klettert aufwärts
Und umhüllt die lichten Balken.
Und dazwischen, farbenüppig
Flattert Teppich und Tapete,
Schäferszenen, keck gewoben,
Zierlich von Watteau entworfen...
Eine Laube statt der Bühne,
Sommersonne statt der Lampen,
Also spielen wir Theater,
Spielen unsre eignen Stücke,
Frühgereift und zart und traurig,
Die Komödie unsrer Seele,