Seewölfe - Piraten der Weltmeere 19. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 19 - John  Curtis


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zeigte sich, daß diese Spanier zu einer kampfgewohnten Truppe gehörten, die Tod und Teufel nicht fürchtete. Sie hatten keine Ahnung, wer die Angreifer waren, aber sie rissen ihre Musketen, ihre Degen und ihre Hellebarden hoch.

      Batuti, der gerade einen von ihnen an der Wand des Tempels mit seinem Entermesser festnageln wollte, wurde von einem mörderischen Hieb in den Rücken getroffen. Sein zum tödlichen Stoß erhobener Arm verharrte in der Luft, dann fiel er kraftlos herab.

      Ben Brighton fegte den Spanier, der ihn eben mit einem wütenden Ausfall seiner Hellebarde in arge Bedrängnis brachte, mit ein paar wuchtigen Hieben zur Seite und deckte den bewußtlosen Batuti mit seinem Körper.

      Der Seewolf sprang den beiden zu Hilfe, aber in diesem Moment waren Carberry und die anderen zur Stelle.

      Ihre Messer blitzten im Schein des lodernden Feuers auf. Einer der Spanier stieß einen schrillen Todesschrei aus, dann herrschte plötzlich wieder Stille. Nur das Keuchen der Männer und Knistern der Flammen waren zu hören.

      Stumm umstanden die Männer das Araukanermädchen, dann beugte sich Ferris Tucker zu ihr hinunter, zog sein Messer und zerschnitt die Fesseln. Behutsam hob er die Araukanerin auf und trug sie auf seinen starken Armen in den Tempel.

      Hasard ließ ihn gewähren, aber noch bevor er sich darüber klarwerden konnte, was nun mit der Indianerin geschehen sollte, riß ihn ein lauter Schrei aus seinen Überlegungen.

      Ferris Tucker erschien totenblaß mit der Araukanerin auf den Armen wieder auf der Lichtung vor dem Tempel. Beim Seewolf blieb er stehen.

      „Diese Bestien!“ stieß er erbittert hervor. Gleichzeitig bettete er die Araukanerin wieder behutsam auf den Boden neben das Feuer. Dann winkte er den Kutscher heran.

      „Los, kümmere dich um die Brandwunde auf dem Oberschenkel. Und sorg dafür, daß die Kleine etwas anzuziehen kriegt – und wenn einer von uns seine Hosen auszieht. Klar?“

      Der Kutscher nickte nur und kniete sich neben dem Mädchen nieder.

      Unterdessen stürmten die anderen in den Tempel. Dort bot sich ihren Augen ein entsetzliches Bild. Ein junger, gutgewachsener Indianer hing dort an einem Seil, das die Spanier offenbar an einem hervorstehenden Balken befestigt hatten, so genau ließ sich das wegen der herrschenden Dunkelheit, die nur von dem draußen brennenden Feuer ein wenig aufgehellt wurde, nicht erkennen. Er war gefoltert worden, aber nicht nur mit glühenden Eisen, sondern auf noch viel schlimmere, unmenschliche Weise.

      Der Seewolf spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Brechreiz.

      Wortlos verließ er den Tempel. Noch im Ausgang drehte er sich herum.

      „Nehmt ihn herunter. Legt ihn auf den Boden. Wir haben jetzt keine Zeit, ihn zu begraben, aber wir werden das später tun. Kümmern wir uns erstmal um das Mädchen, vielleicht erfahren wir von ihr noch etwas.“

      Als der Seewolf an das Feuer trat, hatte der Kutscher gerade die häßliche Wunde auf dem Oberschenkel der Araukanerin verbunden. Das Mädchen war wieder bei Bewußtsein, sie sah den Seewolf aus ihren großen, fast schwarzen Augen an. Ihm kam es vor, als werfe sie ihm einen langen, prüfenden Blick zu. Der Kutscher hatte ihre Blößen notdürftig mit seiner Jacke bedeckt.

      Die Araukanerin setzte sich auf. Mit einer Hand zog sie die Jacke fest um ihren Körper, so daß sie schließlich wie eine Art kurzer Rock wirkte. Die andere führte sie zur Stirn und verneigte sich leicht gegen Hasard. Dann geschah wieder etwas völlig Überraschendes.

      Ganz plötzlich sprang sie auf und war in der Dunkelheit verschwunden, noch bevor der Seewolf irgend etwas dagegen unternehmen konnte.

      Dan, der eben aus dem kleinen Tempel ins Freie trat, sah das. Sofort warf er sich mit einem Riesensatz nach vorn, um die Indianerin noch zu erwischen, aber der Seewolf packte zu und hielt ihn fest.

      „Laß sie, Dan. Wenn sie das mit angesehen hat, was da drinnen geschehen ist, dann hat sie mehr durchgestanden, als mancher von uns in seinem ganzen bisherigen Leben. Laß sie, sie wird in ihrem Dorf berichten, auf welche Weise sie gerettet wurde, und das kann uns sowie Matt und Pete nur nutzen, falls die beiden in die Gefangenschaft der Araukaner geraten sein sollten.“

      Die Männer bildeten einen Kreis um den Seewolf. Und in diesem Moment brach beim Dorf der Araukaner wieder der Kampfeslärm los. Musketen donnerten, Menschen schrien, nur daß diesmal alles schon viel lauter war als vorher.

      Der Seewolf hatte seinen Entschluß sehr schnell gefaßt.

      „Wir sehen nach, was dort geschieht. Wir werden den Araukanern helfen, wenn das noch möglich ist. Und vor allen Dingen müssen wir wissen, mit wie vielen Dons wir es hier zu tun haben.“

      Die Männer setzten sich in Bewegung. Der Pfad, der offenbar zum Dorf führte, verbreitete sich. Der Seewolf war sich im klaren darüber, daß die Spanier diesen Pfad vielleicht auch kannten und sie auf diese Weise sehr leicht in eine Falle geraten konnten. Aber er vertraute gleichfalls darauf, daß die Spanier ja von ihrer Anwesenheit gar nichts wissen konnten. Gar nichts wußten, das hatten eindeutig die Reaktionen der sechs getöteten Spanier bewiesen, die das Mädchen und den jungen Indianer gefoltert hatten.

      Sie brauchten nicht lange, dann hörte der Dschungel plötzlich auf. Vor ihnen, auf einer großen Lichtung, lag das Dorf der Araukaner. Es war umgeben von hohen Palisaden, deren Pfähle in gefährliche Spitzen ausliefen. Vor dem Palisadenzaun befand sich ein breiter Schutzgraben, der mit Wasser gefüllt war. Und überall im Dorf flackerten Feuer, aber auch draußen auf der Lichtung.

      Hasard und seine Männer verbargen sich am Rande der Lichtung. Die ganze Gegend wimmelte nur so von Spaniern, die eifrig damit beschäftigt waren, Bäume zu fällen, mit denen sie offenbar später den breiten Schutzgraben überbrücken wollten.

      Der Seewolf knirschte mit den Zähnen.

      „Diese Kerle wollen das Dorf stürmen!“ sagte er. „Wenn ihnen das gelingen sollte, dann wird es keiner der Indianer überleben. Ich habe verdammt den Eindruck, daß es sich bei dieser Aktion um eine Strafexpedition handelt.“

      Er spähte umher. Es war schwer, die Anzahl der Spanier zu schätzen. Aber je länger er die Dons beobachtete, desto mehr wurden es. Hin und wieder eröffneten sie wütendes Musketenfeuer auf die Palisaden und wurden dafür mit einem Hagel von Pfeilen überschüttet.

      „Mann, das sind über hundert Spanier!“ flüsterte Carberry. „Mindestens, vielleicht sogar zweihundert. Hölle und Verdammnis, woher kommen die bloß? Ganz gleich, was wir auch tun, gegen die haben wir paar Mann nicht die geringste Chance. Und ich fürchte, die Araukaner auch nicht!“

      Hasard nickte. Der Profos hatte recht.

      In diesem Moment zuckte Dan, der neben den beiden lag, heftig zusammen. Vor Aufregung versagte ihm fast die Stimme.

      „Da, da an den Palisaden!“ sagte er. „Pete und Matt! Die kämpfen mit den Araukanern gegen die Dons, sie leben, Hasard!“

      Dan deutete aufgeregt in eine ganz bestimmte Richtung, und da sahen es die anderen auch: Hinter den Palisaden, wahrscheinlich auf einer Art Wehrgang, standen Pete Ballie und Matt Davies, der Mann mit dem Eisenhaken am rechten Unterarm.

      Der Seewolf atmete auf. Sie lebten tatsächlich. Zugleich bestärkte ihn diese Entdeckung in seinem Entschluß, den er im stillen bereits gefaßt hatte.

      Es gab keine andere Möglichkeit, sie mußten Drake verständigen und Hilfe anfordern. Es wäre reiner Selbstmord gewesen, gegen diese Übermacht der Spanier auch nur etwas zu versuchen. Aber wie lagen die Dinge wirklich? Hatten die Spanier noch weitere Truppen gelandet? Konnten sie sich rasch Verstärkung beschaffen, wenn das nötig werden sollte? Gerieten Drake und seine Männer dadurch etwa in eine ausweglose Falle?

      Hasard überlegte schnell, und ebenso schnell entschloß er sich auch.

      „Blacky – Smoky! Ihr beide verständigt den Kapitän. Aber beeilt euch, und haltet vor allem die Augen auf. Es könnten noch mehr Trupps von diesen verdammten Dons über die Insel streifen. Lauft ihnen ja nicht in die Finger,


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