Seewölfe - Piraten der Weltmeere 19. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 19 - John  Curtis


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      Impressum

      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-202-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      1.

      „Da wird geschossen! Verdammt noch mal, da vorn muß die Hölle los sein!“

      Unwillkürlich hatte der Seewolf leise gesprochen. Aber das war völlig unnötig, denn jetzt drang auch lautes Geschrei an seine Ohren, das abermals vom Dröhnen abgefeuerter Musketen durchbrochen und übertönt wurde.

      Die Männer um Philip Hasard Killigrew verhielten sich mucksmäuschenstill. Es war ihnen rätselhaft, wer da vor ihnen in der Nacht auf der Insel herumballerte.

      „Das kann nur beim Dorf der Araukaner sein, Hasard“, sagte Carberry schließlich und schob sein Rammkinn vor. „Das aber würde gleichzeitig bedeuten, daß sich Spanier auf der Insel befinden müssen. Denn die Indianer besitzen keine Feuerwaffen.“

      Der Seewolf nickte, während er angestrengt nachdachte. Carberry hatte recht – eine andere Lösung gab es nicht.

      Hasards Gruppe, die aus elf Männern bestand, Carberry ausgenommen allesamt aus seiner Crew, verharrte in absoluter Finsternis. Der urwaldähnliche Pflanzenwuchs, der sie umgab, schluckte sogar noch den Schimmer der Sterne.

      Ferris Tucker, der neben Hasard stand, stieß eine Verwünschung aus. Aber dann überzog ein Grinsen seine Züge, während er seine riesige Zimmermannsaxt fester packte.

      „Wenn das welche von diesen verdammten Dons sind, dann kommen sie mir gerade recht. Ich habe diese Hundesöhne noch nicht vergessen, ganz besonders nicht die Zeit auf der ‚Tortuga‘. Da sind noch ein paar Rechnungen offen. Denen werde ich auf die Zehen treten, bis sie Plattfüße haben!“

      Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Auch der Seewolf grinste. Mit dieser Teufelsbande ließ sich etwas anfangen. Er dachte flüchtig daran, wie er sie in Spanien von der Galeere heruntergeholt hatte, auf der die Spanier sie in Ketten als Sträflinge monatelang gefangengehalten hatten. Statt Essen hatte es dort oft nur Peitschenhiebe gegeben. Die tiefen Narben auf den Rücken der Männer waren deutliches Zeugnis für die Torturen, die sie auf der „Tortuga“ hatten hinnehmen müssen. Und der Seewolf verstand nur zu gut, daß diese Monate bei keinem von ihnen vergessen waren.

      „Hört zu“, sagte er. „Wir werden erstmal erkunden, was da eigentlich los ist. Seid vorsichtig, wenn die Dons das Dorf der Indianer angegriffen haben, dann befinden sie sich auch in der Übermacht. Ich habe keine Lust, in irgendeine Falle oder irgendeinen Hinterhalt zu laufen. Und vergeßt nicht – auch die Indianer könnten uns die Hölle wieder ganz schön anheizen!“

      Unwillkürlich tastete er nach der tiefen Wunde, die ihm der Araukanerpfeil mit seiner Knochenspitze gerissen hatte. Von der Augenbraue über die ganze linke Wange. Noch immer brannte sie höllisch.

      „Los, vorwärts!“ kommandierte er, und der kleine Trupp setzte sich in Bewegung. Hinter dem Seewolf brach Carberry durch den Pflanzenwuchs. Voraus stampfte Ferris Tukker. Wo notwendig, hieb er mit seiner Axt den Weg durch Lianen und Unterholz frei – eine andere Möglichkeit gab es nicht. Hasard und Carberry unterstützten ihn dabei mit ihren Entermessern.

      Es war schwül. Die im Dschungel herrschende Feuchtigkeit trieb ihnen den Schweiß aus den Poren. Irgendwo kreischten Tiere im Dunkel der Nacht, aber immer wieder drangen das Dröhnen der Musketen und das Geschrei der Indianer an ihre Ohren. Hinter Hasard kämpfte sich Dan O’Flynn vorwärts. Ihm folgten der riesige Gambia-Neger Batuti, Ben Brighton, der Kutscher, Stenmark, Smoky, Gary Andrews, Blacky und Al Conroy, der den Schluß der Gruppe bildete. Alle waren bis an die Zähne bewaffnet.

      Sie arbeiteten sich schweigend vorwärts, bis sie endlich auf einen Pfad der Araukaner stießen, der wahrscheinlich zum Dorf führte.

      Der Seewolf blieb stehen, und auch der rothaarige Schiffszimmermann ließ seine Axt sinken.

      Der Kampfeslärm vor ihnen war lauter geworden. Aber dann hörten sie etwas, was ihnen buchstäblich die Haare zu Berge stehen ließ.

      Eine hohe helle Stimme stieß schrille Schmerzenslaute aus. Laute, die sie nicht verstanden, aber die Männer begriffen trotzdem, was dort knapp hundert oder auch nur fünfzig Yards vor ihnen geschah.

      Dan sprach es als erster aus.

      „Da wird jemand gefoltert!“ stieß er hervor, und seine Stimme vibrierte vor Zorn. Und wie, um seine Worte zu untermalen, ertönten wieder diese entsetzlichen schrillen Schreie, die gleich darauf von lautem Gelächter aus rauhen Männerkehlen übertönt wurden.

      Der Seewolf entschloß sich schnell, denn einige der Männer, die gerade gelacht hatten, begannen jetzt auch laut etwas in die Nacht zu grölen.

      „Das sind Dons!“ stieß Ben Brighton voller Grimm aus, der genau wie der Seewolf perfekt Spanisch sprach.

      „Und ob das Dons sind, Ben!“ knirschte Hasard. Er konnte seinen Grimm kaum noch meistern, denn er hatte genau wie Ben verstanden, was der Spanier gegrölt hatte. Weder der Seewolf noch seine Männer waren zart besaitet, aber das, was Hasard da eben gehört hatte, das trieb sogar ihm das Blut in die Wangen.

      „Ferris, Batuti, Ben – mir nach. Die anderen folgen uns, aber seid vorsichtig, ich weiß nicht, wie viele Dons da vor uns sind. Seht zu, daß ihr sie in die Zange nehmt. Carberry – du übernimmst das Kommando!“

      Der Profos schob abermals sein Rammkinn vor.

      „Die Kerle da sind schon so gut wie in der Hölle. Haut ab, ich bleibe mit den anderen dicht hinter euch. Wenn irgend etwas schieflaufen sollte, pauken wir euch wieder ’raus!“

      Der Seewolf nickte nur kurz und verschwand auch schon mit Ferris Tucker, Ben Brighton und Batuti in der Dunkelheit.

      Sie brauchten nur wenige Minuten, dann erblickten sie vor sich den Schein eines lodernden Feuers. Von fern drang der Kampfeslärm herüber, er war etwas abgeflaut, wahrscheinlich sammelten die Spanier Kraft zum nächsten Angriff. Um so besser verstanden Hasard und seine Männer, was da vor ihnen auf der kleinen Lichtung geschah, die offenbar von den Araukanern rings um einen kleinen, tempelartigen Bau geschlagen worden war.

      Der Seewolf, der wieder kurz stehengeblieben war, huschte weiter. Nach etwa zwanzig Schritten hatte er den Rand der kleinen Lichtung erreicht – und was er da sah, das sträubte ihm die Haare.

      Auf der Lichtung, etwa drei Yards vor dem kleinen Tempel, umstanden sechs Spanier ein am Boden liegendes, an vier ins Erdreich geschlagene Pflöcke gefesseltes Araukanermädchen. Einer der Kerle hielt ein glühendes Eisen in der Hand, ein anderer bückte sich gerade und fetzte dem Mädchen mit einem Ruck den letzten Rest der Kleidung vom Körper.

      Nur im Unterbewußtsein registrierte der Seewolf, daß die Indianerin ein bildhübsches, gertenschlankes und sicherlich noch sehr junges Mädchen war. Auf einem ihrer Oberschenkel hatte die Araukanerin eine häßliche Brandwunde.

      Der Kerl, der das glühende Eisen in der Hand hielt, trat eben an das Mädchen heran, senkte das Eisen und wollte es auf eine ihrer Brüste drücken, aber dazu kam er nicht mehr.

      Der Seewolf stieß einen Schrei aus, der fast den hölzernen Tempel erzittern ließ. Dann warf er sich auf den Spanier, rammte ihm sein Entermesser durch das Lederwams in den Leib und katapultierte ihn gleichzeitig gegen die Außenwand des hölzernen Tempels. Im Nu hatte der Seewolf sein Entermesser wieder aus dem Körper des Spaniers herausgerissen, wirbelte herum und schlug die scharfe Klinge dem nächsten in die Schulter.

      In diesem Moment stürmte Ferris Tucker heran. Mit einem wahrhaft satanischen Gebrüll schmetterte er seine überlange Axt dem nächsten auf den Helm. Der Schlag war mit solcher Kraft geführt, daß der Spanier trotz des Helms mit gespaltenem Schädel zu Boden sank.

      Batuti und Smoky warfen sich unterdessen auf die anderen drei Spanier, die sie aus weit aufgerissenen Augen anstarrten, unfähig, den Schock zu überwinden, den das plötzliche Auftauchen jener


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