Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
(Ab.)
Agnes (schüchtern.)
Weiß ist Dein Antlitz, bleich Dein Mund,
Als schrie' Dein Herz im tiefsten Grund.
Brand.
Jed' klangvoll Wort, das ich hier sprach,-
Die Bergwand hallt's anklagend nach.
Agnes (macht einen Schritt vorwärts.)
Ich bin bereit!
Brand. Bereit? Wozu?
Agnes (kraftvoll.)
Zu tun, was eine Mutter tu'!
(Gerd läuft draußen auf dem Wege vorüber und macht an der Gartentür halt.)
Gerd (klatscht in die Hände und ruft mit irrer Freude:)
Hörtet Ihr's? Fort flog der Pfarrer! –
Tief vom Hügel, hoch vom Berg
Wimmeln Troll und Draug und Zwerg,
Schwarz und wüst und groß und klein, –
Hu, wie hieb die Bande drein! –
Haben mir mit wilden Bissen
Aug' und Herz halb ausgerissen!
Pah, Ihr plumpen Menschennarrer, –
Gerd kann gern die Hälfte missen!
Brand.
Kind, was reimst und träumst Du da!
Steh' ich denn nicht vor Dir?
Gerd. Ja –
Du! Du wohl, doch nicht der Pfarrer! Jäh herab vom Schwarzen Horn Schoß mein Habicht. Wild von Sporn, Zaum und Sattelzeug durchschnitt Er den Dust, der Nachtdurchstarrer, Und der Mann, der auf ihm ritt, – Sieh, das war, das war der Pfarrer! Leer steht jetzt der Dorfkirch' Raum, Vorgelegt ist Schloß und Baum; Ihre Zeit wird nimmer kehren; Jetzt kommt meine Kirch' zu Ehren, Wo mein Pfarrer Predigt hält, Hoch im weißen Meßgewand, Wie's ihm webte Winters Hand; – Willst Du 'n hör'n, komm hinterher; Eure Dorfkirch' steht ja leer; Wenn er seinen Text bestellt, Schallt es über die ganze Welt!
Brand.
Wer hieß, Arme, Dich, mit irren
Götzenfabeln mich verwirren?
Gerd (kommt durch die Gartentür herein.)
Was sind das für Narreteiden:
Götzen? Ei, was wird das sein?
Einmal groß und einmal klein,
Immer gülden, bunt und seiden.
Götzen!? Hörst Du, siehst Du sie?
Regt sich's nicht im Tuche hie
Wie von Kinderhänd' und –beinen?
Diese Windel, fein und seiden, –
Sag', was mag sie wunders kleiden?
Wohl ein Kind in Schlummerruh'?
Da erschrickt sie, – deckt es zu!
Götzen? Mann, da siehst Du einen!
Agnes (zu Brand.)
Hast Du Bitten, hast Du Tränen?
Mich hat Grausen ausgebrannt.
Brand.
Weh! Dies Wesen, möcht' ich wähnen,
Hat ein Höherer gesandt!
Gerd.
Horch! jetzt läuten all die Glocken
Droben auf dem wilden Grat!
Sieh, wen sie zum Kirchgang locken,
Welche Spukgemeinde naht!
Tausend Zwerg- und Trollgestalten,
Die der Pfarr ins Meer geknechtet,
Brachen ihrer Grüfte Riegel:
Nimmer lassen sie, geächtet
Unter seines Fluches Siegel,
Sich von See und Sarg mehr halten;
Wimmelnd nahn die nassen, kalten; –
Kinder, scheintot, sieh, mit Greinen
Berglawinenschutt entstreben.
Vater! Mutter! schreit's im Chor;
Männer, Weiber stürzen vor;
Dörfler wandert mit den Seinen,
Wie ein Vater, söhn'-umgeben,
Dörflerin hat ihrem toten
Kind die Mutterbrust geboten;
War sie je so strack zu sehn,
Wann sie mußt' zur Kindstauf' gehn?
Da der Pfarr geflohn, ward Leben!
Brand.
Weich von mir! Fast zeugt die Nacht
Schlimmern Spuk noch –
Gerd. Horch! Er lacht,
Er, der längs des Weges sitzt,
Wo er auf zur Höhe flitzt;
Treulich bucht er Seel' um Seele
Aus des Tals verlaßner Kehle; –
Hei, er zählt nicht viele Lücken;
Leer ist ja der Dorfkirch' Raum,
Zugesperrt mit Schloß und Baum, –
Fort der Pfarr auf Habichts Rücken!
(Springt über den Gartenzaun und verliert sich in den Felsen. Stille.)
Agnes (nähert sich Brand und sagt mit gedämpfter Stimme:)
Es ist Zeit; wir wollen gehn.
Brand (starrt sie an.)
Welchen Weg?
(Zeigt zuerst auf die Gartenpforte, dann auf die Haustür.)
Den? – Oder den?
Agnes (weicht schaudernd zurück.)
Brand, – Dein Kind!
Brand (folgt ihr.) Was war ich erst?
Priester oder Vater?
Agnes (weicht noch weiter zurück.)
Wärst
Gott Du selbst, der also fragt', –
Liess' ich dies doch ungesagt!
Brand (folgt ihr wieder.)
Sprich als Mutter! Soll ich fort?
Du hast hier das letzte Wort!
Agnes.
Dein Gemahl bin ich; – entscheide!
Dein Gebot gilt für uns beide.
Brand (will sie am Arm ergreifen.)
Nimm den Kelch der Wahl von mir!
Agnes (weicht hinter den Baum zurück.)
Hieß' ich dann noch Mutter Dir?
Brand.
Daraus blitzt ein Urteilsstrahl!
Agnes (stark.)
Bleibt Dir überhaupt noch Wahl?
Brand.
Daraus blitzt es abermal!
Agnes.
Fühlst Du Dich als Auserwählten?
Brand.
Ja!
(Greift sie fest um die Hand.)
Und nun schenk' mir gestählten
Mutes Leben oder Tod.
Agnes.
Folge Deines Gotts Gebot!
(Pause.)
Brand.