Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz
die also Angeredeten sofort die Hände sinken, so daß gleich darauf das Schwert des Alten, die Lanze des Jungen klirrend zu Boden fielen. Beide schauten mit vorgestrecktem Halse und noch immer Böses prophezeihendem Blicke auf Macko, bald aber spiegelte sich Staunen und Scham aus ihren Gesichtern.
Mackos Lippen jedoch umspielte ein Lächeln, als er sagte: »Gelobt sei Jesus Christus!«
»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« antwortete Wilk und dessen Sohn.
»Und der heilige Georg!«
»Dem wir dienen!«
»Gern bin ich zu den Nachbarn gekommen.«
»Gern begrüßen wir Euch! Heilig ist uns der Gast!«
Nach diesen Worten eilte der alte Wilk, gefolgt von seinem Sohne, auf Macko zu. Beide schüttelten ihm kräftig die Hand und geleiteten ihn hierauf zum Ehrensitze am Tische. Schon nach wenigen Minuten waren Holzscheite im Kamine aufgeschichtet, der Tisch ward mit einer Matte belegt; Schüsseln mit allerlei Gerichten, sowie Schläuche mit Bier und Krüge mit Met wurden aufgetragen, und die drei begannen zu essen und zu trinken. Zeitweise warf der junge Wilk dem Gaste eigentümliche Blicke zu, die deutlich bewiesen, wie in ihm die widerstreitendsten Gefühle – Ehrfurcht und Haß – miteinander kämpften. Dabei bediente er aber jenen so geschäftig, daß er vor Anstrengung erbleichte, war er doch verwundet und dadurch seiner gewöhnlichen Kraft beraubt. Sowohl Vater wie Sohn brannten vor Neugierde zu erfahren, weshalb Macko sich bei ihnen eingestellt hatte, trotzdem hütete sich aber ein jeder, irgend etwas zu fragen, sondern harrte geduldig des Augenblickes, in dem Macko selbst davon zu sprechen beginnen werde.
Letzterer jedoch pries indessen, als ein Mann von guter Gesittung, zuvörderst die Gastfreundschaft, Speise und Trank, und erst, nachdem er sich sattsam gestärkt hatte, hub er mit würdevoller Stimme also an: »Nur zu häufig, traun, herrscht Streit, herrscht Kampf zwischen den Menschen, und doch sollte unter Nachbarn stets Frieden sein.«
»Es giebt kein köstlicheres Gut, als Frieden!« entgegnete Wilk mit gleicher Würde.
»Es ereignet sich auch gar zu oft,« fuhr Macko fort, »daß ein Mann, der mit irgend einem Menschen in Unfrieden gelebt hat und sich plötzlich auf eine lange Reise vorbereiten muß, nur sehr ungern von jenem Menschen scheidet und sich nicht auf die Fahrt machen will, ohne ihm Lebewohl gesagt zu haben.«
»Der Herr lohne Euch die Freundschaftsworte.«
»Ich brauche nicht nur Worte, sondern ich bethätige sie auch, kam ich doch hierher.«
»Von ganzer Seele freuen wir uns darob. Wenn Ihr nur täglich bei uns vorsprechen würdet.«
»Wollte Gott, ich könnte Euch in Bogdaniec die Ehre erweisen, welche denen gebührt, die auf ritterliche Sitte halten, allein ich muß ungesäumt von dannen ziehen.«
»In den Krieg oder an irgend einen heiligen Ort?«
»Eines oder das andere wäre mir weit gemäßer, denn, schlimm genug, zu den Kreuzrittern mache ich mich auf die Fahrt.«
»Zu den Kreuzrittern?« riefen Vater und Sohn fast in einem Atem.
»Ja,« antwortete Macko. »Wer aber zu ihnen zieht, ohne mit ihnen in Freundschaft verbunden zu sein, der thut gut daran, mit Gott und den Menschen Frieden zu schließen, sonst würde er vielleicht mit dem Leben auch die ewige Seligkeit verlieren.«
»Es ist gar seltsam,« meinte der alte Wilk, »allein bis jetzt ist mir noch kein Mensch zu Gesicht gekommen, der unter ihnen geweilt hätte, ohne Bedrückung erdulden zu müssen.«
»Und steht es nicht ebenso mit unserm ganzen Königreiche!« fügte Macko hinzu. »Weder durch die Litauer, bevor sie die heilige Taufe empfangen haben, noch durch die Tataren ist es jemals schlimmer bedrückt worden, als durch jene Weißmäntel.«
»Das ist die reine Wahrheit, aber wißt Ihr was: wohl haben sie nicht gerastet und nicht geruht, bis sie alles in ihrer Gewalt hatten, jetzt aber kommt die Zeit der Vergeltung.«
Leichthin spie der alte Wilk nach diesen Worten in die Hände, während sein Sohn hinzufügte: »Es kann gar nicht anders sein.«
»So wird es kommen, das ist gewiß. Aber wann? Nicht von uns hängt dies ab, sondern von dem König. Vielleicht kommt alles früher, als wir denken – vielleicht aber auch viel später – Gott allem weiß es. Inzwischen muß ich mich zu den Kreuzrittern begeben.«
»Wohl mit dem Lösegeld für Zbyszko?«
Als der junge Wilk den Namen Zbyszkos von seinem Vater nennen hörte, ward er bleich vor Haß und Ingrimm.
Macko jedoch entgegnete ruhig: »Vielleicht nehme ich Lösegeld mit mir, allein es wird nicht für Zbyszko sein.«
Diese Worte erregten die Neugierde von Vater und Sohn so sehr, daß schließlich der alte Wilk, der sich nicht länger im Zaume zu halten vermochte, bemerkte: »Es steht Euch ja frei, mir zu antworten oder nicht. Weshalb zieht Ihr dahin?«
»Ihr sollt gleich alles erfahren, Ihr sollt gleich alles erfahren,« erklärte Macko mit dem Kopfe nickend, »doch zuvor muß ich von etwas anderm reden. Seht Ihr, wenn ich von dannen ziehe, bleibt Bogdaniec dem Schutze Gottes überlassen. Früherhin, als ich zusammen mit Zbyszko unter Fürst Witold in den Krieg zog, da hatte nicht nur der Abt ein wachsames Auge auf unser Besitztum, sondern auch Zych aus Zgorzelic. Jetzt aber kann weder der eine noch der andere dafür sorgen. Gar peinlich ist es für jeden Menschen, denken zu müssen, daß er sich umsonst abgemüht und abgearbeitet hat. Doch Ihr wißt ja selbst, wie dies zu gehen pflegt. Man wird mir meine Bauern abspenstig machen, die Grenze verrücken. Ein jeder wird von meinem Vieh so viel stehlen, als er nur vermag, und so der Herr Jesus mich ungefährdet zurückkehren läßt, werde ich eine Wüstenei antreffen. Ich komme daher zu Euch, als zu meinen Nachbarn, mit der Bitte, Bogdaniec Euern Schutz angedeihen zu lassen und nicht zu gestatten, daß ich von irgend jemand beraubt werde.«
Als der alte Wilk diese Bitte vernahm, blickte er auf den jungen Wilk, und der junge Wilk blickte auf den alten Wilk, und beide verwunderten sich über die Maßen. Ein kurzes Schweigen trat ein, denn keiner von ihnen fand sogleich eine Antwort. Macko führte indessen die Trinkschale mit Met an die Lippen, trank sie aus und fuhr dann so behaglich und vertraulich fort, als ob er mit seinen besten Freunden spräche: »Ich will Euch nun aufrichtig sagen, wer mir sicherlich am meisten schaden wird. Kein anderer wie Cztan aus Rogow. Vor Euch hätte ich keine Furcht, selbst wenn wir uns in Unfrieden trennen würden, denn Ihr seid ritterlich gesinnte Männer, die jedem Feind kühn ins Antlitz schauen, niemals aber hinter dessen Rücken schamlose Rache üben. Hei! mit Euch ist das etwas ganz anderes. Ein Ritter ist eben ein Ritter! Cztan jedoch ist ein einfältiger Tropf; von einem einfältigen Tropf aber kann ich um so weniger Gutes erwarten, als er mir, wie Ihr wißt, sehr aufsässig ist, weil ich störend zwischen ihn und Jagienka, die Tochter von Zych, getreten bin.«
»Die Ihr Eurem Bruderssohn geben wollt!« brach nun der junge Wilk los.
Macko warf dem Sprechenden einen scharfen, kalten Blick zu, dann wandte er sich wieder zu dem alten Wilk, indem er ruhig erklärte: »Wißt, mein Bruderssohn hat sich mit einer jungen Erbin aus Masovien vermählt, die ihm einen beträchtlichen Brautschatz mitgebracht hat.«
Ein noch tieferes Schweigen als zuvor trat nun ein. Eine ganze Weile starrten Vater und Sohn offenen Mundes auf Macko, bis sich endlich der alte Wilk also vernehmen ließ: »Hei, was soll dies sein? Es geht ja die Rede … Nun, erzählt doch!«
Ohne indessen auf diese Worte zu achten, fuhr Macko weiter fort: »Dies ist auch der Grund, weshalb ich eine Fahrt antreten muß. Ich bitte Euch daher nochmals, haltet von Zeit zu Zeit Umschau in Bogdaniec, verhütet, daß mein Besitztum von irgend jemand geschädigt werde, und schützt mich vor allem als gute, treue Nachbarn gegen Cztans Ueberfälle.«
Für den jungen Wilk, der einen ziemlich scharfen Verstand besaß, unterlag es keinem Zweifel mehr, daß es für ihn, nach der Verheiratung von Zbyszko, von unendlichem Werte war, sich mit Macko gut zu stellen, da Jagienka großes Vertrauen in diesen setzte und in allem dessen Rat befolgte. Vor den Blicken des jungen Heißsporns öffneten