Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
gern«, erwiderte Ingrid sogleich.
»Auch nehme ich Sie gern mit nach Sophienlust, wenn es sich ergibt, daß wir zufälligerweise am gleichen Tag frei haben.«
»Das wäre fein.« Ingrid reichte ihm die Hand. »Und noch einmal vielen Dank«, sagte sie leise.
»Wofür? Ich habe zu danken, Frau Laurens.« Er erwiderte ihren Händedruck fest. »Und sollten irgendwelche Komplikationen eintreten, rufen Sie mich bitte an.«
»Komplikationen? Ach, Sie meinen meine Hautabschürfungen? Keine Sorge. Ich spüre kaum noch etwas. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen.« Er ließ ihre Hand los und ging zu seinem Wagen zurück.
Als er fort war, fröstelte Ingrid leicht. Solange sie mit Dr. Heidenreich beisammen gewesen war, hatte sie kaum an Guido gedacht. Seine Nähe hatte ihr ein Gefühl von Geborgenheit gegeben, das sie schon seit langem vermißt hatte.
Sehr nachdenklich stieg Ingrid die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Erst als sie ihre Jacke auszog und Wasser für einen Tee aufstellte, kehrten ihre Gedanken wieder zu Guido zurück. In zwei Tagen würde er wieder bei ihr sein, dachte sie. Doch merkwürdigerweise blieb die Freude in ihrem Herzen aus. Auf einmal hatte sie das Gefühl, daß etwas Dunkles auf sie zukomme, etwas, was ihr noch großen Kummer bereiten würde.
Den ganzen Abend wurde Ingrid von dieser Empfindung beherrscht. Um besser schlafen zu können, nahm sie eine Schlaftablette.
Am nächsten Tag erfuhr sie zu ih-rem Kummer, daß eine Kollegin an Grippe erkrankt war und sie für sie den Nachtdienst übernehmen müsse. Auch über das Wochenende würde sie Nachtdienst haben. Darum schrieb sie einen kurzen Brief an Guido, in dem sie ihn bat, seinen Besuch auf das übernächste Wochenende zu verschieben.
*
Guido las den Brief Pia laut vor. »Phantastisch!« rief er. »Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können.«
»Wieso?« fragte sie erstaunt. »Da komme ich nicht mit.«
»Ich fahre trotzdem. Ich werde am Abend in Maibach eintreffen und
Ingrid im Krankenhaus besuchen. Als Begründung gebe ich an, daß ich
mich vor Sehnsucht nach ihr verzehrt habe.«
»Klar, das ist die Masche«, begeisterte sich nun auch Pia für den Plan. »Es muß dir dann nur noch gelingen, für ein Weilchen im Krankenhaus zu bleiben. Sie wird sicher so gerührt sein, daß sie dich bestimmt dabehält und bittet, im Schwesternzimmer auf sie zu warten.«
»Bestimmt wird sie das.« Guido zog Pia an sich. »Und diesmal tue ich einen tiefen Griff in den Giftschrank. Nach mir die Sintflut.«
»Ja, Guido, nach uns die Sintflut. Darauf trinken wir.«
»Ja, Pia, das müssen wir begießen.«
*
Vergeblich wartete Ingrid am Wochenende auf einen Anruf ihres Mannes. Dafür wurde sie von Dr. Heidenreich angerufen. Er erkundigte sich nach ihrem Befinden und fragte sie, ob sie am kommenden Mittwoch frei habe. Er würde sie dann gern mit nach Sophienlust nehmen.
Ingrid versprach ihm, ihn beizeiten zu verständigen. Eine Weile klang der warme Ton seiner dunklen Stimme in ihr nach. Dann aber dachte sie nur noch an Guido. Den ganzen Tag wartete sie auf eine Nachricht von ihm. Vergeblich. Erst gegen sechs Uhr verließ sie ihre Wohnung, um zum Krankenhaus zu gehen.
Dort erblickte sie schon von weitem ihren Mann. Ihr Herz machte einen Freudensprung. »Guido, du?« fragte sie, noch völlig durchgedreht angesichts dieser Überraschung.
»Was, da staunst du?« Er lächelte sie verliebt an. »Ich bin soeben angekommen. Und da ich sowieso am Krankenhaus vorbeifahren mußte, habe ich zuerst hier nach dir gefragt. Man sagte mir, du müßtest jede Minute eintrudeln. Deshalb habe ich beschlossen, zu warten.«
»Guido, leider habe ich gar keine Zeit«, entgegnete sie bedauernd. »Eine Kollegin, die sonst den Nachtdienst übernommen hätte, ist erkrankt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als für sie einzuspringen.«
»Wirklich dumm. Aber das macht nichts. Die Hauptsache ist, daß ich für kurze Zeit mit dir beisammen sein darf. Weißt du, ich muß morgen in Frankfurt sein. Dort habe ich einen Klienten.«
»Aber morgen ist doch Sonntag.«
»Ein vielbeschäftigter Anwalt muß auch am Sonntag in voller Ak-
tion sein.« Seine dunklen Augen richteten sich zärtlich auf sie. »Kannst du mich nicht ein bißchen bei dir behalten?«
»Eigentlich ist es nicht gestattet, daß wir Besuch auf der Station empfangen. Aber glücklicherweise habe ich keinen Nachtdienst auf der Wachstation. Auf diese Weise habe ich tatsächlich etwas Zeit für dich. Vielleicht solltest du nach Sophienlust fahren. Die Kinder würden sich sehr über dein Kommen freuen.«
»Ist es nicht schon zu spät dafür?« fragte er verwundert.
»Ach wo, du wärst in einer halben Stunde dort und könntest dort übernachten. Ich brauchte nur mit Frau Rennert zu telefonieren. Weißt du, alle sind dort sehr herzlich und gastfreundlich.«
»Ich würde lieber ein bißchen bei dir bleiben.«
»Dann komm«, gab sie nach.
Die Oberschwester drückte ein Auge zu, als Ingrid ihr auseinandersetzte, weshalb sie ihren Mann für einen Augenblick mitgebracht habe.
Guido hatte sich, als sie den Korridor der Station entlanggegangen waren, aufmerksam umgeblickt und festgestellt, daß sich die Apotheke der Station neben dem Schwesternoffice befand.
Günstiger könnte es nicht sein, dachte er, als er die Oberschwester begrüßte, die, wie viele Frauen, von seinem unwiderstehlichen Charme tief beeindruckt war.
Dann waren Ingrid und Guido für ein Weilchen allein. Er küßte sie zärtlich und setzte sich dann. »Ich bin sehr glücklich, daß ich bei dir sein kann«, versicherte er und sah sie mit gespielter Verliebtheit an. Dabei hoffte er jedoch, daß einer der nachgemachten Schlüssel zu dem Giftschrank paßte und daß auch genügend Morphium in dem Schrank aufbewahrt wurde, damit sich der Coup wenigstens lohnte.
Nichts Böses ahnend verließ Ingrid ihren Mann, um ihre Runde auf der Station zu machen. Guido wartete ein Weilchen, dann öffnete er leise die Tür des Schwesternzimmers. Niemand war auf dem Korridor zu sehen. Schnell huschte er in die Apotheke.
Ingrid hatte in ihrer Nervosität und in ihrer freudigen Erregung über den Besuch ihres Mannes den Schlüssel am Giftschrank steckenlassen. Das Schicksal ist auf meiner Seite, dachte Guido erleichtert. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß noch immer niemand in der Nähe war, schloß er das Schränkchen auf. Sofort sah er, daß der Morphiumbestand eben erst aufgefüllt worden sein mußte, denn er fand viel mehr Ampullen vor, als er sich jemals erträumt hatte.
Nur einen Augenblick zögerte er, bevor er sich entschloß, alles an sich zu nehmen. Denn er sagte sich, daß sich ihm eine so günstige Gelegenheit wohl nicht noch einmal bieten würde. Er ließ die Schachteln in seinen Taschen verschwinden und kehrte in das Schwesternoffice zurück. Keine Minute zu spät.
Ingrid erschien mit strahlendem Gesicht unter der Tür. »Guido, ich habe für ein paar Minuten Zeit. Leider muß ich dann in einem der Krankenzimmer bei einem schwerkranken Patienten Wache halten.«
»Das tut mir leid, mein Liebling. Weißt du was? Ich fahre doch noch nach Sophienlust. Ein Glück, daß ich diesmal mit meinem Wagen gekommen bin. Rufst du in Sophienlust an, um meine Ankunft anzukündigen?«
»Gut, Guido.« Ingrid war über die Lösung unendlich erleichtert. »Ich komme morgen nach. Vielleicht können wir dann bis…«
»Ingrid, ich habe dir doch gesagt, daß ich morgen unbedingt in Frankfurt sein muß. Ich verlasse Sophienlust am Vormittag, besuche dich noch kurz in der Wohnung und fahre dann nach Frankfurt.«
»Gut, Guido.« Sie reichte ihm