Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz

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      »Unsere Leute sind nach allen Richtungen ausgeschickt worden. Fahrt nun hinter uns her, Ihr seid vom Wege abgekommen. Nach rechts müßt Ihr Euch halten!«

      Alle wendeten nun die Pferde. Während einiger Zeit war nur das Brausen des Windes vernehmbar.

      »Befinden sich schon viele Gäste in dem alten Schloß?« fragte Zbyszko nach einer Weile.

      Einer der hinter ihm reitenden Mannen beugte sich vor, weil er ihn nicht recht verstanden hatte.

      »Was sagt Ihr, Herr?«

      »Ich frage, ob sich viele Gäste bei dem Fürstenpaar befinden.«

      »So viele wie gewöhnlich! Also genug!«

      »Und ist der Herr aus Spychow schon hier?«

      »Nein, aber er wird erwartet. Einige Leute sind ihm entgegen geritten.«

      »Mit Pechpfannen?«

      »Ja, doch bei solchem Winde werden sie wenig nützen.«

      Weiter konnten sie nicht sprechen, weil der Sturm immer mehr raste und tobte.

      »Eine wahre Teufelshochzeit,« sagte der Böhme.

      Doch Zbyszko gebot ihm zu schweigen und den Bösen nicht unnötiger Weise heraufzubeschwören.

      »Weißt Du denn nicht,« sagte er, »daß an einem solchen Festtage die Macht des Teufels erlahmt, und daß sich die Teufel unter dem Eise verbergen? Einer von ihnen wurde einst am Christabend bei Sandomir von Fischern in einem Netze gefunden. Er hielt einen Hecht im Maule, aber als er das Geläute der Glocken hörte, da war es mit seiner Kraft vorbei, und sie schlugen mit ihren Stöcken auf ihn ein bis zum feierlichen Mahle am Christabend. Dies ist ja ein heftiger Sturm, doch will es unser Herr Jesus so haben, damit der morgige Tag umso schöner werde.«

      »Wie nahe sind wir schon an der Stadt gewesen, aber ohne diese Mannen wären wir vielleicht bis Mitternacht in der Irre herumgefahren,« bemerkte Glowacz.

      »Weil das Feuer erloschen ist.«

      Mittlerweile waren sie in der Stadt angelangt. Hier lag der Schnee so hoch, daß er an vielen Stellen bis zu den Fenstern reichte und sie verdeckte. Dies war der Grund, weshalb sie keinen Lichtglanz gesehen, als sie sich noch außerhalb der Stadt befanden. Der Sturm war hier weniger fühlbar. Die Straßen waren verödet, denn für die Bürger hatte die Feier des heiligen Abends schon begonnen. Von einem Haus zum andern zogen Knaben mit dem Kripplein und einer Ziege und sangen, trotz des Sturmes, ihre Weihnachtslieder. Auf dem Marktplatze sah man Leute, die mit Erbsenstroh umhüllt waren und wie Bären umhersprangen, doch sonst waren wenig Menschen zu sehen. Die Kaufleute, welche Zbyszko und die andern Ritter begleitet hatten, blieben in der Stadt zurück, während jene weiter bis zu dem vom Fürsten bewohnten alten Schlosse fuhren, dessen erleuchtete Glasfenster in heiterm Glanze strahlten.

      Die Zugbrücke war schon herabgelassen, denn die alten Zeiten, da die Litauer ins Land einzufallen pflegten, waren vorüber, und die Kreuzritter, welche einen Krieg mit dem König von Polen voraussahen, bemühten sich eifrig um die Freundschaft des Fürsten von Masovien. Einer der Mannen des Fürsten blies in sein Horn, worauf das Thor sofort geöffnet wurde. Am Eingange standen einige Bogenschützen, aber auf den Zinnen war keine menschliche Seele zu sehen, da der Fürst den Wachen gestattet hatte, sich zurückzuziehen. Der alte Mrokota, welcher schon zwei Tage vorher angelangt war, kam den Gästen entgegen, und nachdem er sie im Namen des Fürsten begrüßt hatte, geleitete er sie in ihre Stuben, damit sie sich für die Mahlzeit festlich kleiden konnten.

      Zbyszko begann ihn jetzt nach Jurand auszuforschen, und Mrokota antwortete, der Gebieter von Spychow sei noch nicht anwesend, werde aber erwartet, denn er habe versprochen, zu kommen, und wenn seine Krankheit sich verschlimmert hätte, so würde er Kunde davon gegeben haben. Indessen seien ihm einige Reisige entgegengeschickt worden, weil sich die ältesten Leute keines solchen Schneesturmes erinnern konnten.

      »Vielleicht wird es nicht mehr allzulange dauern, bis sie hier sind.«

      »Traun, allzulange kann es nicht mehr währen. Die Fürstin befahl schon, Schüsseln für sie zu dem gemeinsamen Mahle aufzustellen.«

      Nun freute sich Zbyszko im Herzen, obgleich ihm stets ein wenig bange vor Jurand war, und er sagte sich: »Was er thun wird, weiß ich nicht, aber das kann er nicht ungeschehen machen, daß sie meine Gattin geworden ist, daß die heißgeliebte Danusia mein Weib ist.« Und während er darüber nachsann, vermochte er kaum an sein eigenes Glück zu glauben. Dann kam ihm auch der Gedanke, daß sie ihrem Vater vielleicht schon alles gestanden, ihn zu versöhnen gesucht und ihn gebeten habe, sie mit ihrem Gatten zu vereinigen. »Denn fürwahr, was hat er Besseres zu thun? Jurand ist ein kluger Mann, und er weiß, wenn er jetzt zwischen sie und mich träte, würde ich sie doch mit mir fortnehmen, denn ich habe nun ein größeres Anrecht an sie.«

      Mittlerweile unterhielt er sich mit Mrokota, während er sich zum Mahle ankleidete, er fragte nach dem Befinden des Fürsten und besonders nach dem Befinden der Fürstin. Mit großer Freude vernahm er, daß im Schlosse alle wohlauf und heiter waren, wennschon sich die Fürstin sehr nach ihrem teuern Singvögelchen sehnte. Mrokota fügte hinzu, Jagienka, welche von der Fürstin gleichfalls geliebt werde, die aber ihrem Herzen nicht so nahe stehe, spiele ihr jetzt zuweilen auf der Laute vor.

      »Wie? Jagienka?« fragte Zbyszko voll Verwunderung.

      »Jagienka aus Wielgolas, die Enkelin des alten Herrn aus Wielgolas. Ein schönes Mägdlein, zu dem der Lothringer in Liebe entbrannt ist.«

      »So befindet sich Herr de Lorche hier?«

      »Wo sollte er sonst sein? Vom Jagdschlößchen kam er hierher, und er wird auch bleiben, denn es gefällt ihm gut am Hofe. An Gästen fehlt es unserm Fürsten niemals.«

      »Ich sehe ihn gern wieder, denn er ist ein Ritter, der jedes Lob verdient.«

      »Auch er ist Euch zugethan. Doch gehen wir jetzt, der Fürst und die Fürstin werden sich sogleich zu Tische setzen.«

      Miteinander verließen sie die Stube. In den beiden Kaminen des Speisesaales brannten mächtige Feuer, die von den Dienern fleißig geschürt wurden. Zahlreiche Gäste und Hofleute waren schon versammelt. Der Fürst trat zuerst ein, in Begleitung des Wojwoden und einiger ihm nahestehenden Hofherren. Zbyszko ließ sich vor ihm auf die Knie nieder und küßte seine Hand.

      Er aber fuhr ihm sanft über das Haupt, führte ihn dann ein wenig beiseite und sagte: »Ich weiß schon alles. Anfangs war ich ungehalten darüber, daß es ohne meine Einwilligung geschehen ist, aber Ihr hattet ja wirklich keine Zeit dazu, sie einzuholen, weil ich mich damals in Warschau befand, wo ich auch die Festtage verbringen wollte. Eine bekannte Thatsache ist übrigens, daß man den Weibern nicht Widerpart halten soll, wenn sie etwas durchsetzen wollen, denn man erreicht doch nichts damit. Die Fürstin liebt Euch wie eine Mutter, und ihr willfahre ich gern, um ihr Kummer und Thränen zu ersparen.«

      Zbyszko beugte zum zweiten Mal die Knie vor dem Fürsten.

      »Gebe Gott, daß ich Eure Gnade vergelten kann, allergnädigster Herr!«

      »Gepriesen sei er, der Dich gesunden ließ! Sagt der Fürstin, mit welchem Wohlwollen ich Euch aufnahm, darüber wird sie sich freuen. Du lieber Gott! Ihr Vergnügen ist auch mein Vergnügen! Bei Jurand werde ich ein gutes Wort für Dich einlegen, und so denke ich, daß er seine Zustimmung giebt, denn er ist der Fürstin treu zugethan.«

      »Und gäbe er seine Zustimmung auch nicht – so habe ich jetzt doch ein größeres Anrecht an Danusia!«

      »Wohl hast Du jetzt ein größeres Anrecht an sie, damit muß er sich aussöhnen, aber seinen Segen kann er Euch vorenthalten. Mit Gewalt bringt niemand etwas bei ihm zu stande, und ohne des Vaters Segen bleibt auch der göttliche Segen aus.«

      Als Zbyszko diese Worte vernahm, wurde er sehr betrübt, denn daran hatte er bisher nicht gedacht. Mittlerweile trat die Fürstin mit Jagienka aus Wielgolas und andern Hofdamen ein, und er neigte sich tief vor der Herrin. Sie begrüßte ihn


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