Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz
Hand drohte, »nimm Dich in acht! Wohl gestattete ich Dir, Jurand zum Zweikampfe zu fordern, doch planst Du, mit dem Kriegsheere des Ordens in das Land zu fallen, dann schlage ich los, und als Gefangener, nicht als Gast wirst Du hier weilen.«
Seine Geduld war offenbar erschöpft. Mit aller Gewalt schleuderte er seine Kopfbedeckung auf den Tisch und warf, aus der Stube eilend, die Thüre krachend hinter sich zu.
Bleich vor Zorn blieben die Kreuzritter zurück, und Herr de Fourcy blickte verstört von einem zum andern.
Hugo de Danveld aber sprang fast mit Fäusten auf Herrn de Fourcy zu.
»Was soll das Zugeständnis bedeuten,« schrie er, »daß Ihr Jurand zuerst gefordert habt?«
»Ich habe die Wahrheit gesprochen.«
»Ihr hättet alles leugnen sollen.«
»Zum Kampfe zog ich aus und jede Lüge liegt mir fern.«
»Brav habt Ihr gekämpft, das muß ich sagen.«
»Und Ihr? Seid Ihr denn nicht vor Jurand nach Szezytno geflohen?«
» Pax!« rief nun de Löwe. »Dieser Ritter ist der Gast des Ordens.«
»Seine Aussage fällt ja gar nicht ins Gewicht,« warf nun auch Godfryd ein. »Ohne Gericht kann Jurand nicht gestraft werden, und vor Gericht würde ja doch alles an den Tag kommen.«
»Was ist jetzt zu thun?« warf Rotgier ein.
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann ergriff der strenge und halsstarrige Zygfryd de Löwe das Wort.
»Man muß dem Bluthunde einmal Ernst zeigen,« erklärte er. »De Bergow darf nicht länger in Ketten schmachten. Wir bieten die Besatzung von Szezytno, von Insburk und von Lubow auf, wir rufen den Kulmer Adel zu Hilfe und ziehen gegen Jurand. Es ist an der Zeit, ein Ende mit ihm zu machen.«
Nun aber kreuzte der schlaue Danveld, der es verstand, ein jedes Ding von zwei Seiten zu beleuchten, die Hände über dem Haupte, runzelte sinnend die Stirn und bemerkte: »Ohne Erlaubnis des Meisters ist an ein solches Unternehmen nicht zu denken.«
»Wenn wir unser Ziel erreichen, wird uns der Meister darob loben!« bemerkte Godfryd.
»Und wenn es uns nicht gelingt, wenn der Fürst die Lanzenträger gegen uns schickt? Was dann?«
»Davor wird er sich hüten. Es herrscht Frieden zwischen dem Orden und ihm.«
»Freilich herrscht Frieden. Wir aber brechen ihn dann. Und unsere Besatzungen werden gegen die Masuren nicht aufkommen.«
»Schließlich muß aber der Meister für uns eintreten und damit ist der Krieg erklärt.«
»Nein, nein,« ließ sich hieraus de Danveld nach kurzem Sinnen vernehmen, »dem ist nicht so. Wenn wir Erfolg haben, wird sich der Meister wohl insgeheim freuen, er wird Gesandte an den fürstlichen Hof schicken und die Verhandlungen so führen lassen, daß wir straflos ausgehen. Falls wir jedoch eine Niederlage erleiden, wird der Orden weder für uns einstehen, noch den Krieg erklären. Dazu müßten wir einen andern Meister haben. Hinter dem Fürsten steht der polnische König und mit dem bindet der Meister nicht an.«
»Dessenungeachtet haben wir uns des Gebietes um Dobrzyn bemächtigt, als Beweis dafür, wie wenig wir uns vor Krakau fürchten.«
»Weil wir scheinbar ein Recht dazu hatten … denkt an Opolczik. Nun, wir nahmen das Land ja nur als Pfand, aber auch das …« Hier blickte er sich vorsichtig um und fügte dann leise hinzu: »Ich hörte in Marienburg, daß auf dieses Pfand sofort Verzicht geleistet würde, wenn andernfalls ein Krieg drohen sollte.«
»Ach,« meinte Rotgier ungeduldig, »ich wollte, Markward Salzbach wäre hier, oder Szomberg, der die Brut Witolds erwürgt hat, die wüßten uns Rat zu schaffen wegen Jurand. Bedenkt Witold! Der Statthalter Jagiellos! Der mächtige Fürst! Und trotzdem entging Szomberg der Strafe. Er erwürgte Witolds Kinder und ward nicht zur Rechenschaft dafür gezogen! Wahrlich, uns mangelt es an Leuten, die sofort für alles Rat wissen.«
Als Hugo de Danveld diese Worte vernahm, versank er, das Haupt in die Hand stützend, längere Zeit in tiefes Sinnen. Dann, mit einem Male, leuchteten seine Augen und er hub also an: »Gesegnet sei der Augenblick, in dem Ihr den Namen des tapferen Szomberg nanntet.«
»Weshalb? Ist Euch ein guter Gedanke gekommen?« fragte Zygfryd de Lowe.
»Sprecht schnell!« riefen Rotgier und Godfryd.
»So hört denn!« antwortete Hugo. »Jurand hat ein einziges Kind, eine Tochter, die er wie seinen Augapfel liebt.«
»Ja, wir kennen sie. Nicht nur er, sondern auch die Fürstin Anna Danuta ist dem Mädchen zugethan.«
»Gewiß. Hört mich an! Wie wäre es, wenn wir versuchten, das Mädchen in unsere Gewalt zu bekommen? Jurand würde für dessen Auslösung nicht nur de Bergow, sondern sich selbst und Spychow dazu zum Opfer bringen.«
»Bei dem Blute des heiligen Bonifatius, das in Dockum vergossen ward!« rief Godfryd, »ganz so würde es kommen, wie Ihr sagt!«
Dann aber verstummten alle für eine geraume Zeit, wie erschreckt über einen so waghalsigen, gefährlichen Plan. Schließlich wandte sich Rotgier an Zygfryd de Löwe.
»Euer Verstand ist ebenso groß wie Eure Erfahrung. Was haltet Ihr von dem allem?«
»Ich glaube, daß die Sache der Ueberlegung wert ist.«
»Aber die Fürstin hat ja das Mädchen stets um sich,« fuhr Rotgier fort, »liebt sie es doch gleich einer eigenen Tochter. Bedenkt, welch ein Lärm sich erheben wird.«
Hugo de Danveld lachte.
»Ihr habt selbst behauptet,« warf er ein, »daß Szomberg die Brut Witolds vergiftet oder erwürgt habe. Nun, welche Strafe ist ihm dafür geworden? Bei jeder Veranlassung wird Lärm geschlagen. Wenn wir aber Jurand in Ketten unserem Meister zuführen, ernten wir sicher Lob, wartet unsrer keine Strafe.«
»Ei,« ließ sich nun de Löwe vernehmen, »gar günstig ist freilich jetzt die Gelegenheit zu einem Ueberfalle. Der Fürst verläßt den Jagdhof, auf dem nur Anna Danuta mit den Hoffräulein bleibt. Doch wie läßt sich der Ueberfall auf einem fürstlichen Herrenhofe in Friedenszeiten rechtfertigen? Wenn dies noch Spychow wäre! Denkt an Zlotorja! Ganz das Gleiche kann sich abermals ereignen! Bei allen Königen, bei dem Papste werden aufs neue Klagen über die Gewaltthätigkeit des Ordens geführt werden, wieder wird sich der verfluchte Jagiello in wilden Drohungen ergehen, und der Meister, nun, ihr kennt ihn ja! Gern bemächtigt er sich zwar alles dessen, was er bekommen kann, aber einem Kriege mit Jagiello, dem geht er aus dem Wege. Ja, in ganz Masovien, in ganz Polen wird man gegen uns wüten.«
»Inzwischen bleichen aber die Gebeine Jurands am Galgen!« entgegnete Hugo de Danveld. »Und zudem, wer hat Euch denn davon gesprochen, daß das Mägdlein aus dem Jagdhofe entführt, von der Seite der Fürstin hinweggerissen werden soll?«
»Aus Ciechanow könnt Ihr es aber doch nicht entführen, aus Ciechanow, wo sich außer den Edelleuten dreihundert Bogenschützen befinden?«
»Nein! Kann aber Jurand nicht plötzlich erkranken und etliche Boten zu dem Mägdlein entsenden? Daß es die Fürstin unter solchen Umständen ziehen läßt, das unterliegt keinem Zweifel. Und wenn die Maid unterwegs verschwindet, wer wagt es, Euch oder mir zu sagen: ›Du hast sie geraubt‹?«
»Ei,« warf de Löwe ungeduldig dazwischen, »so bewerkstelligt doch, daß Jurand erkrankt und nach dem Mägdlein schickt!«
Mit triumphierendem Lächeln erklärte Hugo de Danveld darauf: »Ich kenne einen Goldschmied, der, wegen Diebstahls aus Marienburg vertrieben, seinen Wohnsitz in Szezytno aufgeschlagen hat und der jedes Siegel täuschend nachzuahmen versteht. Auch gebiete ich über Leute, welche, trotzdem sie uns untergeben sind, aus dem masurischen Volke stammen. Versteht Ihr mich endlich?«
»Ich verstehe alles!« erklärte Godfryd eifrig.
Dann drückte er die Augen zusammen,