Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman. Britta Winckler

Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman - Britta Winckler


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bis an den Bodensee mitgenommen.«

      »Nur bis an den Bodensee?« Mit offenem Mund starrte Moritz den Chefarzt an. »Und wie ist sie von dort nach Rosenheim zurückgekommen?«

      »Mit dem Zug.«

      »Sind Sie da ganz sicher?« Erregt hatte Moritz sich nach vorn gebeugt.

      »Natürlich, ich brachte sie selbst bis zum Bahnhof.«

      »Aha!« Moritz lehnte sich zurück, kreuzte die Arme vor der Brust und atmete tief durch.

      Dr. Lindau konnte nicht fragen, was Baldau mit diesem »Aha!« meinte, denn der Kellner servierte ihm den Kaffee und Herrn Baldau die Suppe. Hastig begann dieser zu löffeln, doch dann ließ er den Löffel sinken. Er sah den Chefarzt an.

      »Ich hätte mich nie an Sie gewandt, aber jetzt, nachdem wir uns begegnet sind …« Er unterbrach sich, sah auf den Löffel, den er noch in der Hand hielt. »Was habe ich falsch gemacht, Herr Doktor?« Ruckartig hob er den Kopf. »Vielleicht hat meine Frau mit Ihnen darüber gesprochen? Ich meine, was der andere hat, was ich nicht habe?«

      »Moment, Herr Baldau! Ich glaube, ich muss da etwas richtigstellen. Ihre Frau war sehr zurückhaltend. Die meiste Zeit saß sie schweigend neben mir. Ich hatte das Gefühl, dass sie mit den Gedanken bei Ihnen in Lugano geblieben ist.«

      »So! Und anschließend traf sie sich mit dem anderen.«

      »Langsam beginne ich zu begreifen.« Dr. Lindau schüttelte den Kopf. Er hob die Kaffeetasse an den Mund und trank. »Sie glauben also, dass Ihre Frau Sie betrügt?«, fragte er dann geradeheraus.

      »Sie bestreitet es, aber es gibt keine andere Möglichkeit.« Moritz’ Kopf sank an die Brust. »Sie war so anschmiegsam, so zärtlich, eine wunderbare Geliebte. Und dann …, jetzt entzieht sie sich mir, sie weicht mir aus. Sogar auf unserer Hochzeitsreise …« Er brach ab, starrte wieder vor sich hin.

      »Herr Baldau, Ihre Suppe wird kalt«, erinnerte der Chefarzt. Er war verwirrt, musste sich mit der neuen Situation erst vertraut machen.

      Moritz schien den Einwand überhaupt nicht gehört zu haben. »Meine Frau hat Ihnen wirklich nichts gesagt? Es muss da einen anderen geben!« Er schlug die geballte rechte Hand in die linke Handfläche. »Wenn Sie meine Frau nicht direkt nach Rosenheim gebracht haben, dann hat sie sich sicher mit dem anderen getroffen.«

      »Das glaube ich nicht!« Dr. Lindau sprach aus, was er empfand. Er versuchte, es gleich darauf auch zu erklären. »Ihre Frau war verzweifelt, sie war deprimiert. Sie wollte weg von Lugano, aber im Grunde wollte sie es auch wieder nicht. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr sehr schwerfiel. Sie wäre gern bei Ihnen geblieben.«

      Moritz sah ihn mit offenem Mund an. »Sie wollte nicht bleiben, Herr Doktor! Das müssen Sie doch mitbekommen haben. Wir waren auf unserer Hochzeitsreise, Herr Doktor! Aber sie saß lieber in der Bar, als mit mir aufs Zimmer zu gehen. Muss ich deutlicher werden, Herr Doktor?«

      »Nein!« Dr. Lindau war jetzt voller Abwehr. »Ich kann Ihnen nur nochmals versichern, dass ich diesen Eindruck nicht von Ihrer Frau hatte.«

      Der Kellner kam, er nahm die Suppentasse weg, servierte das Essen.

      »Verzeihen Sie, Herr Doktor«, murmelte Moritz, er begann zu essen. Er aß automatisch, obwohl er großen Hunger verspürt hatte, als er das Restaurant betreten hatte, schob er jetzt einfach Bissen um Bissen in sich hinein. Er merkte nicht einmal, was er aß. Er aß, bis der Teller leer war und auch kein Salatblatt mehr übrig war, dann ließ er das Besteck sinken.

      »Was soll ich noch zu Hause, Herr Doktor? Ich habe meiner Frau bereits gesagt, dass ich mir jetzt auch eine andere suchen werde, aber auch das hat nichts genützt.«.

      »Wollen Sie sich etwa von Ihrer Frau trennen?«

      Heftig schüttelte Moritz den Kopf »Ich liebe meine Frau«, erklärte er dann. »Aber ich bin ein Mann, ich lasse mich doch nicht betrügen!« Jetzt atmete er heftig.

      Hatte der Mann wirklich Grund für seine Eifersucht? Dr. Lindau dachte an die Fahrt von Lugano an die deutsche Grenze. Die junge Frau war so schweigend gewesen. Nein, er hatte nicht die Absicht, Partei zu ergreifen. So trank er seinen Kaffee aus.

      »Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau, dass Sie sich endlich aussprechen, vor allem, wenn Sie sich noch lieben.«

      »Aussprechen, das müssen Sie Sonja sagen. Sie ist ja nicht ehrlich.« Verbissen starrte Moritz auf seinen leeren Teller.

      »Herr Baldau, ich muss in die Klinik zurück.« Dr. Lindau erhob sich mit dem Bewusstsein, Frauenarzt zu sein und kein Eheberater. Er reichte Moritz die Hand. »Grüßen Sie Ihre Frau von mir.«

      Moritz nickte. »Ich muss zum Bus, muss mich um meine Reisegruppe kümmern. Vielleicht mache ich dies in Zukunft öfter. Warum sollte ich nicht Reiseleiter oder Busfahrer spielen?«

      Dr. Lindau verließ das Restaurant, ohne Herrn Baldau diese Frage beantwortet zu haben.

      *

      Dr. Lindau prostete seinem Kollegen und ehemaligen Kommilitonen zu. »Es freut mich wirklich, dass du den Weg nach Auefelden gefunden hast.«

      »Ich war neugierig!« Dr. Jochen Kirchner hob sein Glas und stieß damit gegen das des Chefarztes. »Man hat in letzter Zeit so viel Gutes von dir gehört. Ich muss sagen, man hat nicht übertrieben.« Er nahm einen kräftigen Schluck.

      »Mit der Klinik habe ich Glück gehabt. Seit dem Tod meiner Frau war es mein größter Wunsch, intensive Hilfe bei Schwangerschafts- und Geburtsproblemen zu leisten. Du weißt ja, als frischgebackener Doktor habe ich die Praxis des alten Dr. Bergmann übernommen. Mit dem Schloss wurde mir die Möglichkeit gegeben, meinen Wunschtraum Wirklichkeit werden zu lassen.«

      »Mit deiner Erlaubnis habe ich mich in deiner Klinik umgesehen. Ich muss sagen, es ist alles bestens in Schuss. Wie hast du es nur geschafft, dass du dich auf dein Personal so verlassen kannst? Du wirst von allen verehrt. Man könnte fast meinen, du trägst einen Heiligenschein.«

      »Ach, hör auf.«

      Dr. Kirchner nahm noch einen Schluck. Jetzt war seine Miene ernst. »Spaß beiseite! Ich bewundere dich. Tja, und ich beneide dich auch. Wenn ich da an das Personal in unserer Klinik denke!«

      »Prost!« Dr. Lindau lächelte. »Trinken wir auf das Personal. Ich nehme an, dass du dabei in erster Linie an Kollegin Westphal denkst.«

      Dr. Kirchner nickte.

      Da lachte Dr. Lindau. »Womit wir wieder beim Thema wären.« Er lehnte sich bequem zurück und streckte die Beine von sich. »Du bist durchschaut, mein Lieber! Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass dein Besuch im Grunde Anja gilt.«

      Jochens Wangen färbten sich. »Ganz stimmt es nicht. Natürlich wollte ich Anja wiedersehen. Eine Frau wie sie in diesem Nest – ich begreife es nicht!«

      »Willst du sie mir etwa abspenstig machen?« Dr. Lindau beugte sich wieder nach vorn, er füllte die Gläser erneut.

      »Wollen möchte ich schon«, gab Jochen zu, »doch mir ist klar, dass ich da keine Chance habe. Anja fühlt sich in Auefelden wohl.«

      Hendrik schmunzelte. »Du hast sie also gefragt?«

      »Nicht direkt! Ich habe nur durchblicken lassen …« Er vollendete den Satz nicht, sondern seufzte. »Sie wird wohl auf ewig meine unerfüllte Liebe bleiben.«

      »Du scheinst jedenfalls nicht daran zugrunde zu gehen«, spottete Hendrik. Es tat ihm gut, mit Jochen zu flachsen. Er fühlte sich in seine Studentenzeit zurückversetzt.

      Jochen lachte. »Ich war nie ein Kind von Traurigkeit. Anja ist aber wirklich etwas Besonderes. Wenn ich es mir recht überlege, dann könnte ich es doch noch einmal versuchen.«

      »Untersteh dich!« In seinen Gastgeber kam Bewegung.

      Jochen grinste breit, er rieb sich die Hände. »Es kommt wirklich nur auf einen Versuch an. Man sagt mir nach, dass ich sehr viel Charme besitze.«

      So


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