Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
dir vorwerfen?«
»Ich bin am besten dabei weggekommen, warum weiß ich auch nicht.«
»Jetzt mach dir damit das Herz nicht schwer. Was geschehen ist, das ist nicht mehr zu ändern.«
»Verzeihst du mir, Helmut?« flüsterte sie.
»Ich möchte nur eine einsichtige Frau haben, die auch nachgeben kann und nicht immer ihren Willen durchsetzen muß.«
»Und ich werde in Zukunft auch sparsam sein und nicht mehr mit deinem Wagen fahren. Du brauchst jetzt aber einen neuen.«
»Ja, ich weiß, vorerst werde ich mir einen Leihwagen nehmen. Deiner ist noch nicht fertig.«
»Vielleicht war die Inspektion gar nicht nötig.«
»Das war sie bestimmt, weil auch ein Ersatzteil beschafft werden muß. Denk nicht über die Autos nach, sie sind gottlob zu ersetzen. Ich gehe jetzt zu Beate.«
»Sag ihr, wie leid es mir tut und wie lieb ich sie habe.«
»Das weiß ich, aber du mußt dich auch an den Gedanken gewöhnen, daß sie erwachsen ist, ihre eigenen Ansichten hat und auch den Beruf ergreifen soll, der ihr am meisten liegt.«
»Soweit bin ich schon.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, die er ergriff und festhielt.
»Ich liebe dich, und es hat für mich nie einen anderen Mann gegeben«, sagte sie bebend. »Aber ich hatte immer Angst, daß es eine andere Frau für dich gibt.«
»Dazu habe ich gar keine Zeit. Außerdem hat es mir auch gereicht, eine anspruchsvolle Frau zu haben.«
Da er gemerkt hatte, daß sie in der Stimmung war, einige Wahrheiten hinzunehmen, wohl so schuldbewußt, daß sie tatsächlich nachdachte, nutzte er diese Gelegenheit und tat gut daran. Sie verübelte es ihm nicht und war froh, daß er mit ihr sprach, daß er immer noch ihre Hand hielt und sie jetzt sogar auf beide Wangen küßte.
»Wir finden einen Weg, alles besser zu machen, Inge«, sagte er. »Werde bald wieder gesund, zu Hause ist es schrecklich einsam ohne dich.«
»Danke, daß du das sagst«, flüsterte sie unter Tränen.
Die Schwestern konnten nur noch staunen, wie sanftmütig Inge fortan war.
Sie wurde tatsächlich auch nicht rückfällig.
*
Beate hatte vor sich hingeträumt.
Jenny Behnisch hatte gesagt, sie solle an etwas Schönes denken.
Dann trat plötzlich ihr Vater ein.
Sie blinzelte erst, weil sie es gar nicht glauben konnte, daß er an ihrem Bett stand.
»Papi, bist du das wirklich?« fragte sie. »Bist du schon zurück?«
»Als ich erfuhr, was hier passiert ist, bin ich natürlich sofort zurückgekommen. Mein Liebling…«
Die Rührung raubte ihm die Sprache. Er beugte sich zu ihr und küßte sie. Es dauerte Minuten, bis er wieder so gefaßt war, mit ihr reden zu können.
»Es geht mir ja schon so viel besser, Papi, und ich bin glücklich, daß du bei mir bist. Hast du schon mit Mama gesprochen?«
»Ja, ich war bei ihr, weil du noch geschlafen hast, und ich denke, sie ist jetzt viel einsichtiger als früher.«
»Sie hat Gewissensbisse, aber sie konnte wirklich nichts dafür. Es war Klaus Ziegler mit seinem Motorrad, der uns überholte. Das habe ich schon erfahren. Er ist tot.«
»Ja, ich weiß es inzwischen.«
»Das hat er nun von seiner Raserei. Seine Eltern werden jetzt sicher auch nachdenken. Wenn nur Janine wieder ganz gesund wird.«
»Es wird bestimmt alles getan werden, mein Kleines.«
»Alena hat mich gestern besucht. Sie hat gesagt, wir könnten zur Reha nach Gut Neuenwied, das wird von Dr. Albrecht geleitet. Er behandelt nach chinesischen Heilmethoden und soll beste Erfolge erzielt haben. Es ist eine ganz besondere Therapie.«
»Ich werde mich gleich erkundigen, Kleines.«
»Alena kann dir mehr sagen. Aber ich würde nur dorthin wollen, wenn Janine auch mitgehen darf.«
»Das werden wir schon arrangieren. Es wird alles zu eurem Besten getan werden.«
»Machst du Mama Vorwürfe?«
»Nein, keine Angst, die macht sie sich selbst, aber sie ist sehr einsichtig und wird in Zukunft vernünftiger sein.«
»Wir hatten einen so schönen Tag, haben eingekauft und waren nett essen. Mama war gut aufgelegt. Warum mußte das dann nur passieren?«
»Wenn man das wüßte, Kleines. Es sind die unvorhersehbaren Schicksalsschläge, die uns bewußt machen, daß wir für jeden schönen Tag dankbar sein müssen.«
Sie schmiegte die Wange in seine Hand. »Du bist so lieb und verständnisvoll, Papi. Würdest du dich von uns trennen?«
»Wie kannst du nur so etwas denken?«
»Janine ist oft unglücklich. Sie beneidet uns und versteht sich auch mit Mama und nimmt ihr die Belehrungen nicht übel, weil sie merkt, daß Mama es eigentlich gut meint, wenn sie es manchmal auch falsch ausdrückt. Aber Frau Binder ist überhaupt keine Mutter.«
»Du mußt jetzt nicht soviel grübeln, mein Liebes. Wir werden uns auch um Janine kümmern. Ich will mit ihrem Vater sprechen, er ist ein vernünftiger Mann.«
»Aber Janine fühlte sich verlassen. Ihr Vater hat eine andere Frau und andere Kinder, und ihre Mutter denkt nur an sich selbst. Andy wird nicht akzeptiert. Was würdest du sagen, wenn ich einen Freund hätte, der Elektriker oder so was ist?«
»Es kommt auf den Charakter an und wie beständig die Gefühle sind. Wenn du meinst, den richtigen Mann gefunden zu haben, werden wir darüber reden. Hast du einen Freund?«
»Das wüßtest du doch, Papi, bei uns braucht es keine Heimlichkeiten zu geben.«
»Schön, daß du so denkst.« Er ließ den Blick zärtlich auf ihr ruhen. »Hast du Schmerzen?«
»Nicht direkt. Es ist nur unangenehm mit dem Gips, und der Rücken tut dann schon weh. Aber es ist auszuhalten.«
Sie war wieder müde geworden. Er streichelte ihr Haar, und sie schloß die Augen. Bald war sie eingeschlafen, aber ihr Gesicht war entspannt. Sie sah aus wie ein zufriedenes Kind.
Helmut Hendriks ging zu Janine. Andy war bei ihr. Helmut kannte ihn vom Sehen.
Andy sprang errötend auf.
»Bleiben Sie nur«, sagte Helmut, »ich wollte nur sehen, wie es Janine geht. Ich war gerade bei Beate.«
»Manchmal macht Janine die Augen auf, aber ich glaube, sie begreift immer noch nicht, was geschehen ist«, erwiderte Andy stockend.
Helmut Hendriks fühlte sich hilflos. »Wir wollen zuversichtlich sein«, sagte er leise. »Es wird alles für sie getan werden. Ich werde auch mit ihrem Vater sprechen.«
»Sagen Sie bitte nichts von mir.«
»Warum nicht? Er kann doch froh sein, daß Janine einen zuverlässigen Freund hat. Lassen Sie sich nicht beirren.«
Andy schenkte ihm ein dankbares Lächeln und sah gleich wieder zu Janine, die leise stöhnte.
»Wenn ich ihr doch nur die Schmerzen nehmen könnte«, murmelte er.
Da sagte sie deutlich seinen Namen: »Andy, bist du bei mir?«
»Ja, ich bin hier, Janni.«
Helmut nickte ihm aufmunternd zu und ging.
Andy griff nach Janines Hand und streichelte sie.
Helmut ließ ein Taxi rufen und fuhr zu seinem Autohändler, um sich einen Leihwagen zu mieten. Ihm wurde gleich ein Angebot