Wyatt Earp Staffel 6 – Western. William Mark D.
einer unglaublich schmutzigen Wasserlache zwei Männer. Der schwarzhaarige Rancher Gonzales und der graugesichtige Schießer Sullyvan.
»Vorwärts!« zischte Hardac.
Die beiden erwachten aus ihrer Erstarrung und sprangen hoch. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihnen völlig klargeworden war, was sich da ereignet hatte.
Gonzales riß die abgesägte Schrotflinte des Wächters an sich.
Und dann stürmten sie los. Auf der Treppe zum Korridor, der zur Wachstube führte, mahnte Hardac zur Vorsicht.
»Die Bande pokert«, zischte er.
Brock entschied sofort, ehe Hardac etwas weiteres sagen konnte:
»Es sind nur zwei. Wir schlagen sie nieder, knebeln und binden sie.«
Hardac schoß ihm einen gehässigen Blick zu.
»Sie sind immer noch ein verdammter Sheriff!«
»Ruhe«, mahnte Gonzales.
Da stieß Brock die Tür zur Wachstube auf, und in Blitzesschnelle waren auch die beiden überwunden.
»Wie wollen wir über den Vorplatz zum Haupttor kommen?« fragte Gonzales unsicher.
»Wir gehen ganz langsam«, schnarrte Hardac.
Die Tür zum Außenhof wurde geöffnet. Wabernde Hitze schlug den vieren entgegen. Der weißgelbe Sand blendete sie. Rings um den Hof standen fugenlos die braungrauen Baracken. Und drüben, fast zweihundert Yards entfernt, war das Haupttor.
Tag und Nacht hielten dort zwei Posten Wache.
Einer lehnte unten sichtbar in der Tornische, und der andere war irgendwo oben auf der Galerie des hölzernen Wachturmes. Die vier Ausbrecher konnten ihn nicht entdecken.
»Wir können hier nicht stehenbleiben«, mahnte Gonzales.
Da hatte Hardac eine neue Idee.
»Wir gehen hintereinander.«
Er selbst blieb neben der kleinen Reihe und führte die Männer wie ein Arbeitstrupp auf das Tor zu.
Der neunzehnjährige Ric Johnson löste sich aus der Türnische und plinkerte den Gefangenen entgegen.
He, was sollte denn das? Seit wann bewegten sich hier im Camp denn die Sträflinge ohne Aufseher?
Johnson nahm sein Gewehr fester in die Hände.
Der Gefangenentrupp hatte ihn jetzt erreicht.
Gonzales und Sullyvan stürzten sich gleichzeitig auf den Wächter.
Lautlos sank der Bursche in sich zusammen.
Eine Minute später hatte Hardac das Haupttor geöffnet.
Dann spielte sich alles rasend schnell ab.
Oben auf der Galerie stand der Texaner Gene Tilburry. Er sah die Männer, wie sie zum Corral stürmten, wo die Pferde standen.
Tilburry begriff nicht sofort.
Als er dann das Gewehr hochriß, warf sich der Rancher mit der Schrotbüchse herum.
Aber der Schuß aus der alten Flinte des Aufsehers löste sich nicht.
Dafür riß die Kugel Tilburrys den Rancher um.
Die anderen waren schon weiter vor.
Hardac kam nur schleppend vorwärts. Als er Gonzales fallen sah, riß er den Colt hoch und schoß. Traf den Posten aber nicht.
»Sullyvan!«
Der Schießer war stehengeblieben.
Hardac schleuderte ihm den Colt zu.
Sullyvan fing ihn auf, sprang zur Seite und schoß zweimal.
Tilburry stürzte, noch ehe er die nächste Kugel hatte abfeuern können, von der Galeriebrüstung herab und schlug krachend auf den glühenden Sand auf.
Die Entsprungenen flüchteten weiter.
Nur Gonzales lag reglos im Sand. Die Kugel hatte ihn rechts in die Brust getroffen. Er war nicht tot, aber doch so sehr verwundet, daß er sich nicht mehr weiterzuschleppen vermochte.
Die Schüsse waren im Camp gehört worden.
Joe Perkins und Elvis Gordon waren nach einer halben Minute am Tor, öffneten und kamen heraus.
Inzwischen hatten die Flüchtlinge den Corral erreicht und schwangen sich auf drei ungesattelte Pferde.
Schüsse krachten.
Gewehrschüsse.
Sullyvan wurde getroffen und rutschte links über den Pferdehals zu Boden.
Da lag er – nahm den Revolver hoch und wartete, bis die beiden Posten in sein Schußfeld gekommen waren.
Hardac starrte mit brennenden Augen zu ihm hinüber.
Aber der Schießer Sullyvan ließ seine Kameraden nicht im Stich. Er schoß auch die beiden nächste Posten kampfunfähig.
Dann richtete er sich auf und versuchte, aufs Pferd zu kommen.
Ein erneuter Gewehrschuß von der Fenz des Camps her warf ihn wieder vom Gaul.
Brock hielt in dreihundert Yards Entfernung an und sah sich nach Hardac um.
Der kam herangeprescht.
»Vorwärts!« keuchte Hardac.
Brock rührte sich nicht.
»Wenn wir fliehen, hängen sie Sullyvan auf.«
»Er ist ohnehin verloren!« krächzte der Mörder Hardac.
»Nein, er ist am Bein und an der linken Schulter verletzt.«
»Wir müssen weg…!«
»Sie hängen ihn!«
»Und wenn wir bleiben, haben wir alle verspielt!«
Der einstige Sheriff sah ihn finster an.
»Verspielt? No, wir bekommen die doppelte Strafe, nichts weiter.«
»Ich habe lebenslänglich!« schrie Hardac und hieb auf sein Pferd ein.
Brock sah ihm nach. Er selbst hatte das beste Tier erwischt und somit die größten Aussichten, zu entkommen.
Aber der einstige Gesetzesmann wandte das Pferd und ritt langsam zum Fort zurück.
*
So unwahrscheinlich es sein mochte und so gering seine Chancen zu sein schienen: der Lebenslängliche Jack Hardac entkam.
Im scharfen Galopp wandte er sich nach Westen und erreichte schnell die offene Savanne.
Zwar folgte ihm schon nach einer Stunde ein Aufgebot von Wachpersonal, aber der schwerverletzte Revolvermann Jonny Sullyvan hatte ein letztes getan, um seinen Mitgefangenen den Weg in die Freiheit zu eröffnen. Er hatte sich, vom Tor her noch unbeachtet, zum Corral geschleppt und mit den beiden letzten Kugeln, die er in der Trommel hatte, den größten Teil der Pferde durch das noch offenstehende Corraltor vertrieben.
Bis die Wachposten die ersten Tiere wieder eingefangen hatten, verging mehr als eine Stunde.
Das sicherte dem Mörder einen enormen Vorsprung, der, wie sich später zeigte, nicht mehr eingeholt werden konnte.
Das Pferd, auf dem Brock gesessen hatte, war den anderen davonstürmenden Tieren augenblicklich gefolgt, als der Sträfling von seinem Rücken gerutscht war.
Die Lage der Zurückgebliebenen war erheblich schlimmer, als Brock angenommen hatte. Er wußte ja nicht, daß Hardac den Chief Sergeanten im Innenhof erstochen hatte.
Der schwarze Wachsoldat Samuel Mitchell gab zwar auch kein Lebenszeichen von sich, als man ihn fand, aber das rührte niemanden im Fort. Man schaffte ihn in die Totenkammer – und die Wächter, die zwei Stunden später davorstanden, stoben entgeistert