Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz
schlichst Du zwischen den Tannen hindurch?«
»Ja, ich.«
»Und ich glaubte, es sei der Böse.«
»Mich überkam auch keine geringe Furcht, denn gar unheimlich ist es in dunkler Nacht bei den Sümpfen von Rudzik.«
»Weshalb hast Du denn nicht gerufen?«
»Ach, ich fürchtete, Du könntest mich wegjagen.«
So sprechend, fing sie wieder von neuem an, Feuer zu schlagen. Dann legte sie auf den glimmenden Zunder ein Stückchen dürrer Rinde von einem Flachsstengel, das sofort in helle Flammen aufging.
»Ich habe zwei kleine scheite Holz bei mir,« rief sie hierauf, »Du aber mußt rasch einige dürre Aeste sammeln, dann werden wir gleich ein gutes Feuer haben.«
In der That knisterte auch schon nach wenigen Minuten ein lustiges Feuer, dessen Schein den in einer großen Blutlache liegenden schmutzig-braunen Körper des Bären grell beleuchtete.
»Ei, welch mächtiges Tier!« rief Zbyszko mit einer gewissen Selbstgefälligkeit.
»Aber sieh nur, der Kopf ist fast ganz gespalten. Ach, Herr Jesus!«
Nach diesen Worten bückte sie sich und fuhr mit der Hand in das zottige Fell des Ungetüms, um sich zu überzeugen, ob das Tier fett sei. Gleich darauf erklärte sie mit frohem Gesicht: »Auf wenigstens zwei Jahre hinaus werdet Ihr Fett haben.«
»Die Heugabeln sind aber ganz entzwei. Schau nur her!«
»Das ist einmal ein Unglück! Was soll ich nun zu Hause sagen?«
»Was ist denn, was hast Du denn?«
»Ach, das Väterchen hätte mir nicht erlaubt, des Nachts in den Wald zu gehen. Ich mußte daher warten, bis sich alle schlafen gelegt hatten. Erzähle keinem Menschen, daß ich hierher gekommen bin,« fügte sie nach kurzem Schweigen hinzu, »man könnte mich sonst verspotten.«
»Nach Hause werde ich Dich aber begleiten. Wie leicht könnten Dich Wölfe überfallen, und Du hast jetzt keine Heugabel mehr.«
»Ja, das ist mir recht.«
Noch eine geraume Zeit plauderten sie bei dem getöteten Bären, an dem lustig prasselnden Feuer stehend, und glichen in ihrer jugendlichen Schöne zwei holden Waldgeschöpfen.
Zbyszko blickte sinnend auf das liebliche, von der Flamme des Feuers hell beleuchtete Antlitz Jagienkas und sagte plötzlich voll unwillkürlicher Bewunderung: »Ein zweites Mädchen wie Du giebt es auf der ganzen Welt nicht mehr. Du solltest mit in den Kampf ziehen.«
Da schaute ihm Jagienka tief in die Augen und erwiderte fast traurig: »So sagen alle, doch verlache mich darob nicht!«
Siebentes Kapitel.
Jagienka ließ einen ganzen Topf Bärenfett aus. Macko trank anfänglich mit Lust davon, war es doch frisch, nicht angebrannt und duftete nach Angelicakraut, ein Heilmittel, welches dem Mägdlein bekannt war und von dem es etwas in den Topf geworfen hatte. Allmählich stärkten sich auch die Lebensgeister Mackos wieder, sodaß er neue Hoffnung faßte, zu gesunden.
»Das ist mir nötig gewesen,« erklärte er, »denn wenn der Mensch fett wird, dann arbeitet sich vielleicht der verfluchte Eisensplitter heraus.«
Wenn ihm aber nun auch mit der Zeit das Bärenfett weniger mundete, trank er es doch aus Vernunft. Jagienka redete ihm auch zu.
»Ihr werdet wieder gesunden,« erklärte sie. »Denkt nur, Zbeludow aus Ostrog, dem ein Glied seines Panzerhemdes tief in den Nacken eingedrungen war, ward auch durch Bärenfett gerettet. Sobald sich jedoch die Wunde öffnet, muß Biberfett aufgelegt werden.«
»Und habt Ihr welches?«
»Gewiß! Wenn Ihr jedoch ganz frisches haben wollt, gehe ich mit Zbyszko an einen Biberbau. An Bibern fehlt es nicht. Schaden könnte es aber auch nicht, wenn Ihr irgend einen Heiligen, welcher der Schutzpatron der Verwundeten ist, etwas geloben würdet.«
»Daran habe ich auch schon gedacht, nur weiß ich nicht recht, welchem. Der Heilige Jerzy ist der Schutzheilige der Ritter: er steht den Kriegern in ihren Abenteuern bei, überhaupt wenden sich die Kämpen in jeder Not an ihn, und es wird behauptet, er kämpfe oft in eigener Person auf seiten der Gerechten, um mit Gottes Hilfe die Schuldigen zu strafen. Aber die, welche selbst gern kämpfen, geben sich selten dazu her, Wunden zu heilen, und außerdem giebt es vielleicht auch andere, denen sie nicht in das Gehege kommen wollen. Jeder Heilige hat im Himmel sein besonderes Amt – das ist ja bekannt! Und der eine darf sich niemals in die Angelegenheiten des andern mengen, denn daraus könnte nur Zwietracht entstehen. Wäre es aber vielleicht schicklich, wenn die Heiligen im Himmel Streit anfingen oder sich bekämpften? Es giebt freilich auch noch andere große Heilige wie zum Beispiel Kosma und Damian, zu welchen die Aerzte beten, damit die Krankheiten nicht aus der Welt verschwinden, weil sie ja sonst nichts zu essen hätten. Dann die heilige Apollonia für die Zähne und der heilige Liborius für den Stein – aber davon ist keiner etwas für mich! Ich frage den Abt, der wird mir sagen, an wen ich mich wenden soll. Nicht alle Kleriker wissen unter den Heiligen Bescheid und können in einer solchen Sache Rat erteilen, wenn sie auch einen geschorenen Kopf haben.«
»Aber weshalb gelobt Ihr nicht dem Herrn Jesus selbst etwas?«
»Das ist ja sicher, daß er über alle gesetzt ist, trotzdem kann ich aber dies nicht thun. Wenn mir zum Beispiel Dein Vater ohne irgend welchen Grund einen Bauern erschlagen würde, könnte ich vielleicht mit meiner Klage sofort zum König nach Krakau gehen. Was würde mir der König antworten? Er würde so zu mir sprechen: ›Wohl regiere ich das ganze Königreich, allein weshalb kommst Du wegen Deines Bauern zu mir? Sind denn nicht dafür die Verwalter da? Warum gehst Du nicht auf die Burg zu meinem Kastellan und Stellvertreter?‹ Der Herr Jesus aber regiert sogar die ganze Welt, verstehst Du – für die einzelnen Angelegenheiten sind jedoch die Heiligen da.«
»Ich will Euch etwas sagen,« bemerkte jetzt Zbyszko, der mittlerweile hinzugetreten war, »gelobt doch unserer verstorbenen Königin eine Wallfahrt nach Krakau zu ihrem Grabe, so sie für Euch Fürbitte einlegen wird. Sind denn dort nicht schon vor unsern Augen Wunder geschehen? Weshalb wollt Ihr Euch an fremde Heilige wenden, wenn unsere Herrin allen andern vorzuziehen ist?«
»Traun, wenn ich nur wüßte, ob sie auch bei Wunden etwas nützen kann!«
»Nun, wenn sie auch nichts für Wunden thun kann! Aber kein Heiliger wird sie auch nur schief ansehen, und so er sie schief ansieht, wird ihm unser Herrgott eins versetzen, denn sie ist keine gewöhnliche Heilige, sondern die polnische Königin.«
»Welche die heidnischen Länder dem Christentum zugänglich gemacht hat. Du hast klug gesprochen,« entgegnete Macko. »In dem Rate der Himmlischen nimmt sie gewiß eine hohe Stellung ein, und sicher ist, daß keiner der andern Heiligen gegen sie aufkommt. So wahr als ich gesund sein soll, handle ich nach Deinem Rat.«
Auch Jagienka fand den Rat gut, ja Zbyszkos Klugheit erregte ihre höchste Bewunderung. Noch am gleichen Abend legte Macko ein feierliches Gelöbnis ab, das Bärenfett aber trank er von da mit noch größerer Hoffnungsfreudigkeit, indem er von Tag zu Tag seiner Gesundung entgegensah. Nach Verlauf einer Woche verlor er indessen wieder allen Mut. Er behauptete, das Fett gäre sofort in ihm, und unter der Haut an der letzten Rippe bilde sich etwas wie eine Geschwulst. Am zehnten Tage ward es noch schlimmer; die immer mehr um sich greifende Geschwulst rötete sich, Macko ward schwächer und schwächer, so daß er abermals dachte, dem Tode verfallen zu sein.
In einer der Nächte weckte er plötzlich Zbyszko.
»Zünde rasch einen Kienspan an,« rief er, »denn mit mir hat’s eine Aenderung gegeben, ob zum Guten oder zum Schlimmen, das weiß ich nicht.«
Zbyszko sprang mit gleichen Füßen empor, blies in dem Kamin der nebenanliegenden Stube das Feuer an, hielt den