Butler Parker 144 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 144 – Kriminalroman - Günter Dönges


Скачать книгу

      »Er hätte mich wahrscheinlich umgebracht, wenn ich das versucht hätte«, antwortete der junge Mann, »ich merke schon, daß Sie das alles nicht glauben, aber ich wünsche Ihnen nicht, daß Ihnen der Berggeist über den Weg läuft.«

      »Grüßen Sie ihn von uns, falls Sie ihn noch mal sehen sollten«, meinte der Anwalt spöttisch.

      »Ich will ihn nicht noch mal sehen, glauben Sie mir.«

      »Und darum gehen Sie runter zum See, wie?«

      »Bis an den See bekommt mich kein Mensch«, erwiderte der junge Mann, »wer da unten den Ringweg um den See überschreitet, der bekommt es mit dem Berggeist zu tun.«

      »Versuchen wir doch mal unser Glück.« Rander blickte seine Begleiterin aufmunternd an. »Stellen Sie sich vor, Kathy, wir könnten in London von einem echten Berggeist erzählen?«

      »Man sollte sein Schicksal vielleicht nicht herausfordern«, gab sie gespielt beeindruckt und ängstlich zurück.

      »Es gibt keine Berggeister«, behauptete der Anwalt nachdrücklich, »in welchem Jahrhundert leben wir denn… ?!«

      *

      »Sehr hübsch, sehr ansprechend«, faßte Agatha Simpson ihr Urteil zusammen, nachdem sie den ehemaligen Gebirgshof besichtigt hatte, »ich glaube, hier werde ich mich wohl fühlen, oder, Mr. Parker?«

      »Selbst ein Fernsehgerät und ein Video-Rekorder stehen Mylady zur Verfügung«, erwiderte Parker.

      »Das sah ich auf den ersten Blick.« Sie war sehr zufrieden. »Ich werde mir die heimischen Kriminalfilmproduktionen ansehen.«

      »Sie lieben Kriminalfilme?« fragte Paul Karoly interessiert. Er hatte sich inzwischen von dem Zwischenfall wieder erholt.

      »Mylady arbeitet an einem Drehbuch für das britische Fernsehen«, warf Parker ein.

      »Ach ja?« Karoly stand mit seinen Gästen auf der kleinen Terrasse und blickte hinunter auf den Bergsee, der von hohen Felswänden und Tannenwäldern umschlossen wurde. Es gab nur diesen schmalen Ausblick auf das fast kreisrunde Gewässer, das aus der Entfernung wie ein riesiges, dunkles Auge wirkte.

      »Haben Sie was entdeckt?« erkundigte sich die ältere Dame und trat neben Karoly.

      »Erstaunlich, daß schon am Nachmittag Nebel aufkommt«, wunderte sich Karoly. »Sehen Sie doch, Mylady!«

      Er deutete mit ausgestreckter Hand nach unten. Dichte Nebelschwaden quollen aus den Wäldern und trieben über den See, der plötzlich drohend und unheimlich wirkte.

      »Es gibt eine Telefonleitung hinunter in den Ort und zu mir hinauf ins Sporthotel«, sagte Karoly weiter, »ich denke, ich werde mich jetzt um Ihr Gepäck kümmern. Ich wünsche guten Erfolg. Wann werden Sie tauchen, wenn man fragen darf?«

      »Mylady wird sich möglicherweise erst mal mit den Felswänden befassen«, erwiderte der Butler, »man wird Sie rechtzeitig informieren, wann Mylady mit der Erkundung des Sees beginnt.«

      »Dann stelle ich Ihnen nämlich erfahrene Männer zur Verfügung, die sich auf dem Wasser bestens auskennen«, meinte Karoly, »Anruf genügt.«

      Er küßte Mylady formvollendet die Hand, nickte Parker zu und verließ die Terrasse. Bald darauf war er auf der schmalen Straße zu sehen, die nach unten führte. Agatha Simpson holte tief Luft und genoß die einmalige Aussicht. Weit über dem See und den Steilflanken eines kleinen Bergmassivs waren die schneebedeckten Berge und der Teil eines Gletschers zu sehen. Die Sonne senkte sich andeutungsweise, die Luft war rein und klar.

      »Was halten Sie von diesem Karoly?« fragte die ältere Dame ihren Butler. Sie blickte versonnen auf die Hand, die der Hotelier eben erst geküßt hatte.

      »Mr. Karoly dürfte ein überaus höflicher Mensch sein, Mylady.«

      »Glaubt er an diesen Berggeist?«

      »Die Geröll-Lawine dürfte ihn überrascht haben, Mylady.«

      »Er hatte Angst, das habe ich genau gesehen... Was halten Sie übrigens von meiner Theorie, Mr. Parker? Könnten die Goldbarren nicht dort drüben in der Felswand hinter dem See versteckt worden sein? Sie wissen, auf meine Intuition habe ich mich bisher noch immer fest verlassen können.«

      »Mylady müßten, um dies zu überprüfen, immerhin die Felswand untersuchen«, schickte Josuah Parker voraus, »eine Besteigung dieser wilden Felsformationen dürfte nicht einfach sein, falls meiner Wenigkeit dieser laienhafte Hinweis gestattet ist.«

      »Schwierige Felsformation?« Mylady lachte spöttisch. »Mr. Parker, für Sie mag das sicher zutreffen, aber doch nicht für mich! Aber machen Sie sich nur keine Sorgen, ich werde Ihnen beibringen, wie man sich im Fels verhält. Wenn wir Österreich wieder verlassen, werden Sie ein ganz passabler Bergsteiger sein.«

      »Mylady machen meine Wenigkeit bereits im vorhinein glücklich«, behauptete der Butler und schob den Kopf ein wenig vor, als plötzlich einige Vögel kreischend und protestierend aus dem nahen Hangwald emporstiegen.

      »Sagen Sie nichts«, meinte die ältere Dame, die wie elektrisiert wirkte, »da unten hat sich etwas getan.«

      »Mylady dürften den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen haben.«

      »Ich denke an diesen Karoly«, redete Agatha Simpson weiter, »der Weg führt doch durch das Waldstück, nicht wahr?«

      »In der Tat, Mylady. Normalerweise reagieren die Vögel wohl kaum auf etwas, das auf dem Weg zu sehen ist.«

      »Ob dieser Berggeist nicht doch existiert?« fragte sie sich leise, »Mr. Parker, ich werde den Dingen sofort auf den Grund gehen und nachsehen. Sie dürfen mich begleiten.«

      »Mylady sind wieder mal zu gütig.«

      »Ich werde den Weg natürlich meiden und durch den Wald schleichen. Sie wissen, daß ich Pfadfinderin war und mich im Gelände auskenne.«

      »Mylady dürften mit Sicherheit kaum etwas verlernt haben.«

      »Natürlich nicht«, sagte sie, »ich habe in mir so etwas wie einen Kompaß, Mr. Parker. Folgen Sie mir!«

      *

      »Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte mich verlaufen, oder?« Lady Agatha schnaufte diskret und musterte Parker streng. Sie hatte die Führung durch den dunklen Wald übernommen und bahnte sich ihren Weg durch das dichte Unterholz. Dabei verursachte sie Geräusche, die weithin zu hören waren. Es gab keinen dürren Ast am Boden, den sie mit ihren übergroßen Schuhen nicht nachdrücklich geknackt hätte.

      »Meine Wenigkeit erkühnt sich, voll und ganz auf Myladys Fähigkeiten zu setzen und ihnen zu vertrauen«, lautete Parkers Antwort.

      »Was ich mir aber auch ausgebeten haben möchte ...« Sie blickte um sich und suchte nach einem Anhaltspunkt, hatte sich selbstverständlich total verlaufen und wußte noch nicht mal andeutungsweise, wo sie sich befand.

      »Wir werden den Weg gleich erreicht haben«, verkündete sie nach einigen Sekunden, »und noch etwas, Mr. Parker: Sie sollten sich bemühen, vorsichtig aufzutreten.«

      »Wie Mylady wünschen.« Der Butler deutete eine knappe Verbeugung an.

      »Sie verscheuchen mir sonst den Berggeist«, redete sie lautstark weiter. »Mir nach!«

      Sie schob ihre majestätische Fülle wieder durch das dichte Gesträuch und brach sich ihren Weg. Vor Parker bildete sich eine breite Schneise, die er bequem zu nutzen verstand.

      Parker hätte seiner Herrin einen Hinweis geben können, was den gesuchten Weg betraf, doch er hütete sich, dies zu tun. Er kannte Lady Simpsons verwegenen Ehrgeiz und ihren Eigensinn. Sie ließ sich grundsätzlich nicht raten und wußte stets alles besser.

      Es ging übrigens wieder bergauf, was Lady Agatha aber kaum auffiel. Sie wurde allerdings ein wenig langsamer und schnaufte nun deutlich hörbar. Mit ihrer Kondition war es auf keinen Fall weit her. Sie blieb immer häufiger stehen, atmete krampfhaft


Скачать книгу